VOM QUERSCHREIBER ZUM QUEREINSTEIGER (2)

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Photo: privat, alle Rechte vorbehalten

Mein erstes Jahr als Abgeordneter: Persönliche Schwerpunkte

Meinem großen Interesse für Außenpolitik wurde in mehrfacher Hinsicht Rechnung getragen. Ich bin Mitglied des außenpolitischen Ausschusses, sowie zwei seiner Unterausschüsse, für die EU und die Entwicklungszusammenarbeit (EZA). In diesem Zusammenhang bin ich auch EZA-Sprecher der ÖVP Fraktion.

Die EZA ist ein sehr faszinierendes Gebiet: Einerseits gibt es eine sehr professionelle Organisation und Tätigkeit der Austrian Development Agency (ADA) und zahlreicher nationaler und internationaler NGOs. Andererseits entwickelt sich in Europa zunehmend ein Bewusstsein für die Wichtigkeit einer neuen Partnerschaft mit Afrika.

Budgethilfen bei Diktatoren und despotischen Gewaltherrschern versickern. Sie kommen nicht dort an, wo sie gebraucht werden. Das wiederum fördert Migration und stellt ein wesentliches Problem dar. Es gibt weiters ein aktives – wenn auch natürlich sehr kurzsichtiges – Interesse mancher afrikanischen Staaten an einer Emigration aus ihren Ländern: Die Arbeitslosigkeit sinkt kurzfristig, und die Emigranten senden – einmal in Europa angekommen – Gelder in ihre Heimat zurück.

In richtungsweisenden Statements von EU-Kommissions-Präsident Jean-Claude Juncker und Bundeskanzler Sebastian Kurz als EU-Rats-Vorsitzender, wurden wichtige Punkte für eine neue Zusammenarbeit definiert:

  • Orientierung an der Werten der internationalen Gemeinschaft, wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und der Respektierung der Menschenrechte, insbesondere auch der Rechte von Frauen. »Good governance« in einem Land ist die wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Zusammenarbeit.
  • Aufbau einer grundlegenden Infrastruktur in den jeweiligen Ländern. Vor allem: eine gesicherte Versorgung mit Wasser und Nahrungsmitteln, Bildung, Gesundheitsvorsorge, Energie und Transportwege.
  • Ein verstärkt positiver öffentlicher Diskurs und eine positive Wahrnehmung Afrikas in Europa ist notwendig – in Schulen, Politik, Medien und Zivilgesellschaft.
  • Oft wird übersehen: 36% des afrikanischen Handels werden schon jetzt mit der EU abgewickelt und nur 16% mit China. 40% der Direktinvestitionen in Afrika gehen auf die EU zurück und nur 14% auf China. »Wir sind bereits jetzt die Hauptpartner Afrikas, nicht China« (Mogherini). Mit EUR 75,5 Mrd. (2017) erfüllt die EU mehr als die Hälfte des weltweiten staatlichen EZA Beitrages. Dadurch ist die EU sehr wohl in der Lage, internationale Standards für Entwicklungszusammenarbeit zu setzen.
  • Bis 2020 sollen EUR 44 Mrd. Euro an Investitionen nach Afrika fließen. Öffentliche Mittel müssen dazu verwendet werden, Privatinvestitionen anzukurbeln. Langfristiges Ziel ist ein Freihandelsabkommen, respektive eine Freihandelszone.

Das High-Level Forum Africa-Europe, welches als einer der letzten Höhepunkte des österreichischen EU-Ratsvorsitzes am 18. Dezember in Wien stattfindet, wird ein weiterer wichtiger Meilenstein auf diesem Gebiet sein.

Im Bereich der Außenpolitik wurde mir auch die ehrenvolle Aufgabe des Vorsitzes der parlamentarischen Freundschaftsgruppe mit Großbritannien übertragen. Es ist eine ausgezeichnete Plattform, um auch mit Mandataren der anderen Fraktionen einen freundschaftlichen Kontakt mit einem der Mutterländer der parlamentarischen Demokratie zu pflegen. Mit dem hervorragend engagierten und sympathischen britischen Botschafter Leigh Turner gab es zahlreiche Treffen, die auch im Zuge der Brexit-Verhandlungen sehr wichtig und aufschlussreich waren. Für März 2019 ist eine mehrtägige Reise der Freundschaftsgruppe nach Großbritannien bereits fix eingeplant.

