WAS NICHT GESAGT WURDE

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Photo: Hans Michael Tappen, CC BY-NC-SA 2.0

Die verpasste Chance

Udo Landbauer:

»Erschüttert und empört habe ich die vom FALTER veröffentlichten Texte gelesen, die aus einem Liederbuch jener Burschenschaft stammen, der ich 17 Jahre lang angehört habe. Ich verabscheue den rassistischen, antisemitischen Ungeist, der aus diesen Zeilen spricht, aus tiefstem Inneren. Dieses Gedankengut war für die dunkelsten Zeiten unserer Geschichte verantwortlich; für den größten Krieg der Menschheitsgeschichte, der mehr als 60 Millionen Menschen das Leben kostete; für den systematischen Raubmord an unseren jüdischen Mitbürgern, für deren Verfolgung bis hin zu Vertreibung und Ermordung. Aus diesen Zeilen spricht der Geist von Auschwitz. Sie verhöhnen die sechs Millionen im Holocaust Ermordeten und demütigen deren Hinterbliebenen. Dieses Gedankengut hat in Österreich keinen Platz.

Ich bin fassungslos, dass ein solches Buch noch 1997 in meiner ehemaligen Burschenschaft verlegt werden konnte. Ich selbst habe Texte dieses oder ähnlichen Inhalts nie zu Gesicht bekommen, geschweige denn gesungen. Doch der Gedanke, dass ich Verantwortliche und Mitwisser mit höchster Wahrscheinlichkeit kennengelernt habe, mit ihnen diskutiert und gefeiert habe, macht mich wütend und nachdenklich zugleich.

Ich bedauere, dass der FALTER diese Texte erst wenige Tage vor einer entscheidenden Wahl veröffentlicht hat, in der es um die Zukunft unseres Bundeslandes geht. Man erkennt die Absicht und ist verstimmt. Je früher ich von diesen Texten Kenntnis erlangt hätte, desto früher hätte ich darauf reagiert.

Dass der Zeitpunkt der Veröffentlichung offensichtlich wahltaktisch motiviert ist, ändert freilich nichts an ihrer Substanz. Und obwohl ich persönlich mit diesen widerwärtigen Texten nicht das Geringste zu tun habe, ziehe ich daraus persönliche und politische Konsequenzen.

Ich habe meine Mitgliedschaft in der Burschenschaft Germania zu Wiener Neustadt umgehend beendet. Eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft ist in Arbeit, die Behörden haben meine volle Unterstützung. Ich hoffe, dass sämtliche Verantwortlichen und Mitwissenden strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können.

Die politische Verantwortung geht indes über die strafrechtliche hinaus. Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass Menschen mit diesem Gedankengut keinen Platz in einer Partei haben können, der ich angehöre. Zum jetzigen Zeitpunkt gehe ich davon aus, dass niemand in meiner Landespartei von diesen Texten gewusst hat. Dessen ungeachtet werden wir den Fall intern penibel untersuchen und jede allfällige persönliche Verstrickung mit dem Ausschluss aus der Partei ahnden. Nationalsozialistisches, antisemitisches oder rassistisches Gedankengut haben in der FPÖ keinen Platz.

Nach diesem Vorfall kann und will ich nicht zur Tagesordnung übergehen. Ich werde persönlich dafür sorgen, dass diese Entgleisungen lückenlos aufgeklärt werden und eng mit den Behörden zusammenarbeiten. Ich bleibe Spitzenkandidat meiner Partei und stelle mich der Wahl. Aber ich werde solange kein politisches Amt in Niederösterreich bekleiden, bis lückenlos geklärt ist, ob auch Mitglieder unserer Partei in diesen Skandal verstrickt sind. Schon allein deshalb, um ein klares und unmissverständliches Zeichen zu setzen, dass solches Gedankengut weder von mir noch von meiner Partei geduldet wird.«

H.C. Strache:

»Gleich vorab, ich schließe mich der Stellungnahme des Kanzlers vorbehaltlos an: „Die publik gewordenen Liedtexte der Germania sind rassistisch, antisemitisch und absolut widerwärtig. Dafür darf es in unserem Land keinen Platz geben. Es braucht daher volle Aufklärung und die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden.”

