FRÜHLINGSGEFÜHLE

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Photo: teadrinker (edited, cropped), CC BY-ND 2.0

Von heißblütigen Italienern und kühlen Briten

Spät, lange heiß ersehnt und letztendlich wirklich, scheint der Frühling ins Land zu ziehen. Der Grat zwischen „wann wird es endlich wärmer“ und „seit wann wird es so schnell so heiß“ scheint mir mit zunehmendem Alter immer schmäler zu werden. Für die Teenager im Hause Weiss sind Temperaturen weniger Thema. Ganzjährig werden die Fesseln gezeigt, ein Socken wird vornehmlich nach einem Kriterium beurteilt: Scheint er aus dem Sneaker hervor oder bleibt er ungesehen? Letztere sind bevorzugt.

Eigentlich braucht der Teenager nur Sneaker, da sie immer passend sind. Manchmal stimmt das Wetter nicht zum Schuh, wenn es beispielsweise schneit oder stürmt. Dann ist es aber des Wetters Schuld, nicht des Sneakers. Und ein Stil affiner Teenager – sei er männlich oder weiblich – bewahrt Haltung, zeigt Rückgrat. Erst wenn das Überleben am Schulweg gefährdet scheint, finden sich Timberland Boots im Keller. An Tagen echten Überlebenskampfes werden sie hervorgeholt und ausgeführt. Widerwillig und auf jeden Fall mit offenen Schuhbändern. Man will ja nicht noch den allerletzten Rest guten Geschmacks einbüßen.

Auch im Sommer passt der Sneaker. Was gäbe es auch für Alternativen? Kein Teenager kennt Sandalen. Waren das nicht die Schuhe, die Jesus trug? Was also das Schuhwerk betrifft, bringt der Frühling bei uns nur für die ältere Generation einen Wechsel. Was Jacken betrifft, ist das anders.

Das gute alte „Bomberheidl“ ist zurück, in Hochsprache Bomberjacke genannt, und nein, es wird nicht nur von Vertretern der rechten Szene getragen, es hat Einzug in unser Haus gehalten. Die Garderobe ist übersät von Modellen in verschiedener Haptik und differierender Farbe, zumindest so lange bis die Mutter im Haus, also meine Wenigkeit, einen Anfall erleidet, dem Ordnungsbedürfnis folgend, und der Nachwuchs sodann einige Stücke im Schrank verstaut.

Diese Jacken sind eine Art Flashback für VertreterInnen meiner Generation. Aber gut, wenn wir die Pullis kurz und kastig tragen durften, warum nicht auch die heute Jungen? Um mir kein „Mama, das trägt jetzt jeder so“ einzuholen, lächle ich so manche Ultra High Waist Skinny Jeans einfach weg. Alles im Fluss.

Jedenfalls – und das ist so eine Art Fanny Frühlingsmood derzeit – erinnere ich mich auch durchaus ans Jungsein. Da gab es die Mods. Ja, sie waren überall. Zumindest in meinem Lebensumfeld, das sich hauptsächlich auf Wien Döbling und Innere Stadt beschränkte. Also ein riesiger Radius. Alle kannten alle. Wer war einer, wer war keiner? Und dann gab es natürlich diese Italo Typen dazu mit ihren Motorrollern, den Vespas.

Es gab echte und falsche. Blonde Burschen hatten es da schwerer. Denn wie sollten sie den Italiener mimen? Die hatten dann einige Jahre später ihre Chance, als die Surfer angesagt waren. Da kamen sie ins Spiel – langhaarig und blond. Und immer etwas abgeschnuddelt, das verlangte der Look.

Aber zurück zu den Mods: Fanny war bei den Vespa Fahrern Typ bedingt gut angeschrieben. Dunkle Burschen mochten helle, blonde Mädchen. Intellektueller Werte und seelischen Gleichklangs bedurfte es nicht. Mods erkannte man von außen, innen durften sie durchaus hohl sein.

Ob die Mutter des Vespa Fahrers wirklich Italienerin war oder in Wahrheit der Vater aus dem Kosovo stammte, spielte damals für viele Mädchen in meinem Umfeld wenig Rolle. Ging es doch ums Lebensgefühl – alles leicht und lässig, immer Sommer, immer Frühlingsgefühle. Die eher zurückhaltende Fanny hat leider einige Herbst- und Wintereinbrüche im Gefühlsleben der Freundinnen miterlebt, weshalb sie sich ihr eigenes, manchen eher kühl wirkendes, Temperament erhalten hat.

Sie war kein Mod. Sie verstand auch das Lebensgefühl nicht. Warum sollte es leichter sein, wenn man Italiener ist? Ist es nicht am leichtesten Engländer zu sein? (Um Fanny zu beeindrucken bestimmt.) Wetterbedingt vielleicht auf einer Vespa weniger. Aber was spricht gegen einen Range Rover? Und so sind wir mitten drin im Frühling.

Während ich hier schreibe, zwitschern die Vögel beim offenen Fenster herein. Ich habe mich mal beim Nachwuchs, nicht nur dem eigenen, umgehört. Worauf achtet man heute?

Die neue Generation, ich muss es zugeben, hat nichts von der Oberflächlichkeit vergangener Tage. Sie geht in die Tiefe, natürlich sind Sneaker und nackte Fesseln eine Art Basisvoraussetzung. Man will sich ja nicht total blamieren. Sie ist romantisch, dabei recht endgültig, also nicht gerade umtriebig. 

Ganz besonders freue ich mich auf meinen zukünftigen noch nicht existenten Schwiegersohn. Es gibt bereits ein klares Profil von ihm: Links muss er sein, oder sagen wir so, wie wir Alten es links nennen. Links und damit verbunden tolerant, weltoffen. Dabei ultrakonservativ. So „verkommen“ wie wir damals waren, so will es die Jugend um mich sicher nicht. Außerdem selbstverständlich religiös, Shabbat soll er halten. Das ist doch das Mindeste. Und dabei Feminist, kämpferischer Feminist. Mit diesen landläufigen Sexisten unserer Generation kann die Tochter gar nicht.

Und meine liebe Mama meinte immer, Fanny wäre kompliziert gewesen. Ich war ein Mailüfterl.

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Über den Autor / die Autorin

Fanny Weiss

Fanny Weiss ist eine Gastgeberin alten Schlags. In ihrem Haus, das sie führt wie einen Salon der Jahrhundertwende, sind Gäste gern gesehen und herzlich willkommen, hier wird gut gegessen und leidenschaftlich diskutiert. Alltägliche Themen wie Kindererziehung und Familienleben werden ebenso erörtert wie Fragen der Nachhaltigkeit oder der Sinn des Lebens. Ihr Bedürfnis nach Zurückgezogenheit und Stille lebt die freischaffende Künstlerin in ihrem Atelier aus, das ihr als Versteck vor Menschen und allzu viel Gerede dient. Fanny ist verheiratet und Mutter zweier Teenager.

1 comment

  • Ganz wunderbar geschrieben, liebe Fanny Weiß. Ich selbst hatte eine Jugend mit Büchern statt Disko und mir damit ebenfalls manches frühe Leid erspart. Später, als alle erzählten, wie sie mit Interrail durch ganz Europa fuhren und im Hydepark im Schlafsack übernachtet hatten, da erfasste mich schon ein Bedauern, nichts dergleichen erlebt zu haben.