WETTER, KLIMA UND DAS CEOHZWEI

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Die letzten Eisbären in Schönbrunn 

»Das Klima wird immer schlechter!« Ernst sieht aus dem Fenster und schüttelt langsam den Kopf hin und her, als ob er eine Frage verneinen würde.

»Meinst du das Wetter?« Fragt ihn seine Frau Maria.

»Das Wetter? Ich rede doch nicht vom Wetter! Liest du denn keine Zeitung, alle reden über’s Klima!« Ernst schaut immer noch aus dem Fenster.

»Ja, sicher lese ich die Zeitung, aber immer nur die Rätselseite.« Maria drückt sich mit beiden Händen ächzend aus dem Sofa, geht langsam zu ihrem Ehemann und stellt sich zu ihm ans Fenster.

»Und da draußen siehst du das Klima?« Fragt sie ihn.

»Natürlich draußen, wo sonst?« Ernst versucht, den Himmel zu sehen, und drückt sein Gesicht an die Fensterscheibe. Maria macht es ihm nach und beide schauen nach oben.

»Was ist dort oben?« Fragt sie ihn.

»Das ist nicht so einfach zu erklären, da muss man sich länger damit beschäftigen«, sagt Ernst und macht einen Schritt zurück.

»Aha«, sagt Maria und nimmt auch das Gesicht vom Fenster.

»Es ist das Ceohzwei, das das Klima kaputt macht«, sagt Ernst, wobei er das Ceohzwei langsam und betont ausspricht. Beide stehen in Schlafröcken mit den Füßen in weichen, bequemen Hauschuhen. Bei Ernst reichen die gestreiften Hosen des Pyjamas bis zu den Hausschuhen. Bei Maria sind die Beine unter dem Schlafrock von einem langen weißen Nachthemd bedeckt.

»Aha, und was ist dieses Ceohzwei und von wo kommt es?« Fragt Maria und bindet sich den Schlafrock wieder zu, der aufgegangen ist. 

»Ceohzwei ist das schlechte Gas, das verpestet alles und macht Luft, Wasser und Pflanzen kaputt und dann machen sie unser Klima kaputt«, antwortet Ernst, in seiner Stimme ist ein wenig die Ungeduld hörbar.

»Aha, und von wo kommt es auf einmal, das schlechte Gas« Fragt Maria und schaut durch ihre dicken Brillen auf ihren Mann.

»Von den Autos, den Flugzeugen, den Fabriken, überall wo es hinten raus raucht, oder oben aus dem Schornstein, überall kommt schlechtes Gas heraus«, sagt Ernst und starrt auf das Fenster ohne Maria anzusehen.

»Aha, aber Autos und Flugzeuge hat’s doch schon immer gegeben, und Fabriken auch. Und das alles macht auf einmal unser Klima kaputt?« Fragt Maria.

»Es ist alles zu viel heute, alles viel zu viel, der ganze Verkehr ist einfach zu viel, und jetzt steigt auch noch das Meer und die Strände werden verschwinden«, sagt Ernst.

»Aha, der Strand verschwindet? Und wohin fahren wir dann auf Urlaub, wenn Bibione unter Wasser steht? Der schöne Strand….und die Strandcafés, werden die auch überschwemmt sein?« Fragt Maria.

»Sicher! Na, fahren wir halt in die Berge. Dort kommt das Wasser nicht so schnell hin!« Sie lachen beide.

Es hat inzwischen zu regnen begonnen, und die Tropfen laufen langsam die Fensterscheiben herunter.

»Na bitte, ich hab’s ja gesagt«, sagt Maria und deutet auf das Fenster.

»Was hast du gesagt, was meinst du?« Fragt Ernst.

»Das schlechte Klima, schau doch, und wer geht jetzt mit dem Wolfi hinaus bei dem Klima!« Maria tätschelt einen kleinen Hund, der sich an ihren Beinen reibt.

»Der Regen ist nicht das Klima, der Regen ist das Wetter, was ist denn da so schwer zu verstehen?« Ernst wird lauter und schüttelt seine Hände in der Luft.