Nicht wenige unserer Parteifreunde sind Mitglied einer akademischen Burschenschaft. Naturgemäß fühlen sich in unserer Partei viele burschenschaftlichen Werten wie Ehre, Freiheit und Vaterland verpflichtet und stehen Idealen nahe, die dem Geist der bürgerlichen Revolution von 1848 entsprungen sind. Dem Kampf um bürgerliche Freiheiten, um Pressefreiheit und Versammlungsfreiheit. Nicht ohne Grund wurden die verschiedenen Burschenschaften im Nationalsozialismus aufgelöst.

Mit Bestürzung haben wir die widerwärtigen Lieder im Buch einer Burschenschaft zur Kenntnis genommen, welcher der Obmann unserer niederösterreichischen Landespartei angehört hat. Antisemitismus und Rassismus haben in der Freiheitlichen Partei keinen Platz, die Relativierung oder gar Verherrlichung der Verbrechen des Nationalsozialismus schon gar nicht. Wir begrüßen daher, dass der niederösterreichische Obmann ein unmissverständliches Zeichen setzt und unterstützen ihn in der Aufklärung und Aufarbeitung dieses Falls.

Darüber hinaus erwarten wir von jedem Mitglied unserer Partei, das zugleich Mitglied einer Burschenschaft ist, persönlich dafür Verantwortung zu übernehmen, dass sich ein solcher Vorfall nicht wiederholt. Wir werden umgehend eine Stelle einrichten, an die sich unsere Mitglieder wenden können, wenn sie Kenntnis von antisemitischen und rassistischen Äußerungen in Wort oder Schrift erhalten. Nationalsozialistisches Gedankengut hat in Österreich nichts verloren, nicht in unserem Land, nicht in unserer Partei. Und wo der eine oder andere in der Vergangenheit vielleicht nicht genau hingesehen haben mag, sei er nun versichert: ab sofort nehmen wir eine Lupe in die Hand.

Burschenschaften stehen nicht unter Generalverdacht. Gleichwohl gibt es Anlass zur Besorgnis, dass die Texte dieses Liederbuches bis zum heutigen Tag von der Öffentlichkeit unbemerkt und unbeanstandet bleiben konnten. Von den rund 34.000 Korporierten in Österreich gehören nur ungefähr 4.000 zu schlagenden Burschenschaften, von denen wiederum nur eine Minderheit durch Nähe zum Rechtsextremismus aufgefallen ist. Für diese Wenigen ist in der Freiheitlichen Partei Österreichs kein Platz.

Es ist schade, dass dieser Vorfall von unseren politischen Gegnern wahltaktisch benutzt wird, um daraus kurzfristig einen Vorteil zu ziehen. Uns ist das Thema zu ernst, um es für parteipolitische Zwecke zu missbrauchen.

Wir laden daher das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands und die Dachverbände der österreichischen Burschenschaften ein, mit uns zusammen und mit unabhängigen Historikern das Verhältnis der österreichischen Burschenschaften zu unserer Geschichte gemeinsam aufzuarbeiten. Bei allen sonstigen politischen Differenzen: in Bezug auf die Einordnung des Nationalsozialismus herrscht völlige Übereinstimmung. Sollte sich im Zuge dieses Prozesses herausstellen, dass vereinzelte Burschenschaften außerhalb des europäischen Nachkriegskonsens stehen, wäre die Mitgliedschaft in solchen Burschenschaften mit der Mitgliedschaft in unserer Partei nicht vereinbar.

Ich habe keinen Grund, auch nur im Geringsten an der untadeligen demokratischen Gesinnung jedes einzelnen unserer Mitglieder zu zweifeln. Aber wir stehen – gerade als Regierungspartei eines Landes mit unserer Geschichte – in einer besonderen historischen Verantwortung. Dieser Verantwortung sind wir uns bewusst.

Dass Texte wie der eben publik gewordene noch 1997 gedruckt werden konnten, bestürzt mich tief und kann nicht ohne Konsequenzen bleiben. Die Freiheitliche Partei wird das Verhältnis der österreichischen Burschenschaften zur Geschichte dieses Landes lückenlos klären. Und wo frühere Regierungen Fragen offen ließen, wird diese Regierung diese Lücken schließen. Wir dulden keinen Antisemitismus, weder in Form von Nazi-Liedern, noch in Form von „Juden ins Gas“-Rufen bei anti-israelischen Demonstrationen.

