DER NEUE EU-AUSSENBEAUFTRAGTE

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Photo: Josep Borrell Fontelles, CC BY-NC-ND 2.0

»Der Iran will Israel auslöschen… Damit muss man leben.«

Wer dem Ende der Amtszeit Frederica Mogherinis als EU-Außenbeauftragte in freudiger Erwartung entgegensah, dürfte wohl bitter enttäuscht werden: denn Mogherini folgt als »Hoher Vertreter der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik« aller Voraussicht nach der gebürtige Katalane Josep Borrell. »Wir werden uns noch nach Mogherini zurücksehnen«, kommentierte ein mit der Causa vertrauter israelischer Beamter die Personalie gegenüber Mena Watch.

 »Zwischen den USA und Europa geht es nicht mehr um konkurrierende wirtschaftliche Interessen. Unsere Werte scheiden sich.«, erklärte Borrell, damals spanischer Außenminister dem Magazin POLITICO  im Februar dieses Jahres und fuhr in Bezug auf das Atomabkommen mit Iran fort: »Die Vereinbarung ist tot, aber nicht für uns. Die Amerikaner haben entschieden es zu killen. Einseitig, weil sie ohne vorangegangene Konsultationen handeln und ohne Rücksicht auf europäische Interessen.« Aber hätten die USA denn Unrecht, wenn sie dem Iran angesichts versuchter Terroranschläge in Europa und dem Schwur, Israel zu zerstören, »bösartiges« Verhalten vorwerfen?

Wir sind keine Kinder, die dem folgen, was sie sagen. Wir haben unsere eigenen Perspektiven, Interessen und Strategien und werden weiterhin mit dem Iran zusammenarbeiten. Es wäre sehr schlecht für uns, wenn er weiterhin eine Atomwaffe entwickeln würde … Der Iran will Israel auslöschen; das ist nichts Neues. Damit muss man leben.

Josep Borrell

Das Existenzrecht Israels dürfte in der Prioritätenliste des 72-jährigen Luftfahrtingenieurs und Ökonomen mit Studienabschlüssen in Madrid, Stanford und Paris demnach ziemlich weit hinten stehen. Deutlich hinter dem Iran jedenfalls, dem er mit kaum verhohlener Bewunderung in epischen Tweets zum 40. Jahrestag seines Bestehens als Gottesstaat gratulierte. Darin spannt er den Bogen vom »eindrucksvollen Bild« des Abflugs der Amerikaner vom Dach ihrer Gesandtschaft in Saigon mit einem Hubschrauber im Jahr 1975 und der Geiselnahme der Iranischen Revolutionsgarden 1979 in der US-Botschaft in Teheran.

»Zwei harte Niederlagen der Supermacht in den 70er Jahren« seien das gewesen, twittert der spanische Sozialist, und man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass er sie jenem Land von ganzem Herzen gönnt, dem Europa seine Freiheit zu verdanken hat. Im Gegensatz zu Vietnam sei der Iran eine Besessenheit für die US-Regierung. Doch er könne die Sanktionen zweifellos überstehen, wenn Donald Trump nicht wiedergewählt werde. Andernfalls könnte das Regime das Atomprogramm für militärische Zwecke reaktivieren und seine Interventionen in der Region vervielfachen.

Vervielfachen? Mit immer leerer werdenden Kassen und wachsender Unzufriedenheit in der eigenen Bevölkerung? Schon jetzt zielen 140.000 Raketen auf Israel, und alle stehen unter dem Kommando der Mullah-Diktatur und ihrer Proxies in Syrien und im Libanon.

Bewährungsprobe für den Überzeugungstäter

»Josep Borrell wird das Amt des EU-Außenbeauftragten sicher mit mehr Leben füllen als die bisherige Amtsinhaberin«, erwartet der spanische Politologe Fernando Vallespín und nennt Borrell einen »Überzeugungstäter«. Was man angesichts der bisherigen Äußerungen Borrells durchaus als Drohung auffassen kann.

Die erste Bewährungsprobe steht dem EU-Außenbeauftragten in spe jedenfalls unmittelbar bevor: Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, hat der Iran die Atomvereinbarung gebrochen, wie die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) bestätigt. Womit die europäische Iranpolitik endgültig in Scherben liegt. Die USA haben das Abkommen gekündigt, der Iran hat es spätestens jetzt gebrochen, die Umgehung der Sanktionen durch die europäische Tauschbörse war ein Schlag ins Wasser. Was bleibt da noch?

Dennoch ist kaum anzunehmen, dass Europa mit Borrell von der Appeasementpolitik gegenüber Teheran abrücken wird. Vielmehr dürfte die EU den Iran immer bedingungsloser stärken. Das ist nichts Neues. Zu Not muss man halt mit der Vernichtung Israels leben.


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Über den Autor / die Autorin

Thomas M. Eppinger

Thomas Eppinger ist davon überzeugt, dass alle Menschen mit unveräußerlichen Rechten geboren sind, zu denen das Recht auf Leben, Freiheit und das Streben nach Glück gehören. Daraus ergab sich alles andere, auch diese Website.
Der Publizist ist 1961 in Vöcklabruck geboren, lebt heute in Graz und arbeitet in Wien als Lead Editor bei »Der Pragmaticus«. Davor leitete er den unabhängigen Nahost-Thinktank Mena-Watch.