»Aha, na wenn der Regen nicht das Klima ist… na ja, wenn das so ist, was ist dann mit der Sonne?« Fragt Maria.

»Warum sagst du immer ›Aha‹, wenn ich dir was erkläre?« Fragt Ernst.

»Ich weiß nicht, ich sag doch immer ›aha‹, schon seit bald vierzig Jahren, weil du eben so gescheit bist, und ich dich bewundere«, sagt Maria und lächelt. Dann fragt sie ihn: »Na, wie ist das jetzt mit der Sonne, wenn schon ein Gewitter kein Klima ist?«

»Nur die ganz heiße Sonne ist Klima, nicht ein normaler Sommer, nur wenn es zu heiß ist, und die Welt immer wärmer wird, durch dieses verdammte Ceohzwei eben«, sagt Ernst.

»Da hast du recht, der heiße Sommer heuer, und der voriges Jahr. Die waren ja wirklich schwer zu ertragen, so ein heißes Klima ist einfach nichts für mich. Da haben es die im Norden gut, in Schweden gibt’s sicher kein Ceohzwei und keiner schwitzt so wie wir beide und unser Wolfi“, Maria bückt sich und fährt dem Wolfi über den Kopf.

»Pah, hast du eine Ahnung, gerade im Norden macht das Klima alles kaputt, sogar der Nordpol schmilzt.«

»Aha, der Nordpol schmilzt, und was ist mit dem Südpol?« Fragt Maria und richtet sich langsam wieder auf.

»Der schmilzt genau so, dort ist es auch viel zu warm, und die armen Eisbären gehen alle zugrunde, oder sind die am Nordpol? Ist doch egal«, sagt Ernst.

»Ja ja, die Eisbären, die hat unser Karli immer so gern gehabt im Tiergarten in Schönbrunn«, sagt Maria.

»Bald werden die in Schönbrunn die letzten sein, die es noch gibt«, sagt Ernst. Sie starren beide auf die nassen Scheiben, der Regen wird schlimmer und peitscht gegen das Fenster.

»Und wie werden wir das schlechte Klima los“, fragt Maria.

»Wir dürfen nicht mehr Auto fahren, und kein Flugzeug mehr«, antwortet Ernst.

»Aha, ja aber, wir haben doch gar kein Auto, seid wir beim Augentest durchgefallen sind. Und nach Bibione im Sommer fahren wir mit der Bahn, und im Winter am Semmering auch mit der Bahn«, sagt Maria.

»Du hast recht, wir sind die, die das Klima retten!« Ernst muss wieder lachen. Sie beobachten beide, wie das Gewitter immer heftiger wird. Maria macht einen Schritt näher zu Ernst und fasst nach seinem Arm. Er sieht sie erstaunt. an.

»Müssen wir jetzt Angst haben vor dem Klima?« Fragt sie ihn.

Er legt den Arm um ihre Schulter und sie neigt den Kopf in seiner Richtung.

»Nein, mach dir keine Sorgen, wenn das richtig böse Klima kommt, sind wir beide längst nicht mehr da«, sagt er und küsst sie auf die glatten, grauen Haare, die an der Seite geteilt bis zu ihren Schultern reichen. So stehen sie ein paar Minuten und beobachten das Gewitter, wie der Wind den Regen immer wieder gegen die Fensterscheiben wirft.

Dann löst sich Maria plötzlich von ihm und sagt: »Wenn wenigstens das Wetter besser wäre, wenn das Klima schon so schlecht ist!«


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Über den Autor / die Autorin

Peter Sichrovsky

Klassische Dilettanten-Karriere, wenig von viel und viel von wenig zu wissen, zu können, nach Studium der Chemie Marketing in Pharmaindustrie, dann Journalist, Schriftsteller, Mit-Gründer des Standards, SZ/Stern Korrespondent in Asien, EU-Parlamentarier, die letzten zehn Jahre Industrie-Karriere in Süd-Ost-Asien, 23 mal übersiedelt und nach Wien, Berlin, New York, München, New Delhi, Singapur, Hong Kong, Manila, Los Angeles und Brüssel in Chicago gelandet. Seit September 2017 lebt Peter Sichrovsky in London.

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