Photo: Knesset, by Beny Shlevich, CC BY-SA 2.5
70 Jahre Israel
Jede Grenze dieser Welt erzählt eine Geschichte von Siegen und Niederlagen. Jede Grenze dieser Welt wurde mit Blut gezeichnet. Israel hätte eine Ausnahme sein können. Die ersten Grenzen dieses Staates zeichneten die Vereinten Nationen mit Zweidrittel-Mehrheit am 29. November 1947. Doch »es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbar nicht gefällt«, wie es in Friedrich Schillers Wilhelm Tell heißt.
Der »Nahost-Konflikt«
Mit dem Überfall auf den neuen Staat vergaben die arabischen Nachbarn die Chance auf die Gründung eines weiteren arabischen Staates auf dem Gebiet jenes Palästina, das nach der Abtrennung von Transjordanien vom ehemaligen britischen Mandatsgebiet übrig geblieben war. Es war die zweite vergebene Chance nach der Ablehnung des Vorschlags der Peel-Kommission von 1937, viele weitere sollten folgen. Bill Clinton und Ehud Barack haben Jassir Arafat im Jahr 2000 in Camp David Zugeständnisse gemacht, die so weitreichend waren wie nie zuvor und viele für die israelische Seite schmerzhafte Kompromisse beinhalteten. Die Palästinenser antworteten mit der »al-Aqsa-Intifada«, bei der sie mehr tausend Israelis ermordeten. Die Angebote von Ehud Olmert an Mahmoud Abbas in den Jahren 2008 und 2014 gingen sogar noch weiter. Doch nie waren die Vertreter der Palästinenser mit weniger zufrieden als mit der faktischen Zerstörung des jüdischen Staates. Jedes Mal folgten sie der Tradition des Mufti von Jerusalem, der kompromisslos für einen arabischen Staat zwischen Jordan und Mittelmeer kämpfte und alle Araber beseitigen ließ, die sich mit den Juden arrangieren wollten.
Im Grunde ist der so genannte Nahost-Konflikt ein kleiner Regionalkonflikt, einer von vielen im Nahen Osten und bei weitem nicht der größte oder gefährlichste. Israel ist samt den umstrittenen Gebieten flächenmäßig kleiner als Brandenburg, nicht einmal so groß wie Ober- und Niederösterreich zusammen. In einer »Rangliste der schlimmsten Konflikte des letzten Jahrhunderts« von 2007 brachte es der israelisch-arabische Konflikt nur auf Platz 49. Bis dahin starben darin seit 1948 rund 16.000 Israelis und 35.000 Araber, was 0,06 Prozent aller 85 Millionen muslimischen Opfer in allen Konflikten dieser Zeit entspricht.
60 Jahre Kampf gegen Israel kosteten die Muslime 35.000 Leben. Im selben Zeitraum starben in anderen Konflikten 11 Millionen Muslime, 90 Prozent davon durch die Hand ihrer eigenen Glaubensbrüder. Die Opferzahlen sind seither exorbitant gestiegen, allein der Bürgerkrieg in Syrien forderte 500.000 Tote. Doch wenn Muslime durch Muslime sterben, ist das der UNO nur selten eine Resolution wert.
Die »Palästinenser«
Wie keiner anderen Volksgruppe ist es den »Palästinensern« gelungen, ihre Anliegen mit Mord und Totschlag ins Zentrum der Weltöffentlichkeit zu rücken. Ihre Methode bestand aus Flugzeug- und Schiffsentführungen, Selbstmordattentaten, Anschlägen und Überfällen. Antisemitische, anti-amerikanische und anti-kapitalistische Ressentiments halfen bei der politischen Akzeptanz, vor allem in der europäischen Sozialdemokratie. Bruno Kreisky öffnete Arafat das Tor zur Diplomatie, Wolfgang Steinmeier legte an seinem Grab einen Kranz nieder. Der Kreis schließt sich. Wie ein roter Faden zieht sich die Liebe zu den Palästinensern durch die Geschichte der europäischen Sozialdemokraten, bis in die Gegenwart herein. Selbst unter größten geistigen Verrenkungen wird man exponierten Vertretern wie dem britischen Labour-Chef Jeremy Corbyn oder der EU-Außenministerin Federica Mogherini nicht unterstellen können, auch nur ansatzweise »israel-freundlich« zu sein.
Die größten diplomatischen Erfolge feiert das Volk, das zum ersten Mal überhaupt erst in der Gründungs-Charta der PLO von 1964 erwähnt wurde, in der UNO. Dass es überhaupt eine Diskussion über ein »Rückkehrrecht« der Palästinenser gibt, ist nur dem Umstand zu verdanken, dass es mit der UNRWA eine eigene UN-Behörde gibt, die palästinensische Flüchtlinge anders zählt als alle anderen Flüchtlinge in der Welt gezählt werden. Ein Sohn kubanischer Eltern, der in Kalifornien geboren wird, ist Amerikaner und kein »kubanischer Flüchtling«. Kein einziges der Kinder und Enkelkinder von 12 Millionen Deutschen, die nach dem Zweiten Weltkrieg aus Polen und der Tschechoslowakei vertrieben worden sind, ist ein »deutscher Flüchtling«. Die einzige Ausnahme sind Araber aus Palästina, sie vererben ihren Flüchtlingsstatus und können ihn sogar durch Adoption weitergeben. Nur aufgrund dieser weltweit einmaligen Zählweise schwoll ihre Zahl seit 1948 auf über 5 Millionen an.
