DONALD TRUMP LIVE

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Photo: BKA / Dragan Tatic (cropped)

Eine Inside-Nachlese

Donald Trump war genauso wie man ihn sich vorstellt: Erwartet uns an der Eingangstür, grüßt dann jedes einzelne Mitglied der Delegation mit Handschlag und ein paar aufmunternden Worten im New Yorker Slang und Schulterklopfen. »Hi guys, come on in!« Eigentlich hätten wir ja die Handys im Auto lassen sollen – hat sich dann aber niemand mehr darum gekümmert. Also: »Ein Selfie Mr. President? Sure, come over here!«

Die wichtigsten Mitglieder der US-Administration stehen brav in Stirnreihe aufgereiht: Vizepräsident Mike Pence, Außenminister Mike Pompeo, Energieminister Rick Perry, Nationaler Sicherheitsberater John Bolton, Chefberater und Schwiegersohn Jared Kushner. Und weil die Stimmung so gut ist, geht’s gleich weiter: »Come on, let me show you around«, ruft uns der Präsident zu. Die Protokollchefin schnappt nach Luft – aber bleibt wortlos. Also schneller Durchmarsch durch die Büros, wie man sie aus »House of Cards« ja schon kennt, ab ins Oval Office, weitere Fotos, Selfies. Dann finden wir uns alle im »Cabinet Room« wieder, wo die Regierungssitzungen stattfinden. Der Präsident und Bundeskanzler Sebastian Kurz sprechen derweil 30 Minuten unter vier Augen im Oval Office.

Eine wunderbare Gelegenheit, um Jared Kushner persönlich kennenzulernen. Ein besonders ruhiger, bescheidener, überaus höflicher junger Mann – man würde sagen: mit europäischer Erziehung. Einen stärkeren Kontrast zum Schwiegervater kann man sich gar nicht vorstellen. Innerhalb von wenigen Minuten sprechen wir vertieft über seine Bemühungen, eine Allianz zwischen den Golfstaaten, Saudi-Arabien, Israel und den USA herzustellen. Eine sehr spannende Entwicklung.

Die beiden Chefs kommen rein, der US-Präsident verliert nicht viel Zeit und legt mit seinen Themen los: Handelsbilanzdefizite mit China, Deutschland – geht gar nicht mehr. Unfairer Handel, unterschiedliche Zölle, Raub von geistigem Eigentum – »We are not going to let that happen anymore!« Und gleich das Thema Militärausgaben: Wir sollen nur ja nicht glauben, dass es den amerikanischen Schutzschirm weiterhin gratis gibt.

Die Stimmung in den USA von vielen Reisen kennend, wird klar: Das ist bereits die Vorbereitung auf den Wahlkampf 2020. Donald Trump trifft die Stimmung der Menschen abseits der Eliten an der Ost-und der Westküste ganz genau. So hat Trump die Wahl 2016 gewonnen und schickt sich an, auch im Jahr 2020 wieder das Rennen zu machen.

Der Bundeskanzler reagiert perfekt, ist bestens vorbereitet. Höflich, aber sehr bestimmt gelingt es ihm, in kurzen Worten die einzelnen Themen aus österreichischer Sicht zu beantworten. Unter Zöllen gegen die deutsche Autoindustrie würden auch wir leiden. Österreich ist neutral und ausschließlich von befreundeten Staaten umgeben. Dafür investieren wir nicht unbeträchtliche Mittel in Friedensmissionen. Dann auch noch Nord Stream, die aus Sicht der Amerikaner unsere Abhängigkeit von Erdgas aus Russland erhöht. Geht nicht anders, kontert der Bundeskanzler: Wir benötigen das russische Erdgas für die Industrie und die Haushalte. Je mehr Zulieferungsmöglichkeiten wir haben, desto flexibler und unabhängiger sind wir.

Überraschenderweise stellt der US-Präsident dann eine ganze Reihe von Fragen zu Europa und hört interessiert zu. Unsere Einschätzungen zu Deutschland, Frankreich, den Wahlen in der Ukraine usw. – eine unerwartete kleine Tour d’Horizon.

Damit schließt sich auch der Kreis zu der allgegenwärtigen Frage, wieso der US-Präsident den Regierungschef eines so kleinen Landes wie Österreich empfängt, und überdies mit einer solch hochrangigen Regierungsdelegation: Es ist ganz offensichtlich das Interesse an Sebastian Kurz, dem Shooting Star der europäischen Politik, was wohl dessen Erfolgsrezept ist (vielleicht kann man sich ja für den nächsten Wahlkampf etwas abschauen), aber auch, was dessen Einschätzungen zu den diversen internationalen Themen sind. Schließlich sicher auch, ob und wie sich das alles von den Positionen von Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron unterscheidet.

Wir verlassen das White House mit dem Gefühl, dass dies sicher nicht das letzte Treffen zwischen Donald Trump und Sebastian Kurz gewesen ist.

Zuerst veröffentlicht im Wirtschaftsmagazin trend.


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Über den Autor / die Autorin

Martin Engelberg

Mag. Martin Engelberg ist Abgeordneter zum Nationalrat (ÖVP), Psychoanalytiker, Consultant und Coach. Er ist Lehrbeauftragter an der Wirtschaftsuniversität Wien und war viele Jahre Kolumnist der Tageszeitung ›Die Presse‹ sowie Herausgeber der jüdischen Zeitschrift ›NU‹. Darüber hinaus war er lange Zeit Mitglied des Vorstandes der Israelitischen Kultusgemeinde Wien.