WONDER WOMAN

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Photo: Gage Skidmore (edited), CC BY-SA 2.0

Wonder Woman – Die Zionistin

Gal Gadot, ehemalige Miss-Israel und Star des Hollywood-Action-Films Wonder Woman, der derzeit an den Kassen in den USA Rekordeinnahmen einspielt, hat einer einzigen Kino-Kette enorme Verluste beschert. Die Gruppe ‚Grand Cinema’ in Beirut kündigte überall in der Stadt mit riesen Plakaten seit Wochen den kommenden Film an. Für die ersten Vorstellungen verkauften sie sogar Karten im voraus, damit Zuseher die langen Warteschlangen an den Kassen vermeiden konnten.

Niemand störte sich an der halbnackten Frau mit einem Schwert, die wochenlang von den Hauswänden lächelte, bis dann wenige Tage vor der Filmpremiere der libanesische Ableger der Anti-Israel-Organisation BDS (Boycott, Divestment, Sanctions) plötzlich entdeckte, was schon seit Beginn der Dreharbeiten bekannt war – die Hauptdarstellerin sei Israelin und deshalb müsse der Film verboten werden.

Die Entscheidungen der verantwortlichen libanesischen Behörden gegenüber Produkten aus Israel – inklusive Movie-Stars Stars – ließen jedoch in der Vergangenheit jede Logik vermissen und so stritten Befürworter und Gegner des Verbots bis zur abgesagten Premiere. Letztes Jahr durfte der Film Personal Affairs der arabischen Israelin Maha Hadsch beim Filmfestival in Beirut nicht gezeigt werden. Gegen die Filme der israelisch- amerikanischen Schauspielerin Natalie Portman hatte noch nie jemand etwas einzuwenden und selbst Gadot in Nebenrollen bei Batman gegen Superman und Fast and Furious erzürnte nicht die BDS-Funktionäre.

Mayim Bialik, derzeit wohl bekannteste jüdische Schauspielerin durch ihre Rolle in The Big Bang Theory als Dr. Amy Farrah Fowler – sie hat übrigens tatsächlich ihr Studium in Neuroscience mit einem Doktorat abgeschlossen – ist eine vehemente Verteidigerin Israels und Kritikerin der Missachtung der Rechte der Frauen in Ländern mit einer islamischen Mehrheit. Dennoch wird The Big Bang Theory in den Emiraten, Bangladesh und Saudi Arabien gezeigt, allerdings nicht im Libanon.

Doch die weibliche Kunstfigur in Wonder Woman hatte schon einmal die Gemüter erregt, allerdings aus ganz anderen Gründen. Sie geht auf eine Idee des Psychologen und Comic-Fans W. M. Marston zurück, der Anfang der 40iger Jahre nach dem sensationellen Erfolg von Batman kritisierte, dass in der Welt der Superhelden praktisch keine Frauen vorkämen. Gemeinsam mit M. Gaines, dem Chef von All-American-Comics entwickelte er eine Figur, die with all the strength of a Superman plus all the allure of a good and beautiful woman sein sollte.

Es entstand die schwarzhaarige, attraktive Amazonenprinzessin Diana. Sie trug eine Tiara, eine rote Corsage mit einem goldenen Adler und einen blauen Minirock mit weißen Sternen. Als Waffe ein magisches Lasso, dass alle Gefangenen zwang, die Wahrheit zu sagen und zwei silberne Armbänder, die alle Geschosse abwehrten. 1941 erschien das erste Heft, in dem die Hintergrundgeschichte von Wonder Woman erklärt wurde, an der sich auch der heutige Film orientiert.

Wonder Woman – Die Lesbin

1954 veröffentlichte der Deutsche Psychiater Frederic Wertham, der in den USA nach seinem Studium in München Karriere machte, sein berüchtigtes Buch ‚Seduction of the Innocent’. Er begann einen Privat-Krieg gegen Comic Books, warf Wonder Woman und Superman vor, lesbisch beziehungsweise homosexuell zu sein und verteufelte die Freundschaft zwischen Batman und Robin als unappetitliche ‚homoerotische Beziehung’.

Auf der Grundlage dutzender angeblich wissenschaftlicher Untersuchungen versuchte er nachzuweisen, dass Jugendliche durch diese Helden zu kriminellem und unmoralischem Verhalten angestiftet werden und forderte ein totales Verbot der Hefte.

Erst 2010 wurden zum ersten Mal seine Originalaufzeichnungen veröffentlicht und der University of Illinois zu Verfügung gestellt, die ein vernichtendes Urteil über seine Arbeiten publizierte. Daten seien gefälscht, Zusammenhänge erfunden, angeblich Interviewte nicht existent und damit die gesamten Dokumente ohne jegliche wissenschaftliche Bedeutung.

Dennoch erreichte die allgemeine Hysterie in den 50iger Jahren unter J. McCarthy und seiner Hexenjagd nach unamerikanischen und jugendgefährdenden Elementen, dass die traditionellen Comic Books mehr und mehr vom Markt verschwanden.

1975 wagte man sich an die erste Verfilmung in Form einer TV-Serie an den Stoff. Nach 3 Staffeln wurde sie allerdings eingestellt. In der Zeichentrick-Serien Justice League kommt sie als Charakter vor und der US-Sender ABC produzierte 1974 einen TV-Film.

2014 kündigte ‚Warner Bros. Home Entertainment’ die Produktion eines Filmes an, der sich einzig und allein um das Schicksal von Wonder Woman dreht und damit zum ersten Mal ein Projekt, in der die Figur nicht nur in einer Nebenrolle zu sehen wäre. Weiter gab die Produktionsfirma bekannt, dass man eine weibliche Regisseurin suche. Zahlreiche Gespräche mit prominenten Regisseurinnen scheiterten an unterschiedlichen Interpretationen der Hauptfigur bis die Produzenten 2015 bekanntgaben, dass man sich mit Patty Jenkins geeinigt hatte, die kurz zuvor die Produktion Thor-The Dark Kingdom ebenfalls wegen kreativer Differenzen aufgab.

