US-BOTSCHAFT IN JERUSALEM

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Die Botschaft hinter der Botschaft

Als Donald Trump im Dezember letzten Jahres erstmals verkündet hatte, dass er das Versprechen, das vor ihm bereits eine ganze Reihe von amerikanischen Präsidenten einschließlich Bill Clinton und Barack Obama gegeben hatten, nämlich die Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen, nun halten würde, stand die Welt Kopf. Die Palästinensische Autonomiebehörde rief zu drei Tagen des Zorns auf, der türkische Präsident Erdogan sprach von einer immensen Gefahr für den Frieden, Macron legte Netanyahu nahe, den Palästinensern signifikante Zugeständnisse zu machen, weltweit gab es Massendemonstrationen, und auch am Brandenburger Tor brannten israelische Fahnen.

Und dennoch, in etwas mehr als zwei Wochen ist es wohl tatsächlich soweit. Die amerikanische Botschaft soll ihre Pforten in Jerusalem öffnen. Während der gemeinsamen Pressekonferenz mit Angela Merkel anlässlich ihres Staatsbesuches in den USA teilte Trump mit, dass er sogar in Erwägung ziehe, bei der Eröffnung persönlich anwesend zu sein. Dass sein Schwiegersohn, Jared Kushner, zusammen mit Tochter Ivanka Trump, Teil der etwa 250-köpfigen Delegation sein würden, die anlässlich der Eröffnung nach Jerusalem reisen solle, wurde einige Stunden später offiziell bekanntgegeben.

Weiters wurde bekannt, dass Donald Trump nach Verlegung der Botschaft seinen Friedensplan vorlegen wolle, welcher unter anderem auch eine Entschädigung der Palästinenser für die Verlegung der Botschaft vorsehe.

Während obiger Pressekonferenz teilte Trump zudem mit, dass er, entgegen den ursprünglichen Plänen, ein neues Botschaftsgebäude zu errichten, vorerst lieber die Räume des amerikanischen Konsulats umbauen würde. Damit könne er die Kosten für die Verlegung von geschätzt einer Milliarde US-Dollar auf etwa 400.000 US-Dollar reduzieren und das, obschon der amerikanische Botschafter in Israel, David Friedman, ihm zuvor erklärt habe, dass eine Renovierung schon für 150.000 US-Dollar zu bewerkstelligen sei. Trump aber ließ sich nicht lumpen, erhöhte das Budget nach bekannter „it´s gonna be great!“-Manier und konnte im Vergleich zu einem Neubau trotzdem hunderte Millionen Dollar einsparen.

Seit der Bekanntgabe von Trumps Entscheidung haben auch Guatemala und Honduras sich dazu entschlossen, ihre Botschaften in naher Zukunft ebenfalls nach Jerusalem zu verlegen. Weitere europäische Staaten, wie etwa Tschechien, haben ihre Erwägungen noch nicht abgeschlossen. Aus Rumänien wird berichtet, dass die Regierung letzte Woche wohl ein geheimes Memorandum bezüglich der Verlegung verabschiedet habe, ohne sich aber mit der Präsidentschaft beraten zu haben. Deswegen fordert der rumänische Präsident Klaus Johannis nun den Rücktritt der Ministerpräsidentin Dancila, welche in seinen Augen „dem Amt nicht gewachsen“ sei.

Und was passiert in Israel?

Denkt man etwa an die heftige Kritik und die wütenden Reaktionen in den israelischen Medien und auf der Straße anlässlich der diversen Resolutionen zum Beispiel zur UNESCO zurück, könnte man meinen, der Umzug der Botschaft nach Jerusalem würde euphorisch erwartet.

Nun ja. Die Euphorie hält sich in Grenzen.

Die Gründe dafür sind so vielschichtig wie die israelische Gesellschaft selbst. Die Problematik ist komplex, die Ansichten dazu sind es auch. Sie umfassend und im Detail wiederzugeben wäre wahrscheinlich ein schönes Thema für eine Dissertation, würde allerdings den Rahmen hier sprengen. Also beschränke ich mich hier auf das Offensichtliche.

