DIE NEOS, ISRAEL UND DIE UN

D

Wenn Österreich erwägt, sein Stimmverhalten zu Israel in der UNO zu ändern, ist das für die liberale Oppositionspartei des Landes Anlass zu Besorgnis. Warum eigentlich?

Im Rahmen der Münchner Sicherheitskonferenz sprach Sebastian Kurz mit Israels Premierminister Benjamin Netanyahu. Einem Bericht der israelischen Tageszeitung Ha’aretz zufolge hat Netanyahu Reportern berichtet, der österreichische Kanzler habe ihm zugesagt, das österreichische Abstimmungsverhalten in den Vereinten Nationen zu Israel zu ändern. Für die Außenpolitik-Sprecherin der NEOS, Dr. Stephanie Krisper, wäre es „außenpolitisch völlig unbesonnen“, wenn Kurz Österreichs Linie in diesem sensiblen Bereich „einfach in einem Nebensatz“ ändern würde, wie die österreichische Tageszeitung Standard berichtete. Sie richtete daher zusammen mit Kollegen eine parlamentarische Anfrage an das Außenministerium, in der es nach einer kurzen Einleitung heißt:

»In Israel, Palästina und den Nahostkonflikt betreffenden Resolutionen und Entscheidungen auf UN-Ebene hat sich Österreich stets gegen den Siedlungsbau und für eine Zwei-Staaten-Lösung, im Einklang mit den bisherigen UN Resolutionen und der offiziellen Position der Europäischen Union eingesetzt.

1. Auf welche Positionen bezieht sich diese Aussage des Bundeskanzlers
2. Welche Änderungen am österreichischen Abstimmungsverhalten in Bezug auf Israel, Palästina und den Nahostkonflikt sind geplant?
3. Unterstützt die Regierung nach wie vor eine Zwei-Staaten-Lösung?
a) Wenn nein, warum nicht?
4. Wird die Regierung sich weiterhin gegen die israelische Siedlungspolitik einsetzen?
a) Wenn nein, warum nicht?
5. Plant die Regierung, von offiziellen Positionen der Europäischen Union gegenüber Israel und Palästina abzuweichen?
a) Wenn ja, von welchen?
«

Auf den ersten Blick berechtigte Fragen, zumal in diesem Land nur Wenige etwas dagegen einzuwenden haben werden, sich „gegen den Siedlungsbau und für eine Zwei-Staaten-Lösung, im Einklang mit den bisherigen UN Resolutionen und der offiziellen Position der Europäischen Union“ einzusetzen. Aber ist damit das Stimmverhalten Österreichs in den Vereinten Nationen tatsächlich hinreichend beschrieben?

21:6

Im Jahr 2017 erließ die Generalversammlung der Vereinten Nationen 21 Resolutionen zu Israel und 6 zum gesamten Rest der Welt, namentlich zu Syrien, Nordkorea, dem Iran, der Krim, Myanmar und den USA. Keine einzige Resolution befasste sich mit der Situation der Menschenrechte in China, der Türkei, Saudi-Arabien, Venezuela, Kuba, Weißrussland, Pakistan, Vietnam, Algerien oder irgendeinem anderen von 175 weiteren Ländern.

An einem einzigen Tag, dem 10. November, rügte die UNO Israel allein 9 Mal. Gestützt und auf den Weg gebracht wurden die meisten Resolutionen zu Israel von den arabischen Ländern und südamerikanischen demokratischen Hochburgen wie Venezuela und Kuba. Eine Resolution, welche das Recht der Palästinenser auf Selbstbestimmung und einen eigenen Staat einmahnt, wurde von der EU eingebracht, eine von der Türkei und dem Jemen, die restlichen von der „Gruppe der 77“ – einem Zusammenschluss von Staaten der Dritten Welt – und den Ländern der „Organisation für Islamische Zusammenarbeit“. Bei den 21 Resolutionen zu Israel hat Österreich 17 Mal mit Ja gestimmt und sich 4 Mal der Stimme enthalten. Österreich und Deutschlands stimmten jeweils identisch.