Hauptdarstellerin Gal Gadot unterschrieb einen Vertrag über drei Filme, für die sie insgesamt 900 000 Dollar bekam. Eine absurd geringe Summe im Verhältnis zu den 200 Millionen Dollar, den Wonder Woman bereits in den ersten paar Tagen einspielte.

Österreichische Wurzeln

Gadot kommt aus einer Familie mit polnisch-ungarisch-österreichischen Wurzeln. Ihre Großeltern überlebten den Holocaust als KZ-Häftlinge und wanderten nach dem Krieg nach Israel aus. Im Alter von 20 Jahren wurde sie wie jede Israelin zum Militär einberufen und sagte später über diese Zeit:

Du verbringst dort zwei oder drei Jahre und lernst, dass es nicht immer nur um dich geht im Leben, sondern auch um Disziplin und Respekt.

Gal Gasot

Diese Erfahrung half ihr – sagte sie in einem Interview – eine Rolle in Fast and Furious zu bekommen, da Regisseur Justin Lin begeistert über ihre militärischen Erfahrungen und den Umgang mit Waffen gewesen sei.

Seit der Bekanntgabe ihrer Verpflichtung für die Rolle der Wonder Woman wird sie mit einem Sturm der Entrüstung bis zu offen antisemitischen Beschimpfungen konfrontiert. Auf Twitter überstürzen sich die Empörten, immer mit ähnlichen Inhalten, wo sie mehr oder weniger mitverantwortlich für den Tod tausender Palästinenser und das Leid unter 50 Jahre Okkupation gemacht wird. Die Angriffe richten sich ebenso gegen die Produktionsfirma, der man vorwirft, ausgerechnet eine Israelin für eine Figur, die für Frieden und Gerechtigkeit kämpfe, engagiert zu haben.

Godat – die übrigens während der Dreharbeiten schwanger wurde und nur wenige Monate vor der Premiere ihre zweite Tochter zur Welt brachte – verweigerte bis jetzt jede Reaktion auf die Angriffe. Selbst in Interviews kommentiert sie weder den Boykott in Libanon noch die persönlichen Attacken gegen sie. Zahlreichen Gesprächen mit Journalisten stimmte sie nur unter der Bedingung zu, dass Fragen zu diesem Thema nicht gestellt werden.

BDS, die treibende Kraft hinter dem Verbot des Filmes, ist bekannt für Hate-Mails, Boykott-Aufrufe und gewaltsame Störungen von Auftritten israelfreundlicher oder einfach nur jüdischer Künstler und Akademiker. Jede Pop-Gruppe, die ein Konzert in Israel ankündigt, wird mit einer Welle von Hass und Drohungen konfrontiert. Bei Bialik genügte die Ankündigung auf Face-Book, sie habe einen Freund in Israel besucht, dass ihr FB-Account mit hunderten hasserfüllten antisemitischen Reaktionen überschwemmt wurde. Ihr Kommentar dazu:

Es ist eigentlich gleichgültig, was ich für eine Meinung zu Israel habe. Die Tatsache, dass eine einfache Reise diese Reaktionen auslöst, zeigt, dass es gegen mich als Jüdin gerichtet ist – das sollte den Menschen zu denken geben.

Gal Gadot

Doch all die Aufregungen sind ein Sturm im Wasserglas. Wonder Woman ist schon jetzt der erfolgreichste Film einer Frau auf dem Regie-Sessel und bekommt eine besondere Symbolik vor allem in jenen Ländern, in denen Frauen unterdrückt und diskriminiert werden.

Nach Libanon werden zwar auch Stimmen in Jordanien, Algerien und Tunesien lauter, die ein Verbot fordern, dennoch ist damit zu rechnen, dass die offiziellen Entscheidungen das Gegenteil erwirken werden. So wie die kritischen Stimmen, scheinbar auf einander abgestimmt, auf Twitter sich melden, kommen mehr und mehr Befürworter zu Wort, die einen Handel mit illegal aufgenommen CD ankündigen, um das Verbot zu umgehen. Auch die Behörden in Ägypten, Marokko und den Emiraten weigerten sich, den BDS-Protesten nachzugeben.

Wer sich an die Straßenhändler in den arabischen Ländern, Indien und anderen Ländern Asiens erinnert, die an jeder Straßenkreuzung, jedem Markt und sogar vor den Kinos illegale CD mit Filmen anbieten, kann nur vermuten, wie wenig wirksam ein Verbot in diesen Ländern sein könnte. Am Ende wird Wonder Woman in jenen arabischen Ländern, die ihn aus den Kinos verbannen, wahrscheinlich mehr Zuseher erreichen als wenn er legal gezeigt worden wäre.

Über den Autor / die Autorin

Peter Sichrovsky

Klassische Dilettanten-Karriere, wenig von viel und viel von wenig zu wissen, zu können, nach Studium der Chemie Marketing in Pharmaindustrie, dann Journalist, Schriftsteller, Mit-Gründer des Standards, SZ/Stern Korrespondent in Asien, EU-Parlamentarier, die letzten zehn Jahre Industrie-Karriere in Süd-Ost-Asien, 23 mal übersiedelt und nach Wien, Berlin, New York, München, New Delhi, Singapur, Hong Kong, Manila, Los Angeles und Brüssel in Chicago gelandet. Seit September 2017 lebt Peter Sichrovsky in London.

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