Ich wiederhole: Burschenschaften stehen nicht unter Generalverdacht. Doch wo das nicht schon längst geschehen ist, erwarten wir von jeder Burschenschaft, sich aktiv vom Ungeist, der aus den veröffentlichten Zeilen spricht, zu befreien. Das liegt in der Verantwortung der Burschenschaften und ihrer Dachverbände. Um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen, werde ich dem diesjährigen Akademikerball fernbleiben.«

Leider nein

Natürlich ist keine dieser Reden gehalten worden Jeder kann sich selbst ein Bild davon machen, wie Landbauer & Co stattdessen reagiert haben. Ich habe an anderer Stelle beschrieben, warum ich diese Regierung für eine demokratiepolitische Chance halte, insbesondere auch für die FPÖ. Die erste Chance zu klaren Worten und konsequentem Handeln hat die Partei jedoch verpasst.

Auch wenn die Aufregung von Berufsempörten bigott ist, die zur BDS-Bewegung keine klaren Worte finden und zu antisemitischen Ausfällen schweigen, wenn diese bei anti-israelischen Demonstrationen fallen; auch wenn der Zeitpunkt der Veröffentlichung wahltaktisch motiviert ist: das ändert nichts daran, dass Udo Landbauer und seine Partei nun in der Pflicht stehen. Die erste Bewährungsprobe hat die FPÖ nicht bestanden, weitere werden folgen. Lernen ist manchmal ein mühsamer Prozess.

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Über den Autor / die Autorin

Thomas M. Eppinger

Thomas Eppinger ist davon überzeugt, dass alle Menschen mit unveräußerlichen Rechten geboren sind, zu denen das Recht auf Leben, Freiheit und das Streben nach Glück gehören. Daraus ergab sich alles andere, auch diese Website.
Der Publizist ist 1961 in Vöcklabruck geboren, lebt heute in Graz und arbeitet in Wien als Lead Editor bei »Der Pragmaticus«. Davor leitete er den unabhängigen Nahost-Thinktank Mena-Watch.

4 comments

  • Werter Herr Eppinger,

    erstmal danke für die ausführliche Antwort. Mein Problem bei der Sache bzw. das, wo wir uns offensichtlich uneinig sind, liegt in folgenden zwei Punkten:

    Erstens bei der inflationären Verwendung des Begriffes Nazi. Meiner bescheidenen Bildung nach waren die Nazis erstens eine revolutionäre Bewegung, die mit Gewalt die Straße für sich reklamierte und unmittelbar nach der Machtergreifung das Parlament aufgelöst hat und zweitens eine Gruppe, die Kadavergehorsam gegenüber dem Führer bis zum Exzess gelebt hat. Die Gegner der Partei – keineswegs nur Juden – wurden öffentlich zu Untermenschen erklärt und rücksichtslos vertrieben oder ermordet.

    Keiner dieser Punkte trifft auch nur ansatzweise auf die FPÖ zu. Wenn Landbauer die bewußten Stellen im Liederbuch gekannt und gesungen haben sollte, wäre das natürlich zu verurteilen und ein Rücktrittsgrund – aber ein Nazi ist er deswegen noch lange nicht, nicht einmal ein Kryptonazi.

    Zweitens bei der raschen Anwendung des “gesunden Volksempfindens”, in neuerer Zeit eben gegen die FPÖ: Es gibt in Österreich ein Verbotsgesetz und die Verurteilungen zeigen, daß es sich hier um kein totes Recht handelt. Für sich selbst kann man die Grenze natürlich an einem beliebigen Punkt vor der gesetzlichen Schranke ziehen und etwa keinen Umgang mit bestimmten Leuten oder Gruppen pflegen – aber das grundsätzlich zu verlangen unterminiert den Rechtsstaat, und das ist wohl weder in Ihrem noch in meinem Sinn.

    Eines noch: “Zivilisatorischer Bogen”, come on! Das ist für ein paar grausliche Liedzeilen ein bisserl hoch gegriffen. Aber vielleicht einigen wir uns hier auf “we agree to disagree”.

