»NUR ÜBER MEINE LEICHE!«

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Photo: Internet Resources of the President of Russia

Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas?

In der ersten Hälfte dieses Jahres haben sich die kriegerischen Auseinandersetzungen an der Grenze zwischen Gaza und Israel erneut verschärft. Zwar sind die »Demonstrationen« am Grenzzaun nicht mehr so gut besucht,wie noch zum Zeitpunkt der Verlegung der amerikanischen Botschaft nach Jerusalem, aber jeden Freitag finden sich nach wie vor einige Tausend an der Grenze ein und liefern sich teilweise schwere Gefechte mit den israelischen Streitkräften, die sie daran hindern, die Grenze zu durchbrechen.

Die Feuerdrachen fliegen auch nicht mehr so häufig, denn es gibt kaum noch Felder, die man verbrennen könnte. Dafür findet man auf israelischer Seite immer mal wieder einen Ballon mit Molotov-Cocktail oder Handgranate, den irgendein Freiheitskämpfer einem israelischen Kind zum Geschenk machen wollte. Selbst die Raketen, welche die Israelis in den letzten Monaten immer wieder haben in Bunker rennen lassen, schweigen für den Moment.

Bemühungen um Waffenruhe

Ein Grund für diese relative Beruhigung könnte sein, dass es seit August, unter ägyptischer Vermittlung, einen sehr konkreten Versuch gibt, zwischen der Hamas und Israel für die Dauer eines Jahres ein Waffenstillstandsabkommen zu erzielen. Über das Abkommen selbst und die Verhandlungen wurde weitestgehend Stillschweigen bewahrt, um die Verhandlungen nicht zu gefährden. Bekannt wurde allerdings, dass das Abkommen die Öffnung des Grenzgangs Rafah zu Ägypten sowie eine Lockerung der Bedingungen für den Grenzübergang Kerem Shalom zu Israel vorsehen soll.

Die Fischereizone soll überdies von drei auf neun Seemeilen von der Küste erweitert werden und weiter soll es den Bewohnern von Gaza ermöglicht werden, Gaza unter israelischer Kontrolle auf dem Seeweg nach Zypern zu verlassen. Weiters sollen die Gehälter der Verwaltung in Gaza, welche immer wieder ausgesetzt wurden, von den Staaten Ägypten und Katar gezahlt werden. Gleiches soll für die Stromversorgung gelten, die dann von Israel gewährleistet würde. Im Gegenzug soll die Hamas ihre kriegerischen Handlungen einstellen und die Gebeine zweier während der Auseinandersetzungen im Sommer 2014 gefallener Soldaten sowie zwei israelische Zivilisten herausgeben, über deren Schicksal seit ihrem Verschwinden in Gaza nichts bekannt ist.

Beide Seiten dieser potenziellen Vereinbarung halten sich jedoch bedeckt. Ob oder wann sie nun unterzeichnet werden soll, ist noch nicht klar. Allerdings gibt es eine dritte Seite, die bereits Ende August klar hat verlautbaren lassen, dass eine solche Vereinbarung von ihr unter keinen Umständen akzeptiert werden würde: Mahmoud Abbas, seines Zeichens »Präsident« der Palästinensischen Autonomiebehörde erklärte klar und deutlich, dass es einen Waffenstillstand zwischen der Hamas und Israel »nur über seine Leiche« geben würde.

Wie Hissein al-Sheikh, enger Vertrauter von Mahmoud Abbas und selbst langjähriges Mitglied des Zentralkomitees der Fatah-Partei im palästinensischen Fernsehen verlauten ließ, erklärte Abbas weiter, dass eine solche Vereinbarung, sollte sie ohne Zustimmung der Palästinensischen Autonomiebehörde unterzeichnet werden, nichts anderes darstelle als Verrat. Was die Vermittlungsversuche der Ägypter anbelangt, erklärte er weiter, diese würden die politische Landkarte falsch lesen und die palästinensischen Interessen schädigen. »Gespräche mit der Hamas, die sich die Kontrolle über Gaza mit Gewalt und ohne Zustimmung der Palästinensischen Autonomie angeeignet hätten, sind inakzeptabel und eine Ohrfeige gegenüber der palästinensischen Führung«, so al-Sheikh.

