DIE HOCHZEIT

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Photo: Mark Jones (cropped), CC BY 2.0

Das Ereignis des Jahres

In dem schon in mehreren meiner Beiträge erwähnten Tennis-Klub in Guildford, der mittelalterlichen Universitätsstadt südlich von London, bereitet man diese Woche das Ereignis dieses Jahres vor: Die Hochzeit von Prinz Harry mit Meghan Markle.

Der Samstagnachmittag ist üblicherweise für die A-Spieler im Klub reserviert. Das sind jene, die kaum noch Doppelfehler beim Servieren machen, ein sicheres Backhand der Linie entlang spielen können und beim Doppel am Netz den Ball unerreichbar in der Mitte des gegnerischen Feldes versenken.

Am kommenden Samstag, dem 19. Mai, sind alle willkommen, nicht nur die A-Spieler. Der Tennis-Verein feiert die Hochzeit des Prinzen. Im Klubhaus steht bereits eine große Leinwand, auf der über einen Projektor die Hochzeit gezeigt wird, überlebensgroß und von jeder Ecke des Raumes sichtbar. Ein kompliziertes Auswahlverfahren hat die Spender der Speisen und Getränke ermittelt. Jeder konnte sich auf einer Liste mit Vorschlägen eintragen und das Klub-Komitee, alljährlich nach heftigen Debatten von den zahlenden Mitgliedern gewählt, entschied nach längerer Diskussion, wer von den Bewerbern die selbstverständlich nur hausgemachten Spezialitäten bringen darf. Es ging dabei um Sandwiches, Scones, Kekse und Kuchen, wobei ich mich bei anderen Festen als mehlspeisverwöhnter Österreicher eher an die Sandwiches hielt.

Als ein zwar freundlich aufgenommenes Neu-Mitglied in dieser Runde, aber nie ganz Ernst-Genommener, versuchte ich mich ein paar Mal in die Gespräche über die Hochzeit einzubringen, mit eher geringem Erfolg.

Ich sei neugierig, ob der Vater tatsächlich teilnehmen werde, sagte ich gestern zum Beispiel, nachdem bekannt wurde, dass er sich angeblich von einigen Magazinen bezahlen ließ, um kurz vor der Hochzeit noch bisher unbekannte Fotos zu veröffentlichen.

Man sah mich etwas verwundert an, und eine der Damen in einem perfekten weißen Tennis-Dress meinte nur kurz, dass dies eine Entscheidung der Familie sei. Damit war das Thema erledigt.

Dann sprach man über den Weg der Kutsche, den Aufenthalt von Braut und Bräutigam in verschiedenen Hotels in der Nacht vor der Hochzeit, natürlich über das Brautkleid, die eingeladene Prominenz und das Menu des Festmahles. Man machte sich Sorgen, wie der frisch operierte Prinz Philip den ganzen Wirbel überstehen würde, und ob es nicht auch die Gesundheit der bereits 92-Jährigen Königin beeinflussen könnte.

Ich hörte eine Weile zu und versuchte es noch einmal mit einer Wortmeldung und äußerte meine Verwunderung, dass ein Enkel der Britischen Königin eine Tochter einer Sozialarbeiterin und eines Beleuchters heiraten würde, die absolut kein adeliges Blut habe, und fügte noch dazu, dass es vielleicht eine Form der Demokratisierung des Britischen Königshauses sei.

Wieder sahen mich die Spieler und Spielerinnen, die in einer Runde bei einer Tasse Tee saßen und manchmal aus der am Tisch stehenden bunten Blechbüchse einen Keks nahmen, ziemlich erstaunt an, bis mir einer der älteren Spieler erklärte, der vor seiner Pensionierung als Managing Director bei British Airways gearbeitet hatte, das sei einzig allein die Entscheidung von Prinz Harry, und was alle anderen dazu meinten, sei nicht von Bedeutung.

So geht das nicht, dachte ich mir plötzlich. Hier muss doch einer auch eine Meinung zu diesem Zirkus haben. Die Briten, die zu allem und nichts einen Kommentar abgeben und sich minutenlang darüber aufregen, wenn einer die Milch vor dem Tee in die Tasse gießt, sprechen plötzlich meinungslos und ohne Beurteilung oder Bewertung über das wichtigste Ereignis des Jahres?