So sehen zum Beispiel die ultrareligiösen Juden in Israel Jerusalem als Zentrum ihres jüdischen Daseins. Ihr kollektiver Wunsch nach Wiederaufbau des Tempels in Jerusalem als Zentrum jüdischen Lebens ist so alt wie ihr kollektiver Schmerz in Folge der Zerstörung des 2. Tempels im Jahre 70 unserer Zeitrechnung. Gebetet wird gen Jerusalem und für Jerusalem. Jerusalem als heiligste aller heiligen Stätten ist, losgelöst vom Staat Israel, der Kern ihrer jüdischen Identität. Für diese kleine Gruppe der Bevölkerung ist Jerusalem als Hauptstadt Israels gegenwärtig eigentlich nur eine akzeptable Übergangslösung. Denn ihre wahre spirituelle Bindung an die Stadt ist durch das Gebet und die Hoffnung geprägt, dass das ewige Dreieck der Verbindung Volk-Land-Gott nur mit Erscheinen des Messias wiederhergestellt werden kann, was die Grundbedingung für die Neuerrichtung des Tempels ist. Für sie sind weder Trump noch die israelische Regierung der besagte Messias.

Während die arabische Welt außerhalb Israels und einschließlich der Palästinensischen Autonomiebehörde und der Hamas tobt, sehen die Araber in Israel die Entscheidung Trumps ebenfalls aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2016 fühlen sich zum Beispiel über 60% der in Israel lebenden Araber sehr wohl, 55% bezeichnen sich sogar als „stolze israelische Staatsbürger“. Diese Menschen leben nach den Gesetzen des Staates Israel und erkennen Jerusalem als Hauptstadt ihres Staates an. Sie hätten auch nicht vor, in einen Staat Palästina zu ziehen, sollte ein solcher eines Tages entstehen. Die mit der Ankündigung der Verlegung der Botschaft in Israel selbst befürchteten Ausschreitungen hielten sich wohl auch deshalb in sehr viel engeren Grenzen als die in anderen Teilen der nicht per definitionem arabischen Welt.

Und was sagt der israelische Mainstream? Eigentlich nicht viel. Der Mainstream weiß nämlich, was man im Rest der Welt offenbar noch nie verstanden oder bereits vergessen hat: Jeder souveräne Staat hat das Recht, seine Hauptstadt selbst zu bestimmen, auch Israel. Und Jerusalem ist Hauptstadt Israels.

Ob die Botschaft eines oder mehrerer Staaten nun dort steht oder nicht, ändert an dieser Tatsache herzlich wenig. Wer tatsächlich an der untrennbaren und immerwährenden jüdischen Bindung zu Jerusalem und der damit einhergehenden Bindung auch des jüdischen Staates zu Jerusalem zweifelt, der hat sich nicht einmal annährend mit der Stadt Jerusalem befasst, weder in historischer noch in religiöser Hinsicht. Und maßt sich zudem an, politische Aussagen zu tätigen, über deren negative, und lediglich weiteren Hass schürende Auswirkungen vor Ort er genauso wenig Kenntnis hat wie über Jerusalem selbst.

Die Verlegung ändert nichts

Genauso wenig ändert die Verlegung der US-Botschaft etwas an den Problemen, mit denen sich die israelische Bevölkerung jeden Tag aufs Neue auseinanderzusetzen hat. Sie ändert nichts an den sozioökonomischen Problemen innerhalb der israelischen Gesellschaft. Nichts an den Spannungen unter den verschiedensten Gruppierungen innerhalb der Bevölkerung. Nichts an der wirtschaftlichen oder sozialen Ungerechtigkeit. Nichts an der Aggression im Straßenverkehr. Nichts an dem Hass, dem Israelis durch eine von Doppelmoral zersetze UNO, eine heuchlerische EU und die manipulative und einseitige Medienberichterstattung weltweit ausgesetzt sind.

