(T)ERRORWARNUNGEN

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Keine Prinzenrolle

„Heasd, Wukkerl, wo warstn die ganze Zeit?“ fragt mich mein Kollege, der Bertl, erstaunt, als ich mich nach über vier Wochen Absenz erstmalig wieder zum Taxistandplatz schleppe. „Ich habe fürn Fernsehsender VOX bei ‚Die Auswanderer‘ mitgemacht. Wollte nach Amerika. Aber, stell Dir vor, dort reden ja alle Englisch. Das sagt Dir vorher ja auch keiner. Also bin ich wieder zurück.“ „Hä?“ Bertl starrt mich entgeistert an.

„Na, Bledsinn, krank war ich. Grippe. Auf allen Viren bin ich gegangen. Wennst verstehst, was ich mein´.“ Bertl klopft mir auf die Schulter: „Leiwand, dass Du wieder da bist. Bis später, gemma auf ein Bier nach der Hackn.“

Männer jammern nicht, wenn sie krank sind. Männer gehen wortlos und tapfer ins Licht. Dass ich nicht an der Männergrippe krepiert bin ist nur meiner ureigenen inneren Stärke zu verdanken. Vielleicht auch der Hühnersuppe meiner Mutter, die sie mir alle paar Tage vorbeibrachte. Nicht, ohne dabei ständig zu betonen, dass ich mich gefälligst „zsammreißen“ soll, aber dalli. Und überhaupt, wie schaut es bei mir in der Küche aus, ein einziger Saustall. Anzumerken, dass ihr einziger, geliebter Sohn sterbenskrank sei hat da gar nix geholfen.

Gekränkt hab ich ihr von türkischen Müttern erzählt, die sich dagegen geradezu vorbildlich benehmen. Das weiß ich von meinem Haberer, dem Kebab-Ali. In der muslimischen Tradition werden die Söhne gehätschelt, verwöhnt, und bedient wie die kleinen Prinzen. Meine Mutter zeigte sich davon wenig beeindruckt. Sie hat sogar gedroht, dass, wenn ich weiter so einen „reaktionären Macho-Schas daher red´“, sie sofort die Hühnersuppe-Lieferung einstellt. Und ihrem Weichei von Sohn einen Tofu-Dinkelspitz unterm Türschlitz durchschiebt. Maximal.

Schlagzeilen, die weh tun

Wenn man wochenlang solo zuhause dahinsiecht, verliert man irgendwann das Interesse an der Außenwelt. Keine Zeitung, kein Facebook, nix habe ich konsumiert. Fernseher besitze ich, zum Leidwesen meiner seriensüchtigen Tochter, eh schon lange keinen mehr. Diese Halsabschneider, die dann ständig an Deiner Tür läuten, „GIS Gott“ krächzen, und für den Blödsinn abkassieren wollen hab ich nämlich schon gefressen. Umso härter landet man in der Realität, wenn man sich wieder einen Schritt nach Draußen wagt und diverse Medien nachliest.

Anschläge auf einen Bus mit Christen in Ägypten, Autobombe in Afghanistan, Anschlag in London. Und nach einem Konzert von Ariana Grande in Manchester spaziert so ein Orschloch seelenruhig in die Halle, und zündet eine Bombe. Über 20 Menschen tot, davon viele Jugendliche und Kinder. Schlagzeilen, die mich ins Herz treffen. Die eigentlich ganz Europa, und alles was wir damit verbinden, ins Herz treffen. Sorry, ihr Religionstrotteln, aber euren Mittelalter-Feldzug da nehme ich langsam echt persönlich. Jung sein, frei sein, verliebt sein, das Leben genießen, zu Musik irgendwo abhängen … ja ich weiß schon, in Kombi ist das für euch XXL-haram. Das verträgt sich überhaupt nicht mit eurem perversen Todeskult.