Das Jahr 2017 ist keine Ausnahme. Die Generalversammlung der Vereinten Nationen arbeitet sich permanent an Israel ab, während sie zu fast allen anderen Ländern schweigt. Österreich stimmt meistens im Einklang mit Deutschland ab, aber nicht immer. Als es 2011 darum ging, ob „Palästina“ in die UNESCO aufgenommen werden soll, stimmte Deutschland dagegen, Österreich dafür. Die Konstante des österreichischen Abstimmungsverhaltens lässt sich also seit Jahrzehnten einfach beschreiben: Wenn man bei Resolutionen zwischen den Positionen arabischer Diktaturen und jenen von Israel und den USA zu entscheiden hatte, stimmte man in aller Regel gegen letztere oder enthielt sich bestenfalls der Stimme.

Israel als Jude unter den Staaten

Die Arbeitsdefinition von Antisemitismus der International Holocaust Remembrance Alliance, die 2017 auch von Österreich angenommen worden ist, nennt als ein Merkmal von Antisemitismus, die „Anwendung doppelter Standards, indem man von Israel ein Verhalten fordert, das von keinem anderen demokratischen Staat erwartet oder gefordert wird.“

Und was sonst als doppelte Standards liegen zugrunde, wenn die UNO von allen Ländern dieser Erde nur ein einziges herauspickt, sich in einem Jahr mit 21 Resolutionen zu einem einzigen Land befasst und nur 6 Mal mit irgendeinem anderen? Niemand wird ernsthaft behaupten, dass Israel dreieinhalb Mal so wichtig oder dreieinhalb Mal so schrecklich sei wie der gesamte Rest der Welt. Nein, es geht um einen Interessenskonflikt zwischen Diktaturen und demokratischen Rechtsstaaten. Und in den Vereinten Nationen stellen sich Österreich und die EU in der Regel fest an die Seite der Diktaturen.

Man mag die notorische Fixierung der UNO auf Israel antisemitisch, antizionistisch oder anti-israelisch nennen. Man mag Sebastian Kurz unterstellen, eine Änderung des Abstimmungsverhaltens nur deswegen in Aussicht gestellt zu haben, um seinen Koalitionspartner vom Verdacht des Antisemitismus reinzuwaschen. Man mag der Ansicht sein, dass die anti-israelische und anti-amerikanische Linie Österreichs in der UNO im Interesse des Staates liege, oder dass die früheren Regierungen aus welchen Gründen auch immer zumindest der Ansicht waren, dem sei so gewesen.

Aber warum befürchtet eine angeblich liberale Oppositionspartei die Änderung einer Linie, die wohl kaum jemand als „liberal“ bezeichnen würde? Ich weiß es nicht, also hätte ich ein paar Fragen an Frau Dr. Krisper:

1. Ist es Ihrer Ansicht nach angemessen, dass sich die Generalversammlung der Vereinten Nationen in einem einzigen Jahr 21 Mal mit einer Resolution zu Israel befasst und nur 6 Mal mit irgendeinem anderen Land der Welt?
2. Ist es Ihrer Ansicht nach charakteristisch für eine besonnene Außenpolitik, keine einzige Resolution zu Israel abzulehnen und damit großen Demokratien wie USA, Kanada, Australien, oder dem Vereinten Königreich entgegenzuhandeln?
2. Was befürchten Sie, sollte Österreich dieses Abstimmungsverhalten in Bezug auf Israel, Palästina und den Nahostkonflikt künftig ändern?
3 Halten Sie es für richtig, dass Österreich eigenständig seine Linie in der Außenpolitik entwickelt, insbesondere in den Vereinten Nationen?
a) Wenn nein, sollten wir einfach dem Abstimmungsverhalten Deutschlands folgen?
4 Setzen Sie sich für das Recht Israels auf einen eigenen, jüdischen Staat ein?
a) Wenn ja, woran merkt man das?
5. Haben Sie oder Ihre Partei sich jemals auf nationaler oder europäischer Ebene dafür eingesetzt, die Einseitigkeit der Europäischen Union gegenüber Israel und Palästina in der UN-Generalversammlung zu thematisieren und allenfalls zu verändern?
a) Wenn nein, planen Sie das in Zukunft zu tun?

