PARTNER IM ABKASSIEREN

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Zu meiner persönlichen Erheiterung

Es gibt nahe Verwandte und entfernte Verwandte, so wie es nahe Bekannte und entfernte Bekannte gibt. Ein entfernter Bekannter erzählte mir: „Als meine Leute die neuen Büros der Arbeiterkammer in Sankt Pölten zu sehen kriegten, alle ausgerüstet mit neuen Computern, sagte ich denen: Passt auf, damit es euch klar ist, dieses ist das letzte Paradies für Arbeitnehmer.“

Der Mann, ein gescheiter und humorvoller Mensch, der einem guten Glas nicht abgeneigt ist, weiß, und findet es amüsant, dass ausgerechnet die Vertretung der Arbeitnehmer unter Bedingungen arbeitet, von denen die meisten Arbeitnehmer nur träumen können. Irgendjemand muss da einiges richtig gemacht haben.

Und gerade eben sah ich den AK-Präsidenten im Fernsehstudio, einen graumelierten Herren im Dreiteiler, der aussieht als wäre er einem Directors Cut von Terry Gilliams „Brazil“ entsprungen. Wie er schon öfter gehörte Phrasen zitiert, von wegen „Verhandlungen sind kein Wunschkonzert“, wie er mit einem schmallippigen Grinsen die Einflusssphären der so genannten Sozialpartner in Österreich absteckt, kann für kurze Zeit genossen auch vergnüglich sein.

Ein einmaliges Austriakum

Die Arbeiterkammer und ihr Äquivalent, die Wirtschaftskammer, sind eine Einmaligkeit in der westlichen Welt. Ein Austriakum wie das Kaffeehaus mit dem schlechtesten Kaffee der Welt oder die Vergötterung von Schifahrern.

In unserem kleinen, überschaubaren Universum, der österreichischen Welt, haben sich über die Jahrzehnte Ersatzregierungen etabliert, die von keiner Wahl legitimiert sind, Organisationen, die ihre Leute sowohl in die Regierung als auch ins Parlament schicken, demokratiepolitisch gesehen ein kleiner Skandal, wenigstens ein Skandälchen. Immer gerne legitimiert mit den historischen Leistungen in der Nachkriegszeit, als wäre es gestern gewesen. Was wollt ihr, heißt es, wir haben es doch nett miteinander.

Beide gesellschaftlichen Entwürfe, also die Zwangsvereinnahmung der Österreicher in so genannten Kammern, stammen aus einer Zeit, als Unternehmer noch dicke Großglockner-Zigarren rauchten, und Arbeitnehmer in kleinen, zugigen Zimmern mit WC am Gang hausten. Die Dinge haben sich geändert.

Arbeitern und Angestellten geht es gottlob besser bis sehr gut. Und nicht jeder Selbständige und also Unternehmer besitzt eine Villa an der Côte d’Azur oder im Ausseerland. Amüsant ist in diesem Kontext das Menschenbild der Kämmerer, das aus einer Zeit stammt, als sich die Aufregung über die erste Dampflok gerade gelegt hatte und die Glühbirne langsam patentreif wurde.

Aus der Zeit gefallen

Und dann denke ich, das sind doch alles gescheite Leute. Vielleicht ist es ihnen längst klar, dass sie erstens aus der Zeit gefallen sind, und zweitens das, was sie sagen mit dem wirklichen Leben nur noch ansatzweise zu tun hat. Wahrscheinlich ziehen sie nur für uns alle eine Show ab.

Die stellen sich also hin vor die Leute, vor uns, soeben dem Dienst-Bentley entstiegen, und geben im Fernsehstudio ihre eingeübten Statements ab, und wenn der Auftritt vorbei ist, zerkugeln sie sich, lachen erst einmal eine Stunde, über den aberwitzigen Stundenlohn, den sie für diese Auftritte einstreifen, herzerwärmend im Vergleich zu Geringverdienern wie einem österreichischen Bundeskanzler.

Die Gehälter der Top-Funktionäre der Kammern sorgten immer schon für Heiterkeit. Lachen ist besser als Weinen. Weshalb wir uns mit den Menschen in den österreichischen Kammern auch ein wenig freuen dürfen. Sie sorgen auf ihre Weise für gute Stimmung im Land.

Über den Autor / die Autorin

Alexander Rabl

Alexander Rabl arbeitet als Texter und Konzeptionist, gönnt sich zwischendurch Berichte über Restaurants, Wein, Reisen und kulinarische Angelegenheiten, und freut sich, an dieser Stelle Notizen alltäglicher Wahrnehmungen zu veröffentlichen.

Von Alexander Rabl