Gekaufte Bewertungen und systematische Kundentäuschung
The Times, eine namhafte Tageszeitung in Großbritannien, bekam in den letzten Jahren mehr und mehr Briefe mit Beschwerden von Betreibern von Restaurants und Hotels, jedoch auch Kunden, über das Reiseportal TripAdvisor (TA), dass die Empfehlungen, guten und negativen Bewertungen immer weniger ihren eigenen Erfahrungen entsprächen und die Reihungen nicht nachvollziehbar seien.
Die Zeitung ging den konkreten Vorwürfen nach und recherchierte bei den verschiedenen Hotels, Restaurants und B&B Häusern, die in Zusammenhang mit erfundenen Bewertungen genannt wurde, und kontaktierte die Zentrale von TA, bekam jedoch weder von den touristischen Einrichtungen noch von TA eine befriedigende Erklärung.
Gekaufte Bewertungen
So beschloss sie, ein Experiment zu wagen. Sie schuf eine Web-Page unter dem Namen relax-marketing.com und bezahlte Google, um bei der Suche nach »buy fake TripAdvisor reviews« auf der ersten Seite zu erscheinen. Um 4,99 Britische Pfund konnte man eine positive Besprechung buchen, für 19,99 gleich fünf auf einmal. Es dauerte nur ein paar Stunden, bis sich die ersten Interessenten meldeten. Eine Kaffeehauskette bestellte fünf positive Bewertungen für eine bestimmte Filiale, die bisher schlechte Besprechungen bekam und in der Umgebung nur die Nummer 22 unter 144 vergleichbaren Cafés war. Es wurde spezifisch in der Bestellung verlangt, dass eine bessere Klassifizierung in der Reihung erwartet werde.
Ein weiterer Kunde war ein Restaurant, dass eine besonders positive Besprechung einzelner Speisen forderte, ihre »Eggs Benedict« sollten die besten sein in der Stadt und die Bedienung »besonders freundlich«. Ein Restaurant mit zwei Niederlassungen in London bestellte ein ganzes Abonnement über ein Jahr, verteilt mit jeweils 30 Besprechungen, und ein Hotel in Wales wollte, dass in den Erfahrungen der Kunden die »angenehme Atmosphäre« und die »bequemen Sofas« gelobt werden sollten.
Die Bestellungen der Bewertungen waren oft konkret beschrieben, wie das Alter der Kunden, deren Geschlecht, woher sie kommen und mit welcher Institution sie ihre Erfahrungen vergleichen sollten. Sie bestellten genaue Vorteile wie »familienfreundlich«, »ideal für romantische Abende« und »bester Brunch« der Stadt.
Als die Zeitschrift als Teil der Recherche die einzelnen Auftraggeber konfrontierte, erklärten diese, dass die Bewertungen auf TA immer wichtiger für das Überleben ihrer Betriebe seien. Dieses Problem habe in den letzten Jahren allerdings ein System des Betrugs und der Korruption provoziert, sodass man sich auf Zufälle oder reale Erlebnisse nicht mehr verlassen könne. Doch es sind nicht nur die erfundenen positiven Bewertungen, die den Kunden täuschen. Einen fast größeren Anteil der geforderten Bewertungen sind die negativen über die Konkurrenten.
Man könne nämlich über die verschiedenen Anbieter nicht nur positive Bewertungen genau konkretisieren, sondern auch die negativen, die oft einen katastrophalen Effekt auf ein Hotel oder Restaurant haben können. So wurde auf Bestellung kritisiert, dass die Suppe kalt und versalzen, das Steak steinhart und zäh und der Fisch in der Mitte noch halb roh sei.
Kundentäuschung
Betreiber von Touristik-Unternehmen könnten zwar bei TA intervenieren und darauf bestehen, dass die »Fake-Bewertung« wieder gelöscht werde, das dauerte jedoch in vielen Fällen einige Wochen und hatte für das Unternehmen oft dramatische Folgen. In einem Fall protestierte ein Restaurant gegen eine schlechte Bewertung, in der als Grund für die Kritik eine Speise genannt wurde, die das Restaurant nicht einmal anbietet. Die Kritik wurde wochenlang nicht gelöscht.
Größere Ketten von Restaurants und Hotels haben begonnen, Kunden, die schlechte Bewertungen anbieten, Gutscheine anzubieten, falls sie nach einem erneuten Besuch eine bessere schreiben würden. Andere Restaurant-Manager berichten von Gästen, die einen Rabatt bei der Bezahlung der Rechnung verlangten und drohten, sonst eine schlechte Besprechung einzusenden. Es gäbe mehr und mehr Kunden, die sich mit dem Erfinden von Dutzenden negativen Besprechungen rächen, wenn sie von einem Restaurant oder einer Bar zum Beispiel wegen Trunkenheit abgewiesen wurden.