Die Antwort von Dr. Krisper:

Nachdem obiger Text auf mena-watch veröffentlicht wurde, hat Frau Dr. Krisper auf die Fragen geantwortet. Dafür bedanke ich mich herzlich und gebe ihren Kommentar auch an dieser Stelle wieder:

»1. Die Generalversammlung hat sich im Jahr 2017 mit 6 verschiedenen Ländersituationen auseinandergesetzt, im Konkreten Syrien, Myanmar, Iran, Nordkorea, Afghanistan und der Ukraine. Demgegenüber stehen in etwa 17 Resolutionen die Israel und/oder Palästina betreffen. Es ist daher nicht zu leugnen, dass innerhalb der Vereinten Nationen, insbesondere in der Generalversammlung und dem UN-Menschenrechtsrat ein Bias gegen Israel im Agenda-setting vorherrscht.

2. Von der Frage der überhöhten Aufmerksamkeit, die dem Nahostkonflikt und Israel auf UN Ebene zukommt, muss die Bewertung der inhaltlichen Richtigkeit der entsprechenden Resolutionen getrennt werden. Von den genannten Staaten hat z.B. das Vereinigte Königreich Resolutionen, die sich gegen die Siedlungspolitik Israels richteten, stets mitgetragen, genauso wie andere „große Demokratien“ wie Frankreich und nahezu alle anderen EU Staaten. Österreich ist Teil der Gemeinsamen Europäischen Außenpolitik und sollte sich in diesen Fragen daher in erster Linie mit seinen Europäischen Partner abstimmen.

3. Wie bereits erwähnt wäre dies ein Bruch nicht nur mit der jahrzehntelangen Österreichischen Position, sondern auch der der Europäischen Union. Es steht der Bundesregierung natürlich frei, ihre Position zu revidieren, allerdings sollten in einem so sensiblen Bereich wie der Nahostpolitik, tiefgreifende Positionsänderungen nicht leichtfertig und „nebenbei“ angekündigt werden. Egal wie man in der Frage inhaltlich stehen mag, ist wohl kaum zu bestreiten, dass jedwede Positionsänderung tiefgreifende Auswirkungen auf die Österreichischen Beziehungen sowohl mit Israel, als auch mit den arabischen Staaten nach sich ziehen kann. In der gegenständlichen parlamentarischen Anfrage geht es daher nicht vorrangig um den Inhalt der angekündigten inhaltlichen Neuausrichtung, sondern dass so eine solche Neuausrichtung mit tiefgreifenden Folgen nicht in einem Nebensatz angekündigt werden sollte.

4. Natürlich sollte Österreich auch eine eigenständige Außenpolitik verfolgen, sie sollte sich aber grundsätzlich im Einklang mit der Gemeinsamen Europäischen Außenpolitik befinden, welche einstimmig festgelegt und von Österreich mitbeschlossen wurde.

5. Das Existenzrecht Israels als jüdischer Staat steht für uns selbstverständlich außer Frage. Inwieweit die israelische Bevölkerung die jüdische Verfasstheit des Staates zum Ausdruck bringen möchte (siehe aktuelles Gesetzesvorhaben Basic Law: Israel as the Nation-State of the Jewish People) ist eine demokratische Entscheidung der israelischen Bürger_innen. Wichtig ist dabei allerdings, dass Minderheitenrechte gewahrt bleiben.

a)  Indem wir intensive Beziehungen zu Israel, insbesondere Schwesterparteien wie Yesh Atid und anderen israelischen Bewegungen pflegen. Des Weiteren setzen wir uns auf österreichischer Ebene stets gegen Antisemitismus und Antizionismus ein (zum Beispiel im Rahmen parlamentarischer Anfragen: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/J/J_00109/imfname_678052.pdf). Des Weiteren gab es bereits zahlreiche NEOS-Delegationen nach Israel und regen parlamentarischen Austausch mit der Knesset.