Und solch eine Verlegung ändert schon gar nichts an der Bedrohung, der jeder Israeli jeden Tag von Neuem gegenüber steht. Angefangen vom einfachen Terroranschlag, bei dem man zur falschen Zeit am falschen Ort ist; bis zur existenziellen Bedrohung durch die Hamas, welche im Süden droht, die Grenzen zu Gaza zu stürmen und das Land in mörderischer Absicht einzunehmen; über die Hisbollah im Libanon, welche der Iran inzwischen mit über 150.000 Raketen ausgestattet hat; und bis hin zum Iran selbst, der sich in Syrien in unmittelbarer Nähe zur israelischen Grenze, vor den Augen der gesamten Welt und mit der Unterstützung Russlands, seine militärische Präsenz sichert, während er zu Hause an Nuklearwaffen bastelt und keine Gelegenheit auslässt, uns daran zu erinnern, dass die Tage Israels gezählt sind. Parallel dazu ruft Erdogan, der über eine der größten Armeen dieser Erde verfügt, in regelmäßigen Abständen dazu auf, Jerusalem zu befreien, und auch er hat sehr konkrete Pläne, in absehbarer Zukunft einen Atomreaktor zu errichten.

Das sind die Dinge, die die israelische Bevölkerung in ihrem Alltag wirklich beschäftigen, die in den Medien, den Straßen, den Cafés diskutiert werden.

Des Krieges müde

Die israelische Bevölkerung ist außerdem weitestgehend müde davon, weltweit jeden Tag neu an den Pranger gestellt zu werden, ihre Existenz jeden Tag erneut rechtfertigen zu müssen, selbst vor Teilen ihrer eigenen Gesellschaft, jeden Tag erneut erklären zu müssen, dass sie sich im Krieg befindet. In einem Medienkrieg und auch in einem existenziellen Krieg. In einem Krieg, in den man die Kinder, die man heute in die Welt setzt, morgen schicken muss, nicht wissend, ob sie übermorgen noch leben. Und das vom ersten Tag des Bestehens des Staates Israel an und eigentlich seit Anbeginn der Rückkehr der Juden nach Israel vor 120 Jahren.

Die Bedrohungen sind real, die Ängste sind es auch. Und genauso real sind der Frust und die Enttäuschung darüber, dass die Staatengemeinschaft der Welt, angefangen von der UNO und dicht gefolgt von der EU und der arabischen Liga sowieso, durch ihre Verhätschelung der Palästinenser auf der einen und Schuldzuweisungen gegen Israel auf der anderen Seite nichts anderes tun als die Sicherheitslage in und um Israel weiter zu verschärfen, den Hass der Palästinenser weiter zu schüren, ihnen jegliche Eigenverantwortung abzunehmen und dadurch diesen letztlich für beide Konfliktparteien untragbaren Zustand zu perpetuieren.

Angesichts all dieser Probleme ist die längst überfällige Verlegung einer Botschaft natürlich durchaus ein schönes Symbol und auch Grund zur Freude. Selbstverständlich tut es gut, jemanden an seiner Seite zu wissen, für den Freundschaft oder die Sicherheit des Staates Israel und dessen Existenzrecht mehr sind als nur schöne Worte. Jemand, der nicht nur verspricht sondern auch umsetzt, und sei es jemand, der auf dem, was man das diplomatische Parkett nennt, regelmäßig ausrutscht und sich daneben benimmt, unberechenbar und ungehobelt ist, wie eben Donald Trump.

Aber es ist auch nicht mehr als das.

Die wahre Euphorie wird wohl erst dann einkehren, wenn die wirklichen Probleme der israelischen wie auch der palästinensischen Bevölkerung auf einem ausgeglichenen und gerechten Weg gelöst worden sind.

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Über den Autor / die Autorin

Alexandra Margalith

Alexandra Margalith hat in München Rechtswissenschaften studiert, ist in Israel als Anwältin und Notarin zugelassen und hat sich in einer Kanzlei in Tel-Aviv mehr als 13 Jahre intensiv mit deutsch-israelischen Wirtschafts- und Rechtsbeziehungen befasst, davon 7 Jahre als Partnerin. Sie befasst sich intensiv mit dem Nahostkonflikt und dem Antisemitismus in Europa, lange vor dem Holocaust bis heute, und verfolgt dazu die hebräische, deutsche, englisch- und französischsprachige Presse.
Seit 2012 lebt Frau Margalith aus beruflichen Gründen mit ihrem Mann in Irland.