Jonathan Greatorex, der ein Hotel in Wales besitzt und nach einer Welle von falschen Bewertungen durch einen Konkurrenten fast seinen Betrieb schließen musste, schuf die Web-Page Truthadvisor.co.uk, die auf gefälschte Erfahrungsberichte verweist und von TA nicht entfernt wurden. Auch er beklagte sich, dass ein Milliarden-Unternehmen wie TA es nicht für notwendig hält, mit entsprechendem Personal diese Fälschungen zu verhindern.
Die Täuschungsmanöver durch die zahlreichen Anbieter (wie TotalSEO und Marketing LtD in Großbtitannien), die tausende falsche Besprechungen und Bewertungen verkauften und versandten, wurden dieses Jahr in Großbritannien von den Behörden genauer untersucht und viele der Web-Pages geschlossen. In einigen Ländern kam es zu Gerichtsverfahren gegen die Besitzer solcher Unternehmen. In Italien wurde vor einigen Monaten ein Anbieter von gefälschten Bewertungen zu neun Monaten Haft verurteilt und einer Geldstrafe von 10.000 Euro.
TA behauptet, sie würden jedes Unternehmen aufspüren, das falsche Bewertungen anbiete und rechtliche Schritte einleiten. Die erfundene Web-Page der Times arbeitete jedoch monatelang, ohne dass sie von TA kontaktiert worden wären. TA ist nicht einmal aufgefallen, als Studenten letztes Jahr in London sich einen Spaß erlaubten, und ein nicht-existierendes Restaurant mit erfundenen Bewertungen innerhalb weniger Monate zum »Besten Restaurant« von London machten.
Eine Studie der Cornell University zeigte, dass mit Computer-Programmen mit 90%iger Sicherheit festgestellt werden kann, ob eine Besprechung erfunden oder real ist. Gemeinsam mit dem Unternehmen Fakespot.com kamen sie zu dem Ergebnis, dass 33 Prozent aller Besprechungen, Bewertungen und Reihungen erfunden seien. Bei kleineren Unternehmen wie B&B Häusern und privaten Restaurants liege der Wert bei 42 Prozent.
Teure Hotels
Doch gefälschte Bewertungen von Restaurants und Hotels sind das kleinere Problem für Reisende, die sich Ratschläge von TA holen. Eine absolut Täuschung ist die Reihung der Hotels nach absurden Qualitätskriterien. Seit der Einführung von Buchungsmöglichkeiten haben sich die Einkünfte von TA mehr und mehr auf Buchungsprovisionen verschoben, im Jahr 2017 waren es 1,5 Milliarden USD. TA hat daher eine Reihung nach dem Kriterium »best-value« entwickelt, jedoch nicht bekannt gegeben, wie sie zu dieser Reihung kommen würde. Es seien »eigene Untersuchungsmethoden«, die hier zur Anwendung kämen und dem Kunden eine Mischung aus Preis, Bedienung, Komfort und anderen Leistungen biete.
So findet sich unter den Top Hotels in London das St. James Hotel mit einem Preis von 400 Pfund die Nacht, während der Durchschnittspreis in London eines guten 4 Sterne Hotels bei ca. 265 Pfund liegt, und man im Merlyn Court Hotel ein sauberes Zimmer um 70 Pfund bekommt. Dieses wird jedoch nicht einmal erwähnt. The Times fand im Zuge ihrer Untersuchung von TA, dass auf den britischen Seiten von TA mehr als 10.000 Hotels mit 5 Sterne bewertet werden. In den offiziellen Hotel-Bewertungstabellen der Automobile-Assosiation (AA), die jedes Jahr die Hotels genauestens untersuchen, schafften es ganze 88 Hotels, mit 5 Sternen ausgezeichnet zu werden.
Wie in der Welt der Nachrichten, wo sich »Fake News« immer häufiger von den realen Ereignissen entfernen oder überhaupt erfunden sind, hat sich der Markt der Bewertungen verselbständigt und ist ein Markt der gekauften positiven und negativen Bewertungen geworden.
TA wurde im Jahr 2000 gegründet, von den beiden Freunden Stephen Kaufer und Langley Steinert im ersten Stock einer Pizzaria in Needham, Massachusetts. Der heutige Börsenwert liegt bei 7 Milliarden USD und Steinert, der das Unternehmen leitet, zahlte sich letztes Jahr ein Gehalt von mehr als 50 Millionen USD.
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