Anschlag auf die Freiheit

Warum ich bei dem Thema solche Kabel krieg: Die Mimi, meine Tochter, ist 15 und steht total auf diese Sängerin, die Ariane Grande. Gleich nach dem Anschlag hat mich das ansonsten eher unpolitische Mädl betroffen angerufen.

„Das ist eine Scheißwelt geworden, Papa. Glaubst, hört das irgendwann auf? Ich meine, dass wir wieder zu Konzerten gehen können, ohne Angst haben zu müssen, nicht mehr lebend heimzukommen? So wie ihr früher?“ Ich kann es ihr nicht beantworten. Schenkt man den EU-Großkopferten hinter ihrem Panzerglas Glauben, müssen wir uns an diesen Terror gewöhnen. Ach so. Dann werden wir uns vielleicht auch daran gewöhnen müssen, dass man in Zukunft Ungläubige öffentlich auspeitscht, Schwule aus dem Fenster im zehnten Stock schmeißt, oder Frauen in hunderte Meter Stoff einpackt.

„Geh, übertreib nicht“, versucht mich der Bertl in meinem Redefluss einzubremsen: „soweit kommt es nicht. Nicht bei uns.“ Wie geplant haben wir uns nach der letzten Fuhr getroffen und latschen nun den Brunnenmarkt rauf, um in einem unserer türkischen Stammlokale ein Feierabend-Bier zu zischen. Der Kellner lächelt freundlich, als er uns beim Bestellen erklärt, dass es in diesem Lokal keinen Alkohol mehr gibt. „Was?“ grunzt der Bertl irritiert, „aber wieso? Nicht einmal ein Bier? Ihr habts doch immer ein Bier gehabt, sogar ein sehr gutes!?“. Für den Bertl zählt Bier nicht wirklich als Alkohol, muss man wissen, aber er hält ja auch ein Putenschnitzel für vegetarische Kost.

Das Lächeln des Kellners wirkt nun etwas eingefroren: „Die Zeiten ändern sich. Bitte, wir sind auch nicht mehr das einzige türkische Lokal mit Alkoholverbot. Wir werden immer mehr. Geht halt woanders hin.“ Tun wir. Die „Alkokalypse“ scheint nah, aber immerhin, ein anderes Stammlokal, ebenfalls fest in türkischer Hand, schenkt uns den ersehnten Weizensaft problemlos aus. In einem kurzen Geplauder mit der Bedienung erfahren wir allerdings, dass Wirte, die diese Prohibition 2.0 nicht mitmachen, innerhalb der Community schon schief angeschaut werden. Ziel vieler Religions-Hardliner ist es, alle muslimisch geführten Lokale alkoholfrei zu machen.

„Unter Reinheitsgebot hab ich mir immer was anderes vorgestellt“, protestiert Bertl, „und das in dem Hieb da, der für sein Bier und seine Schnitten berühmt ist. Apropos, sind die jetzt auch haram?“ „Psst“, beschwichtige ich ihn, „leiser, ich bin noch nicht fit genug für einen Wickel.“ Wobei, das Lokal ist eh fast leer, was vermutlich am Ramadan liegt. „Auch so eine neue Erfindung“, brummelt Bertl, „ich kann mich nicht erinnern, dass den hier früher jemand gefeiert hat. Was kommt als nächstes?“

„Das weiß ich nicht“, erwidere ich, „aber ich weiß, dass ich mich nicht daran gewöhnen will. Vor allem, dass ich kein Bier mehr krieg. So fangts nämlich an.“ Manchmal dreht sich die Welt ein bissl zu schnell, und in die verkehrte Richtung dazu. Ich glaube, ich geh lieber wieder ins Bett.

Über den Autor / die Autorin

Walter Vukovic

Walter „Wukkerl“ Vuković, 44, ist Taxifahrer. Mitten in Wien und zwischen den Welten. Wukkerl hat Migrations-Hintergrund (Vater aus Serbien, in den 70ern als Gastarbeiter nach Wien gekommen, Mutter Österreicherin), ist geschieden und Vater einer Tochter (15).

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