GREAT, BRITAIN

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 Von den Briten lernen

Verständlich, dass die Regierung des Staates Deutschland, dessen Volk sich die Erfindung des industrialisierten Massenmordes an die Brust heften kann, extrem vorsichtig ist beim Finden der passenden Tonlage mit allem, was unter dem Sammelbegriff „Ausländer“ firmiert.

Angela Merkel macht das im Großen und Ganzen richtig, auch wenn ihr gerade unterstellt wird, dass die Grenzöffnung für Flüchtlinge und Migranten im Herbst 2015 eher aus image-taktischen Überlegungen stattfand und nicht aus purer Menschlichkeit, von wegen „nicht mehr mein Land“.

Frau Merkel ist ein wesentlicher Faktor des europäischen Regelkreises, bei dem es dank Austritten und Austrittserwartungen sowie beständiger Wirtschaftsmalaise ohnehin zu mehr Unregelmäßigkeiten und Abweichungen vom Sollwert kommt als es dem Ganzen gut tut. Weshalb ich mich freue, wenn sie im Herbst wiedergewählt wird. Lieber „Sie kennen mich“ als den Profiteur aus Brüssel.

Aber als ich am Tag des Terroranschlags die britische Premierministerin im Fernsehen sah, fiel mir auf, was mir gefehlt hatte.

Theresa May nannte nicht nur den Terror in London beim Namen, nämlich Terror, sie bezeichnete den Terroristen und seine Tat auch mit Worten, die alles andere als ein freundlich gemeintes Kompliment waren. Und sie schloss ihre kurze Rede mit dem Statement, dass sich weder das britische Volk noch die Regierung von dem Terroristen und den Seinen beeindrucken ließen, und sie lobte die Arbeit der Londoner Polizei und der Sanitäter. Am nächsten Tag gab’s im britischen Parlament eine Schweigeminute für die Toten. Und eine Debatte, wie mit dem islamistischen Terror umzugehen sei.

In Deutschland, wo im Dezember einer in einem LKW auf einem Weihnachtsmarkt in Berlin ein Massaker angerichtet hatte, gab es alles das nicht.

Frau Merkel richtete weder einen flammenden Appel an ihre Landsleute, betrauerte auch nicht öffentlich die Opfer des Anschlags und eine Schweigeminute im Bundestag gab es erst einen Monat später.

Dass das Lob für die Arbeit der deutschen Behörden ausfiel, war der beschämenden Lage der Fakten gedankt. Eine deutliche Ansage in der Art von Kanzler Helmut Schmidt, die voriges Jahr im Netz herumgereicht wurde und aus der Zeit des RAF-Terrors stammt, gab es von Angela Merkel nicht und wenig spricht dafür, dass es sie jemals geben wird.

Dafür kam von deutschen Stellen die mittlerweile ins Satirehafte abgleitende Formel des Erst-vollständig-aufklären-müssens, bevor man von einem Terroranschlag sprechen können. Natürlich, der LKW-Fahrer könnte schließlich auch der Fahrer eines Weihnachts-Duftkerzen-Transporters gewesen sein, der einfach die Bremse mit dem Gaspedal verwechselte.

Man hält die eigenen Leute halt schon gerne für blöd in Deutschland. Es ist diese Thomas-de-Maizière-Haltung von „Ein Teil der Antworten würde die Bevölkerung verunsichern“, die Wortlosigkeit, die denen das Wort überlässt, die aus diesem Freiraum ihr übles Geschäft machen.

Aber so blöd sind die Deutschen gott sei Dank nicht, denen zu glauben. Die britische Regierung fand und findet deutlichere Worte zum religiösen Terror, welcher zur Zeit ein ausschließlich islamistischer Terror ist. Eine Alternative für England wird es also so bald nicht geben.

Trotzdem hoffe ich, dass der nächste deutsche Bundeskanzler wieder eine Kanzlerin sein wird. Man hat sich ja an vieles gewöhnt, auch an die Wortlosigkeit.

Über den Autor / die Autorin

Alexander Rabl

Alexander Rabl arbeitet als Texter und Konzeptionist, gönnt sich zwischendurch Berichte über Restaurants, Wein, Reisen und kulinarische Angelegenheiten, und freut sich, an dieser Stelle Notizen alltäglicher Wahrnehmungen zu veröffentlichen.

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