In dieser Funktion durfte ich den Bundeskanzler im Juli 2018 auch auf seiner Reise nach Irland und Großbritannien begleiten. Ich war bei den Gesprächen und Abendessen mit dem irischen Premierminister Leo Varadkar im Dublin Castle dabei, ebenso wie bei der sehr aufschlussreichen Besichtigung der nordirisch-irischen Grenze. Ein ganz besonderer Höhepunkt war der Besuch von Downing Street 10, wohin uns die Premierministerin Theresa May zu einem Arbeitsessen eingeladen hatte. Dies noch dazu just an jenem Tag, an dem nacheinander der Brexit-Minister David Davies und Außenminister Boris Johnson zurücktraten. Es war ein turbulenter Tag, aber die britische Premierministerin beeindruckte uns schon damals mit ihrer offensichtlichen Standfestigkeit und Unbeirrbarkeit. Sie führte die Gespräche beim Abendessen, als ob an diesem Tag nichts Besonderes geschehen wäre.

Ein weiterer Schwerpunkt meiner parlamentarischen Tätigkeit lag im Kunst- und Kulturbereich. So durfte ich auf Seiten der ÖVP das Koalitionsabkommen für diesen Bereich verhandeln. Dabei haben wir wichtige Schwerpunkte und Signale gesetzt. Vor allem ist es uns gelungen, in Zeiten von teils deutlichen Budgetkürzungen allerseits, das Budget für Kunst und Kultur für die Jahre 2018 und 2019 sogar geringfügig zu erhöhen. In enger Abstimmung mit dem zuständigen Kulturminister Gernot Blümel und seinem Team konnte ich mich bei vielen Fragen mit meinen Überlegungen einbringen.

Neben der Fortsetzung aller genannten Arbeitsschwerpunkte, gibt es für die Zukunft noch ein besonders wichtiges Thema das mir am Herzen liegt: Es vergeht fast kein Tag, an dem wir durch die neuesten technologischen Entwicklungen nicht mit deren ethischen Implikationen auf uns konfrontiert sind. Lag der Fokus bisher vor allem beim Thema der Bioethik – dazu gibt es eine Bioethikkommission im Bundeskanzleramt – so steht die Befassung mit der Ethik in vielen anderen Bereichen an: Der Ethik in sozialen Medien, der künstlichen Intelligenz, der Nutzung von Daten, autonomen Fahren usw. In diesem Bereich steht, in enger Abstimmung mit dem Bundeskanzler, die Entwicklung entsprechender Formate an, und freue ich mich schon sehr auf diese besonders spannende und herausfordernde Aufgabe.

Zusammengefasst: Ein sehr spannendes, emotional forderndes, letztlich sehr befriedigendes erstes Jahr in der Politik und als Abgeordneter des Nationalrates liegt hinter mir, und die Vorfreude auf die nächsten Herausforderungen ist groß. So gut es geht versuche ich Interessierte auf meiner Facebook-Seite auf dem Laufenden zu halten (bitte mich dazu gerne auf Facebook zu abonnieren) und habe ich vor, dies auch auf schlaglichter.at zu tun.

Teil 1: Ernüchterung und Höhepunkte

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Über den Autor / die Autorin

Martin Engelberg

Mag. Martin Engelberg ist Abgeordneter zum Nationalrat (ÖVP), Psychoanalytiker, Consultant und Coach. Er ist Lehrbeauftragter an der Wirtschaftsuniversität Wien und war viele Jahre Kolumnist der Tageszeitung ›Die Presse‹ sowie Herausgeber der jüdischen Zeitschrift ›NU‹. Darüber hinaus war er lange Zeit Mitglied des Vorstandes der Israelitischen Kultusgemeinde Wien.