Ich wollte so viel Rücksicht, Zurückhaltung, Verständnis und Neutralität einfach nicht akzeptieren. Hier wurde länger über staubtrockene Scones diskutiert, ob sie nun mit oder ohne Rosinen serviert werden, bevor man sie mit ‚cream and jam’ beschmiert, als über Braut und ihre Vergangenheit.

Also brachte ich das absolute Stör-Argument, wenn es um die Royal Family geht und fragte, ob die Hochzeit einen Einfluss auf die Thronfolge haben könnte, und Prinz Charles eventuell zugunsten seines Sohnes verzichten würde. Ich wusste, dass diese Frage reine Provokation bedeutete, und die Pause, die dann begann, überraschte mich nicht, bis sie diesmal der Klub-Direktor persönlich beendete und ziemlich harsch mit den Worten reagierte:

‚Das ist einzig allein die Entscheidung von Prinz Charles, der ein Leben lang für diesen Moment vorbereitet wurde!’

Dann verstand ich es endlich. Hochzeit, Thronfolge und Entscheidungen des Königshauses sind für die meisten hier im Land kein Diskussionsthema. Niemand ist interessiert an Meinungen dazu, und das übliche ‚Für-und Wider’ hat keinen Platz. Als würde man sich an diesen Teil der britischen Welt mit der Erwartung klammern, dass es hier um nichts anders gehe als das, was es ist.

All die Katastrophen des Hauses haben dem Ruf der Königsfamilie nicht geschadet. Man ist entweder für die Monarchie oder dagegen. Mit diesem Entschluss gibt es dann weder Zweifel noch Kritik, nicht einmal eine Bewertung der Entscheidungen.

Die Befürworter der Monarchie lieben ihre ‚Royal Family’, und es wird eine im ganzen Land gefeierte Hochzeit werden, ganz egal, wer die Braut ist, wo sie herkommt, was ihr Vater für Sauereien plant, und welche pikanten Details eventuell über die Braut noch veröffentlicht werden. Es ist eine bedingungslose Verehrung, die weder Konditionen noch Begründungen zulässt.

Es werden 80-jährige Frauen in Zelten schlafen, um in der ersten Reihe zu stehen, wenn die Kutsche vorbei fährt, und einfache Arbeiter einen Monatslohn für eine Nacht in einer Airbnb-Wohnung zahlen, um vom Fenster aus nur einige Minuten lang den Festzug zu sehen, und Kinder werden ihr letztes Taschengeld für den Kauf eines Souvenirs verwenden. Es werden Männer in den Pubs mit einem Glas Bier die Hochzeit beobachten und Familien sich zu einem Grillfest versammeln, um auf dem TV-Gerät, das vorher mit einem Verlängerungskabel bis in den Garten getragen wurde, die Feier zu bewundern.

Und im Tennis-Klub in Guildford wird die Familie, die den Wettbewerb mit der besten Idee für den ‚Wedding-High-Tea’ gewonnen hat, ihre zu Hause vorbereiteten belegten Brote und frisch gebackenen Scones und Kuchen servieren. Für ein paar Stunden wird ein Großteil der Bewohner dieses Landes bedingungslos gemeinsam mit ihrer Royal Family einfach nur glücklich sein.

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Über den Autor / die Autorin

Peter Sichrovsky

Klassische Dilettanten-Karriere, wenig von viel und viel von wenig zu wissen, zu können, nach Studium der Chemie Marketing in Pharmaindustrie, dann Journalist, Schriftsteller, Mit-Gründer des Standards, SZ/Stern Korrespondent in Asien, EU-Parlamentarier, die letzten zehn Jahre Industrie-Karriere in Süd-Ost-Asien, 23 mal übersiedelt und nach Wien, Berlin, New York, München, New Delhi, Singapur, Hong Kong, Manila, Los Angeles und Brüssel in Chicago gelandet. Seit September 2017 lebt Peter Sichrovsky in London.

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