ISLAM UND STAAT

I

Religion und Gesetz

Die derzeitige ‚Islamdebatte‘ in den westlichen Ländern versinkt im Treibsand von willkürlichen Zitaten einschlägiger Textstellen der jeweiligen heiligen Schriften und der westlichen Projektion vom ‚Islam‘ als einer homogenen Religion, die vom ‚Islamismus‘ missbraucht wird. Das bringt weder irgendeinen Erkenntnisgewinn noch eine daraus abzuleitende Handlungsmaxime.

Eingangs ist daher zu definieren, was Islam sein kann, abseits des Streites um die Wortbedeutung ‚Friede‘ oder ‚Unterwerfung‘.

Islam beinhaltet die ursprüngliche, dem Menschen seit jeher von Allah zugedachte Daseinshaltung (so 30:30 und 4:125 im Koran): in unentwegter dankbarer Verehrung (das Gesicht) auf Allah ausgerichtet, den einen und einzigen Quell alles Seienden, der alles in jedem Augenblick des Seins nach seinem Ratschluss bestimmt, da Allah nach Erschaffung des Diesseits auf seinem Thron im Jenseits Platz genommen hat, um von dort sein Werk zu regieren (so die als ‚Thronvers‘ bekannte āyat(u)-l-kursī: 2:255).

Von einem die Religion Islam missbrauchenden Islamismus zu sprechen, ist irreführend. Besser definiert man Islam als individuelle Spiritualerfahrung, einen durch Riten und Symbole vermittelten Welterklärungsversuch und als eine direkt von Allah stammende, die ganze Existenz überformende Handlungsanweisung.

Diese Handlungsanweisung, welche die gesamte Anthropologie und Kosmologie umfasst und total vereinnahmt, enthält ein jederzeit aktivierbares Gewalt- und Konfliktpotential, das sich gleichermaßen gegen Nichtmuslime, Muslime anderer Glaubensrichtungen und säkular ausgerichtete Muslime richtet.

Sichtbar wird dieses Phänomen unter anderem am militant ausgerichteten salafistischen Islam von Al-Qaidah und Daesh, der unter jugendlichen Muslimen vermehrt an Anhängern gewinnt und seit Jahren die höchsten Zuwachsraten im Westen verzeichnet.

Die individuelle Spiritualerfahrung im persönlichen Rahmen der Ritenpraxis der ‚Fünf Pfeiler des Islam‘ ist weitgehend unproblematisch und mit der freiheitlich-pluralistischen westlichen Werteordnung vereinbar.

Die zwei Grundpfeiler der Scharia

Demgegenüber richtet sich die andere Ausformung des Islam gegen grundlegende Werte- und Normenstrukturen der westlichen Gesellschaften. Dazu gehört auch jene ideologisch aufgeladene Spielart des Islamismus, die als nationalistische Reformbewegung entstand nachdem Kemal Atatürk das Kalifat 1924 abgeschafft hatte.

Die Unvereinbarkeit mit westlichen Normen zeigt sich unter anderem im Bestreben, die gesamte Scharia einzuführen – als das von Allah den Menschen auferlegte Gesetz, welches diesen in Form des Koran und der nachkoranischen Prophetentradition, der Sunna, übergeben wurde. Dabei handelt es sich nicht nur um den religiösen Teil der Ritenpraxis (‚al-Ibadat‘), sondern auch unter anderem um Verträge, Rechtsbeziehungen und das Strafrecht (‚al-Muamalat‘).

Sowohl Koran als auch die Hadithen (‚Ahadith‘) der Sunna wurden von Allah an Muhammad übermittelt, wenn auch auf verschiedenen Wegen. Damit erhalten ‚die heiligen Quellen als die zwei Grundpfeiler der Scharia‘ eine ewige Geltung.

Für den daran glaubenden Muslim normiert dieses direkt auf Allah zurückzuführende System der Bewertung sämtlicher Lebensregeln auf der horizontalen Ebene die Beziehung zu Allah (al-Ibadat = Ritenausübung) und auf der vertikalen Ebene zu anderen Muslimen und Nicht-Muslimen (al-Muamalat = Verträge, Strafrecht, Familienrecht, Führung des Dschihad, Fremdenrecht).

Und das eben nicht nur in islamischen Ländern sondern vermehrt auch in den westlichen Diaspora Gemeinden. Nach dem Wunsch mancher islamischer Gruppen soll auch dort der rechtliche Teil der Scharia in Form angeblich religiös legitimierter ‚islamischer Sonderrechte‘ eingeführt werden.

Die damit einher gehende Sakralisierung der Alltagswelt verhindert die Integration und Assimilation der muslimischen Diasporagemeinden.

Integration und Assimilation

Zunächst müssen die Begriffe ‚Integration‘ und ‚Assimilation‘ definiert werden, die oft undifferenziert Verwendung finden, da Assimilation nach wissenschaftlicher Sichtweise im Idealfall der Integration folgen kann aber nicht muss.

