Gewalterfahrungen prägen Kinder besonders intensiv. Wie kann man ihnen – und damit auch uns – helfen?
Eine Mutter und ihr Sohn werden in Frankfurt vor einen einfahrenden Zug gestoßen. In London wird ein Kind von einem jungen Mann vom 10. Stock in die Tiefe gestürzt. Warum? Für manche Menschen ist solches schlichtweg – Normalität.
Migrationsexperte Kilian Kleinschmidt berichtet, dass das zentrale Problem in dem von ihm geleiteten jordanischen Flüchtlingslager Zaatari, das von rund 150.000 Menschen bewohnt wird, das gewalttätige Verhalten von Kindern ist. Ihre Attacken haben Verletzte und Tote unter den Helfern zur Folge. Die Eltern sind oftmals traumatisiert und stehen den Gewalttaten der Kinder lethargisch gegenüber. Vom Häuserkampf in Mossul 2017 wurde berichtet, dass Kinder Leichen, die in den Gärten herumgelegen sind, wie selbstverständlich in ihre Spiele einbezogen wurden. Zahllose Kinder haben miterlebt, wie IS-Terroristen Menschen von Hochhäusern gestoßen haben. London lässt grüßen – auf grausige Weise.
Viele dieser von Gewalt psychisch deformierten Kinder sind nun in unsere Schulen zu integrieren. Aus der Resozialisierung von Kindersoldaten weiß man, dass eine gewalttätige Frühprägung von Kindern oft irreversibel ist. Eine Grundvoraussetzung für das Verhindern des Ausbrechens dieser verhängnisvollen Frühprägung ist es, für diese Kinder ein gewaltfreies, von positiver Zuwendung, Liebe und Respekt geprägtes schulisches und familiäres Umfeld zu schaffen. Doch wird beklagt, dass für Schulen heute zu oft das Gegenteil zutrifft – Reformitis, Projektitis, Gewalt in unterschiedlichsten Formen, unbeantwortete Fragen sonder Zahl. Und »intakte« Familien, die Ruhe und Zuwendung geben können, trifft man unter Geflüchteten leider eher selten an.
Das, was wir in der frühen Kindheit erleben und erfahren, ist für uns Normalität, aber auch Trauma. Doch traumatische Erlebnisse können auch Erwachsene verändern, oft lebenslang belasten und ihr Verhalten prägen, das sich oft unaufhaltsam auf ihre Kinder überträgt. Tausende Teilnehmer des 1. Weltkrieges kehrten zwar physisch unverletzt zurück, verbrachten aber ihr restliches Leben in Irrenanstalten – verrückt geworden allein durch den unvorstellbaren Geschützlärm. Joseph Roth setzt im »Radetzkymarsch« in der Person des Grafen Chojnitzky diesen bedauernswerten Menschen ein literarisches Denkmal. Nach dem 2. Weltkrieg sind knapp die Hälfte der Insassen von Strafanstalten zuvor unbescholtene Kriegsheimkehrer gewesen, denen der Weg zurück in das friedliche Leben misslungen ist. Wolfgang Borcherts Drama »Draußen vor der Tür« erzählt von diesen Unglücklichen.
Was ist zu tun? Gottlob manifestiert sich eine gewalttätige Frühprägung nur bei einem Bruchteil der Betroffenen – doch diese »Einzelfälle« können verheerend genug sein und –zig Menschen das Leben kosten. Hoffnung macht, dass die große Mehrzahl der durch Gewalterfahrungen frühtraumatisierten Menschen diese ihre Prägung positiv bewältigen – durch die Aktivierung ihrer Kompensationsenergien und durch das glückhafte(!) Zusammentreffen mit Menschen, die ihnen Zuwendung, Vertrauen und Orientierung geben. »Starke Lehrpersonen« können hier nicht selten Wunder wirken. Zahllose Biographien von Schülern belegen dies!
In die Schule muss nun endlich jene konstruktive Ruhe einkehren, die nicht nur traumatisierte Kinder zu ihrer seelischen Rehabilitation benötigen, sondern genauso auch die autochthonen Schüler – schockierende 40% der Pflichtschulabsolventen beherrschen derzeit das Lesen, Schreiben und Rechnen nicht, sind daher nicht abstraktionsfähig und in der Folge mit einer orientierten Zukunftsplanung hoffnungslos überfordert.
Diese Schule ist Österreich allen Kindern, aber auch der Sicherheit aller Bewohner unseres friedlichen Landes schuldig. Das ist eine zentrale Herausforderung für eine künftige Bundesregierung, die auch im Bildungsbereich bewusst gestaltet und plangeleitet handelt.
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