FACHKRÄFTEMANGEL, ASYLWERBER, HANDWERKSLEHRE

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Kopfschütteln über die Austrian Business Agency

Nicht Ausnahmen und »Humanitäres Bleiberecht« sind gefragt, sondern der rechtmäßige Aufenthaltstitel »Bleiberecht aufgrund des österreichischen Eigenbedarfs an Fachkräften«. Und die neugegründete »Austrian Business Agency« verursacht Kopfschütteln. Warum schweift sie in die Ferne, wenn das Gute – zigtausende potentielle Fachkräfte – so nahe, nämlich in unserem Land, zu finden wären?

Tüchtige, gut integrierte asylsuchende Handwerkslehrlinge in Österreich werden abgeschoben, trotz des drückenden, Österreichs Prosperität ernsthaft bedrohenden Fachkräftemangels, den in absehbarer Zeit alle Österreicher spüren werden. Die Orientierungslosigkeit dieser Debatte verstört. Für den Verbleib tüchtiger Handwerkslehrlinge mit negativem Asylbescheid fordern aktive und frühere Spitzenpolitiker »Ausnahmen« und das »Bleiberecht aus humanitären Gründen«.

Beides ist unehrlich und wird dem Wesen der Problematiken Asyl und Fachkräftemangel nicht gerecht. Österreich ist bereits in zu vielen gesetzlich geregelten Bereichen der berüchtigte »Ausnahmenweltmeister« – dies  zum Preis von teils nicht mehr administrierbaren Überblicksproblemen, die Stillstand und mangelnde Zukunftsvorsorge verursachen. Man sollte diesem Berg an Ausnahmen nicht noch weitere Höhenmeter hinzufügen.

Nötig ist die Schaffung eines klaren und offiziellen »Bleiberechts aufgrund des österreichischen Eigenbedarfs an Fachkräften«. Nicht einmal eine Verfassungsänderung ist dafür nötig – ein kurzer Zusatz zum Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz ist ausreichend. Dies wäre ein vernünftiger, klarer und ehrlicher Weg abseits aller gut gemeinter, mittlerweile aber geradezu naiv-unprofessionell-widerlicher austriakischer Ausnahmen“huberei“. 

Es ist endlich tätig zu akzeptieren, dass die Zeit, in der ein solches Vorgehen pragmatisch und nötig gewesen ist, die k.u.k. Monarchie, seit 101 Jahren Geschichte ist. Es gibt keinen Kaiser mehr, der geheiligt (weil von Gottes Gnaden berufen), unverletzlich (nicht durch die Justiz belangbar) und unverantwortlich (weil Gott die Verantwortung für das Handeln des Monarchen trägt – ein bequemer Aspekt des »Gottgnadentums«) ist.

Schwer verständlich ist die Ausrichtung der neu geschaffenen »Austria Business Agency«, deren Aufgabe es auch sein soll, die in Österreich fehlenden Fachkräfte vor allem im benachbarten Ausland zu rekrutieren. Ist es nicht bekannt, dass unsere östlichen Nachbarländer ihrerseits bereits unter einem drückenden Fachkräftemangel leiden, der unter anderem ihre Gesundheitsversorgung beeinträchtigt und dadurch die teils labilen jungen Demokratien gefährdet? Diese Staaten gehören größtenteils wie wir der EU an – sie dürfen uns allein schon aus diesem Grund auch in unserem eigenen Interesse nicht gleichgültig sein.

Wo bleibt eine werthaltige Debatte um tausende heimische Pflichtschulabsolventen, die alljährlich unsere Pflichtschulen verlassen, ohne das Lesen, Schreiben, Rechnen, Lernen und oft auch das Arbeiten berufs- und ausbildungsfähig zu beherrschen? 

Der tatsächliche Alphabetisierungsgrad ist vor mehr als hundert Jahren, zur Zeit der k.u.k. Monarchie, höher gewesen als heute. Junge Menschen von heute, deren Eltern dem seit den 1970er Jahren getrommelten Slogan, »liebe Eltern, Ihr braucht auch um den schulischen Fortschritt Eurer Kinder nicht mehr zu bemühen, der Staat macht alles« vertrauensvoll Glauben geschenkt haben, werden um ihre Lebenschancen betrogen – sie sind von Dauerarbeitslosigkeit, Krankheit und von einer um ein Jahrzehnt reduzierten Lebenserwartung bedroht. 

Die »Austrian Business Agency« sollte vorrangig besser »nach innen« wirken, und gemeinsam mit den Bildungsgestaltern in unserem Land  durch effizient praktizierte Interdisziplinarität die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Tausende junge Menschen künftig nicht mehr an einem völlig unzeitgemäßen Schulsystem scheitern, sondern als gesuchte Fachkräfte zur Verfügung stehen und dank einer erfüllenden Erwerbstätigkeit die Chance auf ein glückliches, selbstbestimmtes Privatleben wahrnehmen können!


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Über den Autor / die Autorin

Ernst Smole

Prof. Ernst Smole ist Leiter des NIKOLAUS HARNONCOURT FORUMS WIEN. Er hat Musik in Graz, Lugano und Weimar studiert (Dirigieren, Cello, Musikpädagogik) und war Berater der Unterrichts- und Kunstminister Sinowatz, Moritz und Zilk. In der auslaufenden Legislaturperiode wurde Prof. Smole mehrfach als unabhängiger Referent in Ausschüsse des Parlaments berufen (Bildungsfinanzierung, Schulautonomie, Inklusion, Politische Bildung). Seit den 1990ern befasst er sich intensiv mit Bildungssystemen unterschiedlicher Epochen und Kulturkreise, insbesondere mit dem jüdischen.
Aktuell koordiniert Prof. Smole die Arbeit eines 50köpfigen multidisziplinären Teams am BILDUNGSPLAN/ UNTERRICHTS:SOZIAL : ARBEITS & STRUKTUR:PLAN FÜR ÖSTERREICH 2015 - 2030.

Von Ernst Smole