DEUTSCHLANDS NARREN

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Photo: Citanova Düsseldorf (edited), CC BY-2.0 

Es hat sich ausgelacht

„Alle fürchten die Deutschen, wenn sie marschieren. Dabei sind sie viel furchterregender, wenn sie feiern.“, vertraute mir vor langer Zeit ein deutscher Freund an. Nach meiner ersten und einzigen Kölner ‚Weiberfastnacht‘ in den 1980er Jahren verstand ich ihn.

Bis ich mich Jahrzehnte später einmal in Mallorca verfahren habe und in Magalluf inmitten einer Horde feiernder Engländer gelandet bin, die längst jede Kontrolle über ihre Körper und deren Flüssigkeiten verloren hatten, dachte ich nicht, dass mich eine Ansammlung feiernder Menschen jemals trauriger stimmen könnte als jene spießbürgerlich zwanghafte Ausgelassenheit damals in Köln. Zeuge des gleichermaßen verzweifelten wie vergeblichen Bemühens zu sein, einer ansonsten freudlosen Existenz für eine Nacht Extravaganz einzuhauchen, deprimiert mich bis heute.

Seit Köln habe ich mich daher von den meisten Faschingsfreuden fern gehalten. Ich bin nicht besonders faschingskompatibel, was soll man machen. Weder kostümiere ich mich gern, noch finde ich den Villacher Fasching oder Mainz bleibt Mainz unterhaltsam oder gar lustig. Was ich am Fasching wirklich mag, sind die Krapfen.

Ansonsten leben wir nebeneinander her, der Fasching und ich, und sind einander ziemlich egal. Bis gestern.

Die Bilder vom Düsseldorfer Rosenmontagszug haben mich erschreckt. Meine Sprache in dem was noch kommt erschreckt mich auch, aber ich halte es für falsch, drastische Bilder, die vor kleinen Kindern gezeigt werden, in einem Text für Erwachsene beschönigend zu umschreiben.

Die Wagen des bundesweit berühmten Wagenbauers Jacques Tilly zeigen unter anderem:
Donald Trump, wie er die Freiheitsstatue gegen ihren Willen von hinten in den Arsch fickt;
eine von der Vergewaltigung ramponierte Freiheitsstatue, die in Umkehrung des berühmten SPIEGEL-Covers triumphierend das grimmige, bluttriefende Haupt des geköpften Trump emporhält;
und Marine Le Pen, Geert Wilders, Donald Trump und Adolf Hitler in einer Reihe unter dem Titel „blond ist das neue braun“.

Über Geschmack muss man nicht streiten. Und Kurt Tucholskys Diktum: „Was darf Satire? Alles.“, ist nicht verhandelbar. Darüber hinaus war die Narrenfreiheit vor Jahrhunderten der einzige Schutzmantel, unter dem man einem absolutistischen Herrscher die eine oder andere unliebsame Wahrheit unterjubeln konnte.

Tillys Faible für „isch fick disch“ Motive (Berlusconi vergewaltigt Europa, 2013) soll also hier ebenso wenig das Thema sein wie seine Vorliebe für Ärsche im Allgemeinen (Merkel in Amerika, 2003) oder die vergleichsweise liebevolle Darstellung Putins nach der Einverleibung der Krim (Putin, 2014).

Tilly ist eben der ganz normale, einfach gestrickte deutsche Linke, für den die Bedrohung immer aus der Ecke kommt, die er für rechts hält. Da ist es nur logisch, dass man die realen Vergewaltigungen in der Kölner Silvesternacht als zahnloses Fischlein darstellt, das die Willkommenskultur verschlingt (Der Raubfisch, 2016 – Umzug abgesagt), während es bei den herbeiphantasierten gar nicht drastisch genug zugehen kann.

Wir halten an dieser Stelle einfach nur fest, dass die Düsseldorfer heuer ihren Karneval unter dem Schutz von 1.000 Polizisten mit Maschinenpistolen feiern, während sie überall auf der Welt die Demokratie in Gefahr sehen, nur nicht in Deutschland.

Worüber lachen die Düsseldorfer?

Wir wollen uns auch die Reaktion der deutschen Öffentlichkeit nicht vorstellen, würde eine amerikanische Parade beispielsweise eine Merkel-Figur vorführen, die einem Nordafrikaner einen Blowjob gibt. Wir erinnern nur an die Empörung über die Darstellung Merkels mit Hitler-Bärtchen auf griechischen Demonstrationen. Während wir die Aufregung über einen Galgen auf einer Afd-Demonstration außen vor lassen. Da war ja nicht Fasching.

Es soll hier also nicht um die Frage nach der Legitimität von Satire gehen, sondern um ihr Motiv. Die Frage ist nicht, ob Tilly das darf oder dürfen soll, sondern warum Menschen so etwas machen und andere Menschen das lustig finden. Worüber lachen sie?

Für Sigmund Freud ist Lachen ein Akt der Befreiung und der Bewusstwerdung. Im Witz kann sich das Verbotene, Verdrängte und Zensurierte entfalten.

Versteht man Tillys Wagen in diesem Sinne als Offenbarung der im Schutz der Narrenfreiheit ans Licht kommenden Volksseele, wird einem angst und bang.

Vor der Arroganz gegenüber dem Land, das Deutschland die Demokratie geschenkt hat. Vor der Unwissenheit über die Verfassung und dem fehlenden Respekt vor der Jahrhunderte langen Stabilität der amerikanischen Demokratie. Vor der nassforschen Überheblichkeit, mit der man sich nicht nur immer im Recht sondern auch noch im Besitz einer höheren Moral wähnt.

Vor allem anderen jedoch vor der obszönen Kaltschnäuzigkeit, mit der man sich der eigenen Geschichte entledigt, indem man den millionenfachen Mörder in eine Reihe mit Politikern demokratischer Länder stellt. Wir hatten unseren Hitler, ihr habt eben Trump, Le Pen und Wilders, was soll’s.

Und so gebührt das letzte Wort Gerd Buurmann: »Die englische Premierministerin wurde als Selbstmörderin dargestellt, die polnische Regierung als Hund und der amerikanische Präsident als Vergewaltiger, der am Ende von der Freiheitsstatue geköpft wird, die seinen Kopf stolz in ihren Händen hält als sei sie eine islamische Staatsterroristin.
Im Jahr 2017 waren also die Alliierten, die Deutschland einst befreit haben, für die Düsseldorfer Narren endlich auch Nazis, so wie die Deutschen einst! Das muss der Endsieg sein, auf den so viele Deutsche so lange gewartet haben. Endlich ist die Schmach vergessen, dass der kaugummikauende und banjospielende Ami die deutschen Dichter und Denker aus der selbstverschuldeten Barbarei befreit hat.«

Darauf ein dreifach donnerndes Helau!

Über den Autor / die Autorin

Thomas M. Eppinger

Thomas Eppinger ist davon überzeugt, dass alle Menschen mit unveräußerlichen Rechten geboren sind, zu denen das Recht auf Leben, Freiheit und das Streben nach Glück gehören. Daraus ergab sich alles andere, auch diese Website.
Der Publizist ist 1961 in Vöcklabruck geboren, lebt heute in Graz und arbeitet in Wien als Lead Editor bei »Der Pragmaticus«. Davor leitete er den unabhängigen Nahost-Thinktank Mena-Watch.

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