  • Da muss ich Ihnen leider entschieden widersprechen. Es wurde eben nichts auch nur annähernd Ähnliches gesagt, es wurde relativiert, abgewiegelt, abgestritten, was das Zeug hält. Da kamen nur Lippenbekenntnisse. Es waren nicht die Texte, die Landbauer erschüttert haben, sondern dass sie an die Öffentlichkeit gelangt sind. Er hat darauf reagiert wie ein ertappter Taschendieb. Jeder konnte das sehen, der seine Augen nicht davor verschloss.

    Man mag die Bigotterie der Linken kritisieren, man mag über “O Tannenbaum” reden und die Einschränkung des politischen Diskurses durch die PC beklagen, man mag auch über die “linke Jagdgesellschaft” schwadronieren, und vieles andere mehr. Aber nichts davon darf man im selben Atemzug mit diesen Entgleisungen nennen. Beim Thema Nationalsozialismus steht alles andere als bedingungslose Klarheit außerhalb der Zivilisation. Und diese Klarheit existiert in der FPÖ (noch?) nicht. Es ist ein weiter Weg, den die Partei hier vor sich hat. Ich spreche einzelnen Mitgliedern nicht ab, dass sie sich bemühen werden, diesen Weg zu gehen. Auch wenn ich mehr als skeptisch bin, ob es gelingen wird.

    Die FPÖ steht sich mit ihren Kryptonazis selbst im Weg. Ich verstehe nicht, wie man als Partei so unsagbar deppert sein kann, sich immer wieder solche Blößen zu geben. Lesen sie, was im Liederbuch steht, das Landbauer für die “Jungen Patrioten” beworben hat. So jemand hätte nie und nimmer als Spitzenkandidat aufgestellt werden dürfen, wenn es auch nur einen Funken an parteiinterner Sensibilität geben würde.

    Die FPÖ steht jetzt an einem Scheideweg: entweder sie findet zurück in den zivilisatorischen Bogen, der Österreich und ganz Europa umschließt, oder sie gefällt sich weiterhin in der Rolle der verfolgten Parias, denen man als einzigen übel nimmt, was “wohl noch sagen dürfen” wird. Schafft sie den Weg zurück, ist sie ein potenzieller Regierungspartner für jede Partei. Schafft sie das nicht, ist jede Stimme für die FPÖ verloren, weil sie zur ewigen Opposition verdammt ist. Entscheiden wird sich das in dieser Legislaturperiode. Wenn sie jetzt scheitert, hat sie auf sehr lange Zeit jede Chance auf Regierungsbeteiligung verspielt.

    Der erste Schritt besteht darin, zu verstehen und zu akzeptieren, dass weder die FPÖ noch ein paar Burschenschafter entscheiden, wann sie diesen Weg zurückgefunden hat, sondern die Mehrheit der Österreicher, die österreichischen Parteien, die Beobachter aus anderen Ländern und nicht zuletzt die IKG, die der Schlüssel für vieles Weitere ist. Selbstmitleid und Opferpose oder Verantwortung und Selbstreinigung – die Wahl liegt bei der FPÖ. Die Bodenmarkierungen sind gut sichtbar, aber gehen muss sie den Weg schon selber.

  • Werter Herr Eppinger,

    auch wenn die o.a. Reden – wie Sie korrekt sagen – nicht gehalten wurden, so wurden doch Ähnliches sowohl von Landbauer als auch von Strache erklärt. Daß Landbauer die Mitgliedschaft nicht beendet, sondern bis zur Klärung der Angelegenheit “nur” ruhend gestellt hat, ist meines Erachtens nach beckmesserisch.

    Und daß die FPÖ nicht unbedingt mit dem DÖW zusammenarbeiten will bzw. wird, ist auch verständlich.

    In Summe haben sich also – wenn Sie Ihre eigenen Ansprüche ernst nehmen – sowohl Landbauer als auch Strache recht anständig verhalten, besser jedenfalls als Kern und Konsorten nach Silberstein (der ja bekanntlich im Auftrag der SPÖ antisemitische Aussagen veröffentlicht hat): Da wurde und wird nur abgewiegelt und lustigerweise von denselben Medien, die bei der FPÖ so überkritisch sind, nie wirklich nachgebohrt.

  • Der Koran ist schlimmer, da der noch heute zum Morden aufruft und bis heute über 200 Mio. Menschen im Auftrag Mohammeds gemordet wurden.
    „Wehr den Massenmörder Hitler verehrt…ist Nazi.
    „Wehr den Massenmörder Mohammed verehrt…ist Moslem.