#KOPFTUCHGATE

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Ein Herz und eine Krone

Es gibt einige Vorurteile über uns Taxler. Zum Beispiel: kaum haben wir die Fuhr, sprich den Fahrgast, im Wagen verstaut, belästigen wir diese mit einem nicht enden wollenden Monolog. Dabei ist es genau umgekehrt, ich schwör’s. Wie oft hätte ich während der Fahrt einfach gerne meine Ruhe. Ehrlich, mir ist schon ein Small-Talk eine Nummer zu groß. An manchen Tagen ertrage ich den gerade einmal in XX-Small. Aber nein, die Fuhr will labern. Lang und breit. Über die vertrottelte Wettervorhersage, die irren Spritpreise, den Orschloch-Chef, die gschissenen Politiker. Mittlerweile bin ich überzeugt, dass auf meiner Stirn geschrieben steht: „Herzlich Willkommen. Bitte teilen Sie mir unbedingt Ihre persönliche Meinung zur Tagespolitik mit.“

Verschärfend kommt hinzu: Wenn man so den ganzen Tag auf Tour ist läuft das Gesudere nonstop auf repeat. Flüchtlingskrise, Trump, Terror, das Fernsehprogramm, der Wickel bei den Roten … man kann gar nicht so viel ignorieren, wie man nicht hören will. Zurzeit, eh klar, rangiert das Thema „Kopftuchgate“ ganz oben auf der Liste. Eine deutsche Touri-Gruppe, die ich gestern in die City kutschiert hab, hat mich irritiert gefragt, ob dass der Präsident wirklich so gesagt hat, und vor allem: warum, um Himmelswillen? Bin ich ein Psychologe, oder was? Aber bei meinen Wiener Fahrgästen sorgt der Sager auch für Gesprächsstoff. Speziell witzig war ja die Dame mittleren Alters, die mich vor ein paar Tagen auf der Währinger Straße hektisch herbei gewunken hat. Fünf riesige Shopping-Sackerln unterm Arm, so kann man keinesfalls mehr mit den Öffis heim, hat sie mir beim Einsteigen ungefragt erklärt.

Normalerweise fährt sie nämlich mit den Öffis, wegen der Umwelt und dem ökologischen Fußabdruck. „Ihr Fußabdruck ist aber nicht von Deichmann, oder?“ hab ich mit Blick auf ihr sauteures Schuhwerk erwidert. Ein paar Sekunden wars daraufhin schmähstad, dann gings weiter. Ja, die Natur, die läge ihr so am Herzen. Für die fährt sie auch Rad, und lässt den SUV schon einmal in der Garage. Überhaupt, sie engagiere sich tatkräftig für diesen Planeten. Virtuell halt. Auf Facebook, zum Beispiel. Ein empathischer Klick für die Bienen, den Eisbären, das vom Aussterben bedrohte Zwergfaultier. Ein empörter Hashtag für Toleranz, die Frauenquote, gegen den Hass im Netz. Ich ahnte Böses. Die Gute lief zur Hochform auf. Und bis in den Zweiten, wo sie wohnte, wars noch ein weiter Weg. Ich seufzte, eventuell etwas zu laut.

„Ich weiß schon, für die Kronen Zeitung ist Hetze natürlich ganz normal“, sagte sie plötzlich schnippisch. „Was hab ich mit der Kronen Zeitung zu tun“? fragte ich ehrlich verblüfft. „Na, ned bös sein, aber ihr Taxler – ihr lest ja alle nix als die Krone, oder? Da ist das Weltbild eben simpel gestrickt.“ Ich nickte, wie immer, wenn mir jemand mein Leben erklärt: „Jo eh, wenn sie meinen, gnä´ Frau.“

Heilige und Huren

Zufrieden lehnte sich mein Fahrgast zurück. „Also, ich persönlich finde ja auch die Idee vom Van der Bellen absolut wunderbar“, kam es dann wenig überraschend von hinten, „meine Freundinnen und ich haben das auch schon überlegt. Uns ein Kopftuch aufzusetzen, wegen der Solidarität.“ „Mit der Solidarität für wen jetzt, genau?“ Tschuldigung, aber als ignoranter Krone-Taxler hab ich halt manchmal einen Kapierstau. „Na, mit den ganzen muslimischen Frauen, denen man hier verbieten will, ein Kopftuch zu tragen. Das ist doch ein Wahnsinn, bitte.“

Ich dachte still an Büşra, eine Freundin meiner Tochter Mimi, die Watschen und Hausarrest kassierte, als ihre Eltern sie ohne Kopftuch auf der Straße erwischten. An andere muslimische Mädels in Mimis Freundinnenkreis, die sich trotzig gegen den Fetzen auflehnten. Und dafür von der eigenen Mutter und anderen Frauen in dieser Community als Huren und dreckige Schlampen beschimpft wurden.

Ich dachte an die Haberer von meinem türkischen Bro Ali, die finden, wenn Weiber vergewaltigt werden sind sie schon ein bissl selbst schuld. Wahrscheinlich haben sie dem Kerl signalisiert, dass sie es gerne wollen. Einer anständigen Frau passiert das nicht. Eine anständige Frau trägt Kopftuch, oder Hijab oder was auch immer, das sie unsichtbar macht. Ich dachte an die Frauen in arabischen Ländern, die unverschleiert in die Öffentlichkeit gehen, und damit ein Leben im Häfn oder gar die Steinigung riskieren. An die Männer, die sich in ebendiesen Ländern provokant mit einem Hijab fotografieren lassen, um ein Zeichen gegen diese perverse Zwangsmoral zu setzen. Ich hätte meinen Fahrgast gerne gefragt, ob man sich nicht eher mit denen solidarisieren sollte, die sich gegen die Unterdrückung auflehnen. Statt die, die unterdrücken, noch in ihrem Tun zu bestärken.

Aber ich sagte nichts. Ich bin ja nur der deppate Taxler, der die Krone liest.

Über den Autor / die Autorin

Walter Vukovic

Walter „Wukkerl“ Vuković, 44, ist Taxifahrer. Mitten in Wien und zwischen den Welten. Wukkerl hat Migrations-Hintergrund (Vater aus Serbien, in den 70ern als Gastarbeiter nach Wien gekommen, Mutter Österreicherin), ist geschieden und Vater einer Tochter (15).

Von Walter Vukovic