Abbas will die Herrschaft über Gaza

Einer der Gründe Abbas‘, der im Januar 2005 für einen Zeitraum von vier Jahren zum Präsidenten der Autonomiebehörde gewählt worden war und seither keine Neuwahlen zugelassen hat, ist, dass es nach seiner Ansicht keinen Waffenstillstand mit Gaza geben könne, ehe sich Fatah und Hamas nicht abschließend »versöhnt« hätten.

Diese Versöhnung sieht in den Augen von Abbas zuallererst die Übergabe der Macht in Gaza von der Hamas an die Fatah vor. Zwar hat es wieder und wieder Verhandlungen und Verträge zwischen diesen beiden Fronten gegeben, in welchen sie sich zu einer Einheitsregierung zusammengeschlossen hatten, jedoch wurden diese Verträge nie umgesetzt, sondern wieder und wieder von einer oder gar beiden Seiten gebrochen.

Würde die Hamas der Bevölkerung von Gaza nun tatsächlich einen Erfolg und die Verbesserung ihrer Lebensumstände liefern, stünden die Chancen der Fatah, wieder einen Fuß nach Gaza zu setzen, schlechter als im Jahr 2007, als die Hamas sie nach schweren Kämpfen, die mindestens 120 Menschen das Leben gekostet hatten, buchstäblich aus dem Streifen gejagt hatte. Und so behauptet Abbas steif und fest, dass die Fatah die einzige Partei wäre, die befugt sei, einen Waffenstillstand mit den Israelis auszuhandeln.

Aus dem Munde eines Mannes, dessen Amtszeit als Präsident der Autonomiebehörde bereits vor knapp zehn Jahren hätte enden müssen, macht diese Behauptung bezüglich eines Gebiets, für das er seit der Wahlniederlage im Jahr 2006 keine Entscheidungsbefugnis mehr hat, beinahe wieder Sinn. Ob und wie nun zwischen Gaza und Israel ein offizieller Waffenstillstand erreicht werden kann, steht für den Moment noch in den Sternen. Es geht nämlich ganz offensichtlich nicht nur um das, was die Beteiligten wollen und wie dies, teilweise mit Hilfe Dritter, zu erreichen sein könnte. Es geht leider auch darum, was ein Mann will, der seine Legitimation als Staatschef selbst in seinem eigenen Gebiet schon lange verloren hat, ohne dass er über Gaza irgendeine Handhabe hätte.

Für Israel ist diese Situation eine Gratwanderung. Egal was man dort nun tut, eine der beiden sich ständig streitenden, wieder versöhnenden und dann wieder streitenden Parteien auf Seiten der Palästinenser wird es den Israelis übelnehmen. Löscht man das Feuer im Süden, läuft man Gefahr, dafür im Osten ein neues Feuer zu entfachen. Und so bleiben die Ergebnisse auf der Strecke.

Die Hauptleidtragenden sind die Menschen in Gaza, deren Lebensumstände durch eine langfristige Vereinbarung wesentlich verbessert werden könnten. Dagegen hat grundsätzlich auch Mahmoud Abbas nichts einzuwenden. Allerdings nur dann nicht, wenn er eine solche Vereinbarung mit seinem guten Namen unterzeichnen kann. Bis dahin können die Menschen in Gaza gerne weiter leiden.

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Über den Autor / die Autorin

Alexandra Margalith

Alexandra Margalith hat in München Rechtswissenschaften studiert, ist in Israel als Anwältin und Notarin zugelassen und hat sich in einer Kanzlei in Tel-Aviv mehr als 13 Jahre intensiv mit deutsch-israelischen Wirtschafts- und Rechtsbeziehungen befasst, davon 7 Jahre als Partnerin. Sie befasst sich intensiv mit dem Nahostkonflikt und dem Antisemitismus in Europa, lange vor dem Holocaust bis heute, und verfolgt dazu die hebräische, deutsche, englisch- und französischsprachige Presse.
Seit 2012 lebt Frau Margalith aus beruflichen Gründen mit ihrem Mann in Irland.