6.  Ja, wir haben in Israel und den Nahostkonflikt betreffenden Abstimmungen stets eine differenzierte Linie vertreten und uns in fragwürdigen Resolutionen enthalten (siehe z.B. Abstimmung zur Anerkennung Palästinas: http://www.votewatch.eu/en/term8-recognition-of-palestine-statehood-joint-motion-for-resolution-vote-resolution.html

Sehr geehrte Frau Dr. Krisper,

haben Sie vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, meine Fragen zu beantworten!

Freilich würde ich mir eine österreichische Partei wünschen, welche an die Frage umgekehrt herangeht: Wenn wir schon den „Bias gegen Israel“ erkennen, warum machen wir dann dabei mit? Wenn man eine Resolution für inhaltlich richtig erachtet, aber deren politischen Zweck missbilligt, kann man sich der Stimme enthalten. Es gibt keinerlei Zweifel daran, dass der von Ihnen zurecht konstatierte Bias nur dem Zweck dient, Israel in der Weltöffentlichkeit zu delegitimieren. Warum sollten wir uns in den Dienst dieser Sache stellen?

Jedes Land definiert den Spielraum seiner Außenpolitik selbst, eben deshalb schreiben Sie ja „nahezu alle anderen EU Staaten“ und nicht einfach „alle“. Österreich hat unter Bruno Kreisky eine sehr eigenständige Nahost-Politik betrieben und war damit weit wirkungsmächtiger als es der eigentlichen Bedeutung des Landes entsprach. Diese Politik war dezidiert pro-palästinensisch.

Nicht nur aus einer besonderen historischen Verantwortung heraus sondern vor allem angesichts der geopolitischen Lage bedauere ich, dass sich eine österreichische liberale Partei nicht entschlossen für eine pro-israelische Politik einsetzt. Zumal, wenn sie als Oppositionspartei nicht denselben Zwängen unterliegt wie in Regierungsverantwortung. Sich aktiv an der Delegitimierung Israels zu beteiligen, darf nicht im „Einklang mit der Gemeinsamen Europäischen Außenpolitik“ stehen. Diesen Umstand zu thematisieren, stünde einer liberalen Partei gut an.

Hat Ihnen der Beitrag gefallen? Dann unterstützen Sie bitte die SCHLAGLICHTER!

Über den Autor / die Autorin

Thomas M. Eppinger

Thomas Eppinger ist davon überzeugt, dass alle Menschen mit unveräußerlichen Rechten geboren sind, zu denen das Recht auf Leben, Freiheit und das Streben nach Glück gehören. Daraus ergab sich alles andere, auch diese Website.
Der Publizist ist 1961 in Vöcklabruck geboren, lebt heute in Graz und arbeitet in Wien als Lead Editor bei »Der Pragmaticus«. Davor leitete er den unabhängigen Nahost-Thinktank Mena-Watch.

2 comments

  • Die UNO ist mittlerweile in den Händen islamischer und von islamischen Staaten gekauften Staaten. Die Israelis machen sicher nicht alles richtig, aber Israel ist von lauter Feinden umgeben und so genannte Freunde fallen ihnen in den Rücken.

    Es ist ein Hohn wenn unsere Politiker bei der FPÖ von braunen “Rülpsern” reden und andererseits die Todfeinde der Juden, Moslems zu hunderttausenden ins Land holen. Karl Lagerfeld hat es auf den Punkt gebracht: “Die größten Antisemiten sind die welche die Todfeinde der Juden, die Moslems ins Land holen.”

    Die wahren Antisemiten sind die Grünen, Roten und Gutmenschen, die Kirchen usw.