Heute betreut die UNRWA »Flüchtlinge« in 4. Generation. Würden »palästinensische Flüchtlinge« definiert wie alle anderen Flüchtlinge auf der Welt, gäbe es heute davon ungefähr 30–50.000. Während die Definition des für alle anderen Flüchtlinge zuständigen UNHCR dafür sorgt, dass sich die Flüchtlingsbevölkerung im Laufe der Zeit in ihren Aufnahmeländern auflöst, sorgt jene der UNRWA dafür, dass sie ständig wächst. Und von den 850.000 Juden, die aus arabischen Staaten vertrieben worden sind, spricht ohnehin niemand.
Die absurde Definition von Flüchtlingen der UNRWA ist das eigentliche Friedenhindernis, solange die Palästinenser sie als Grundlage für das behauptete „Rückkehrrecht“ heranziehen. Denn die Aufnahme von mehr als 5 Millionen Arabern, die noch dazu von frühester Kindheit an antisemitisch indoktriniert wurden, ist völlig ausgeschlossen. Israel wäre danach entweder keine Demokratie mehr oder kein jüdischer Staat.
Deutsche – und österreichische – Verantwortung
Seit seiner Gründung muss sich Israel gegen Angriffe seiner Nachbarn behaupten, in Kriegen und im Kampf gegen Terroristen. Heute pflegt Israel mehr oder weniger offiziell mit fast allen arabischen Staaten gute Beziehungen, zumal ein atomar bewaffneter Iran den sunnitischen Golfstaaten nicht weniger Sorgen bereitet als Israel, was die Bildung neuer Allianzen begünstigt. Saudi-Arabien erlebt unter Mohammed Bin Salman den größten Umbruch seit seiner Gründung und könnte künftig die Hauptrolle in der Entwicklung einer neuen Nahost-Friedensordnung spielen. Einzig das iranische Mullah-Regime ist in seinem Vernichtungswillen ungebrochen.
Während sich Israel mit immer mehr regionalen Playern arrangiert und die USA wieder enger an seine Seite rücken, geht Europa auf Distanz. Ausgerechnet jener Kontinent, dessen Pogrome die neuzeitliche Besiedlung des Landes auslösten, vom Russland des 19. Jahrhunderts bis zum Versuch der Nationalsozialisten, die jüdische Bevölkerung Europas auszurotten, zeigt sich nur in Sonntagsreden politisch und militärisch solidarisch. Eine Schande, ganz besonders für Österreich und Deutschland.
»Diese historische Verantwortung Deutschlands ist Teil der Staatsräson meines Landes. Das heißt, die Sicherheit Israels ist für mich als deutsche Bundeskanzlerin niemals verhandelbar«, sprach Angela Merkel am 18. März 2008 vor dem israelischen Parlament. Neun Jahre später trampelte der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel durch Israel wie ein Elefant durch den Porzellanladen. Ob es um die Anerkennung Jerusalems als israelische Hauptstadt geht oder das Atomabkommen mit Teheran: worin zeigt sich die angebliche Staatsräson, wenn man sich bei jeder Gelegenheit an die schlimmsten Feinde des Landes anbiedert?
»Der Umgang mit der Schuld geht seltsame Wege. Manchmal führt sie einen dazu, ausgerechnet dort mit dem Fuß aufzustampfen, wo man besser ganz still sein«, schrieb Jan Fleischhauer in einer zeitlos aktuellen Kolumneüber Gabriels Israel-Reise und gab die beste Empfehlung der letzten Jahre für Deutschlands (und Österreichs) Israel-Politik: »U-Boote liefern, Klappe halten.«
Happy Birthday
Mit seiner Innovationskraft hat Israel die Welt zu einem besseren Ort gemacht. Von Medizintechnik bis zum autonomen Fahren, von neuen Landwirtschaftstechniken bis zur Biotechnologie, viele technischen und medizinischen Fortschritte haben ihren Ursprung in israelischen Innovationen.
Die einzige Demokratie im Nahen Osten ist auch eine überaus bunte und lebendige. Von den 8,3 Millionen Einwohnern (Stand 2014) sind rund 75% Juden und 21% Araber. Nirgendwo wird die israelische Politik intensiver und kontroverser diskutiert als in Israel selbst. In keinem einzigen arabischen Land genießen Palästinenser bürgerliche Rechte wie in Israel. In keinem anderen Land im Nahen Osten sind Frauen völlig gleichberechtigt, in keinem anderen können Homosexuelle unbehelligt leben. Allen Anfeindungen zum Trotz funktionieren die rechtsstaatlichen Institutionen, ist die Presse frei und sind die Gerichte unabhängig.
Zum Vergleich mag man sich – nur als Gedankenexperiment – einmal vorstellen, was in Österreich los wäre, würden täglich Raketen von Slowenien auf Kärnten regnen, würde man seit Jahrzehnten mit jedem Kaffeehausbesuch Gefahr laufen in die Luft gesprengt oder am Weg zur U-Bahn niedergemetzelt zu werden. Welche Auswirkungen die permanente Bedrohung der eigenen Vernichtung auf die Regierungen des Landes hätte, auf die Berichterstattung im Boulevard, auf den politischen Diskurs im Allgemeinen. Ob Österreichs Demokratie wohl einer solchen Herausforderung gewachsen wäre?
Menschlichkeit, Lebenslust und -wille, Tapferkeit und Forschungsgeist haben das kleine Land Israel groß gemacht. Heute gereicht der jüdische Staat vielen anderen Ländern zum Vorbild. In diesem Sinne, zum 70. Geburtstag ein herzliches »L‘chaim«!
Teil 1: Der Jude unter den Staaten
Teil 2: Juden in Palästina
Teil 3: Nach dem Donner
Teil 4: Geburtswehen einer Nation
Zuerst erschienen auf mena-watch
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