MORD OHNE EHRE

M

Amoklauferl, Atomkriegerl und ein Ehrenmord

„Bitte, hast Du das gelesen von dem 18-jährigen Afghanen, der seine Schwester umgebracht hat?“ fragt Bettina, während sie mein altes Fahrrad kritisch beäugt.

Ich gebs zu, dieses Radlfahren ist nicht meins. Als leidenschaftlicher Taxler sage ich: Liebe geht durch den Wagen. Für mich gibt’s nur eine Art der Fortbewegung, und wozu deppat in die Pedale treten, wenn ich einfach aufs Gas steigen kann. Aber Bettina, die Lehrerin aus dem Internet und mein aktueller Beziehungsstatus, will eine Radtour machen. Und was tut man nicht alles, um die Frau an seiner Seite zu erfreuen.

Ich nicke. „Ja, sicher, nicht nur gelesen, auch ein paar Fahrgäste haben drüber geredet. Arg, diese Geschichte“.

„Das arme Mädel“. Bettina schaut mich streng an, und ich denke mir, oje, gleich regt sie sich auf. Den speziellen Gesichtsausdruck kenn ich nämlich. „Dieses arme Mädel“, wiederholt meine Beste: „Weißt, Wukkerl, ich kenne solche Geschichten ja von unserer Schule. Mädels aus diesen Kulturen, die in konservativen Familien aufwachsen, wo alle durchdrehen, wenn sich eine Frau nicht so sittsam und keusch verhält, wie das bei denen in ihrem Mittelalter-Büchl drinsteht. Die versucht, auszubrechen, und dadurch Schande über die Familienehre bringt. Was gerächt werden muss, eh klar.“

Bei meiner Ehre

„Ehrenmord heißt das dann im Extremfall“, murmle ich, „so ist es jedenfalls in der Zeitung gestanden.

„Ehrenmord, was für eine beschönigende Bezeichnung für eine kaltblütige, barbarische Hinrichtung“, empört sich Bettina, „Ehrenmord klingt so nach Rechtfertigung. Das klingt ja fast schon sympathisch.“

„Was wäre denn die wienerische Variante“; überlege ich, „Totschlagerl? Amoklauferl? Atomkriegerl? Wir sagen ja auch immer alles lieber ein bisserl netter.“

„Jaja, die total wichtige Ehre“, lässt Bettina nicht locker, „Ehrenmord hört sich so an, als wäre das was, das in diesen Kulturen halt so üblich ist. Etwas, bei dem man als gelernter Österreicher lieber wegschaut, weil es sich eh hinter geschlossenen Türen abspielt. Und sowas passiert dann mitten in Wien, mitten im 21. Jahrhundert, mitten unter uns, im Hieb nebenan.“

Aufgewühlt prüft sie jetzt den Reifendruck, auch der findet bei ihr keine Gnade. „Wann hast denn das Radl zuletzt in Betrieb gehabt? Das muss etwa auch im Mittelalter gewesen sein, oder?“ faucht sie, „da ist ja überhaupt keine Luft drin. Geh, gib mir die Pumpe.“ Das erfolgreiche Domestizieren des vorsintflutlichen Drahtesels scheint sie jedoch milder zu stimmen.

„Weißt, Wukkerl“, räsoniert sie nach ein paar Minuten „zum Glück gehen ja nicht alle diese Geschichten so tragisch aus. Aber der Einfluss dieser Familienclans ist halt schon gewaltig. Die haben ihre eigenen Regeln, und wir, finde ich, setzen denen viel zu wenig entgegen. Außerdem war der jugendliche Täter ja kein unbeschriebenes Blatt bei den Behörden, ist in der Zeitung gestanden. Da gehört doch viel mehr geschaut, was sich in der Familie abspielt.“

„Wir haben die beste Polizei der Welt“, sage ich, „die kennt die Täter immer schon vorher.“ „Böse, sehr böse“, grinst Bettina, und schiebt mir das auffrisierte Radl hin, „so, zur Strafe darfst jetzt mit mir in die Pedale treten. Gemma!“ Kleine Sünden bestraft der liebe Gott eben sofort.

Über den Autor / die Autorin

Walter Vukovic

Walter „Wukkerl“ Vuković, 44, ist Taxifahrer. Mitten in Wien und zwischen den Welten. Wukkerl hat Migrations-Hintergrund (Vater aus Serbien, in den 70ern als Gastarbeiter nach Wien gekommen, Mutter Österreicherin), ist geschieden und Vater einer Tochter (15).

1 comment

  • Es sind die Fanatiker, die bomben, köpfen, töten und ehrenmorden. Es sind die Fanatiker, die eine Moschee nach der anderen übernehmen. Es sind die Fanatiker, die eifrig das Steinigen und Hängen von Vergewaltigungsopfern und Homosexuellen verbreiten.
    Es sind die Fanatiker, die ihre Jugend lehren, zu töten und Selbstmordattentäter zu werden.