Männer: das schwache Geschlecht

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Das Coronavirus tötet vor allem Männer

Je länger der Zeitraum seit dem Beginn der Infektionserkrankung, desto mehr Daten sind bekannt und können ausgewertet werden. Von Anfang an zeigte sich eine extrem unterschiedliche Mortalitätsrate je nach Alter und Geschlecht des Erkrankten. Die Infektion verlief mehr oder weniger harmlos bei Kindern und Jugendlichen, während ältere Menschen weitaus mehr darunter litten. Bei den über Achtzigjährigen starben etwa 15%, während es zumindest in China keine Todesfälle bei Kindern unter zehn Jahren gab.

Zu Beginn zeigte die Statistik keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Doch nach einigen Wochen verschob sich die Todesrate mehr und mehr zum Nachteil der Männer. Die Infektionsrate zeigte zumindest zu Beginn nur geringe Unterschiede. Dann änderte sich das Bild. 

Anfang Februar waren etwa 52 Prozent der Erkrankten Männer und 48 Prozent Frauen. Bei der Todesrate der Fälle in China verhält es sich allerdings 1/3 Frauen zu 2/3 Männer, also ein gravierender Unterschied. Je länger die Erkrankung untersucht wurde, desto stärker zeigten sich auch Unterschiede bei den Infizierten. Bei den älteren Patienten war der Anteil der Männer sowohl bei den Infizierten als auch bei den Todesfällen wesentlich höher als jener der Frauen. In der Altersgruppe über sechzig Jahren lag der Anteil der männlichen Patienten Ende Februar bereits bei fast 70%.

Wissenschaftler versuchten alle möglichen Erklärungen anzubieten, beginnend mit der unterschiedlichen Hygiene, und behaupteten, dass Männer sich nicht so oft die Hände waschen würden wie Frauen. Einen weiteren Grund sah man im Rauchen, da Männer öfters Raucher seien als Frauen, und Rauchen die Immunität schwächen würde. Dem widersprach allerdings der Leiter des Krankenhauses in Wuhan, der berichtete, dass weniger als 2% der Männer, die gestorben waren, geraucht hätten. Er ging eher davon aus, dass die Erkrankung im Sea-Food Markt begonnen und sich ausgebreitet hatte, wo fast nur Männer arbeiten. 

Vor allem Virologen gaben sich jedoch mit unterschiedlichem Verhalten als Erklärung nicht zufrieden und suchten die Gründe auf der biologischen Ebene. Bei SARS im Jahre 2003 gab es ähnliche Unterschiede. Damals war die Todesrate bei Männern 50% höher als bei Frauen. Andere Infektionskrankheiten wie das ›Middle East Respatory Syndrom‹ traf ebenfalls weitaus mehr Männer als Frauen, die die Erkrankung nicht überlebten.

Den Theorien mancher Wissenschaftler zufolge scheint der weibliche Körper eine bessere Abwehr gegen Virusinfektionen entwickeln zu können. Erste Versuche mit Mäusen zeigten ebenfalls Unterschiede bei der Dauer der Heilung zwischen männlichen und weiblichen Tieren. Erklärungstheorien versuchen die Verantwortung der Frauen gegenüber den Kindern ins Spiel zu bringen, aber überzeugende Nachweise gibt es noch keine für die Unterschiede. Eine Gruppe von chinesischen Wissenschaftlern versuchte nachzuweisen, dass weibliche Hormone verhindern würden, dass sich das Virus im Körper ausbreite, und es sozusagen zurückdrängten. Doch die Untersuchungen gestalten sich schwierig, da der Faktor noch dazu komme, dass Männer generell weniger zum Arzt gehen würden und daher bereits durch andere Erkrankungen geschwächt wären.

Männer werden oft als ›Jammerlappen‹ beschrieben, wenn sie krank werden, vor allem bei Erkältungen und Grippe. Frauen könnten mit der Belastung einer Grippe-Krankheit besser umgehen – heißt es –, würden nicht sofort zu Hause bleiben und könnten Husten, Schnupfen, Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen besser ertragen. Männer würden bei der geringsten Infektion bereits ein Bild von sich geben, als wären sie todkrank. Neueste Untersuchungen zeigen jedoch, dass Männer tatsächlich mehr leiden unter Infektionserkrankungen, sie höheres Fieber bekommen und die typischen Begleiterscheinungen sich wesentlich dramatischer auswirken.

Die Gründe für die Benachteiligung der Männer und die bessere Abwehr der Frauen sind derzeit Gegenstand weltweiter Forschungsprojekte, um eine mögliche Behandlung zu finden. Wenn die Gründe im Immunsystem und im Hormonhaushalt der Frauen liegen, sind das wichtige Informationen, um in diese Richtung weitere Untersuchungen zu machen.

Männern, vor allem älteren Männern, ist zu raten, noch vorsichtiger zu sein und alle Vorsichtsmaßnahmen doppelt und dreifach zu erfüllen. Besser das Fußballspiel nicht im Gasthaus mit anderen Fans genießen, sondern zu Hause vorm Fernseher. Die Freundesrunde im Tennisklub oder beim Kartenspiel immer mit intensivem Händewaschen beenden. Nach jedem Kontakt mit anderen außerhalb der Wohnung ebenfalls die Hände waschen, vor allem in Restaurants und öffentlichen Toilette Anlagen. Auf die üblichen Begrüßungs-Umarmungen besser verzichten, und wenn es nicht sein muss, auch nicht die Hand geben. 

Ein Video aus China zeigt eine neue Begrüßungszeremonie: Statt Umarmung und Händeschütteln berührt man sich mit dem Schuh.


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Über den Autor / die Autorin

Peter Sichrovsky

Klassische Dilettanten-Karriere, wenig von viel und viel von wenig zu wissen, zu können, nach Studium der Chemie Marketing in Pharmaindustrie, dann Journalist, Schriftsteller, Mit-Gründer des Standards, SZ/Stern Korrespondent in Asien, EU-Parlamentarier, die letzten zehn Jahre Industrie-Karriere in Süd-Ost-Asien, 23 mal übersiedelt und nach Wien, Berlin, New York, München, New Delhi, Singapur, Hong Kong, Manila, Los Angeles und Brüssel in Chicago gelandet. Seit September 2017 lebt Peter Sichrovsky in London.

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