Integration wird als generationenübergreifender, ergebnisoffener und einseitiger Prozess in Richtung auf die Aufnahmegesellschaft definiert, der über Spracherwerb (kognitive Assimilation), strukturelle Integration (Schule, Beruf) und soziale Integration (Kontakte zur Aufnahmegesellschaft) verläuft.

Als Ausdruck der Identifikation mit der Aufnahmegesellschaft mündet dieser Prozess idealerweise in der vollständigen Assimilation gläubiger muslimischer Menschen in die Aufnahmegesellschaft. Wobei unter Assimilation der Grad der Aufgabe oder Beibehaltung (oftmals hier revitalisierter und konservativ-orthodox gelebter) archaisch-patriarchalischer und religiöser Werte- und Normenstrukturen der Herkunftsgesellschaft zu verstehen ist.

Ich spreche hier ausdrücklich von „gläubigen muslimischen Menschen“, da ‚Muslim‘ per Definition nur einen Menschen meint, dessen Vater bei der Geburt Muslim war oder der konvertiert ist, uns aber nichts darüber aussagt, ob und in welchem Maße er gläubig ist oder nicht.

Vereinbarkeit von Religion und Staat

Uns interessiert hier aber die Vereinbarkeit von Religion und freiheitlichem, säkularen Staat, womit die vorgenannte soziale Kategorie eingeschränkt werden muss, weil nicht jeder Muslim auch gläubig ist.

Somit kann und soll ein Freiraum für die Ritenpraxis als Teil der Identitätsvergewisserung im privaten Raum verbleiben.

Gleichzeitig muss die Forderung durchgesetzt werden, dass sich das aus Sittengesetz und Aufklärung entwickelte geltende Normen- und Wertesystem anerkannt und befolgt wird, beispielsweise Geschlechtergleichheit und religiöser Pluralismus.

Auf Grundlage dieser – die Realität abbildenden – Neueinteilung kann man verschiedene Gruppen im Islam unterscheiden. Dabei sollte man aufgeben, von „den Muslimen“ zu sprechen, da dies nicht der gelebten Heterogenität von Glaubensausrichtungen in Österreich entspricht, und man diese mit der Dichotomie Islam und Islamismus nicht in den Griff bekommt.

Schon ein Prophetenwort prophezeite, dass sich die islamische Gemeinschaft in 73 Gruppen spalten wird, wobei nur eine der wahren Rechtleitung folgen wird, während die anderen dem Höllenfeuer anheim fallen werden.

Auch der Begriff des ‚Euro Islam‘ ist derzeit wenig hilfreich, da sich ein um wesentliche Teile der Scharia entkernter Islam als eigenständige Religionsausrichtung nur in einem inneren historischen Prozess entwickeln kann und nicht durch Social Engineering von außen. Ein solcher Islam würde in einer globalen Perspektive keinen Islam mehr darstellen, sondern etwas ganz Anderes, wofür derzeit keine Begrifflichkeit existiert.

Ein breites Spektrum

Das Spektrum „der Muslime“ reicht von Ex-Muslimen, gläubigen Muslimen über Kultur­muslimen und säkular ausgerichteten Muslimen bis zu Salafisten und Salafi Dschihadisten. Wobei Wien nach Einschätzung von Terrorismusexperten ein europäisches Zentrum des Salafi Dschihadismus darstellt.

Daher können auch die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) oder ATIB nicht für „die Muslime“ in Österreich sprechen und in deren Namen beständig Forderungen stellen.

Vielmehr ist zu hinterfragen, welche Rolle islamische Dachverbände und Moscheegemeinden spielen, die unterschiedliche gesellschaftliche Einheiten für sich vereinnahmen und als aggregierte Interessen- und Wertegemeinschaften am gesellschaftlichen und politischen Leben teilnehmen.

Auch Muslime haben, wie alle anderen religiösen Gruppen, das Recht auf das Hineinwirken in den öffentlichen Raum. Jedoch können ihnen keine religiös begründeten Sonderrechte als Angehörige einer Religionsgruppe zustehen.

Nach dem Diktum des ehemaligen Richters am deutschen Bundesverfassungsgericht Ernst-Wolfgang Böckenförde vom „Freiheitlichen säkularisierten Staat, der von Voraussetzungen lebt, die er selbst nicht garantieren kann“, besteht die Notwendigkeit einer wehrhaften Haltung dieses freiheitlichen Verfassungsstaates:

Besteht der berechtigte Verdacht, dass im Namen der Religionsfreiheit diese abgeschafft werden soll, so ist er „ungeachtet seiner Freiheitlichkeit und Offenheit gehalten, Barrieren zu errichten, die die Anhänger des Islam daran hindern, direkt oder indirekt aus der Minderheitsposition herauszutreten“.

Die Pflicht des Staates

Das hat nichts mit einer Stigmatisierung oder einem Generalverdacht gemein, sondern mit der selbstverständlichen Selbstverteidigung des säkularen, freiheitlich verfassten und wertepluralistisch ausgerichteten Staates.

Dieser hat jede Religion in einer Minderheitenposition zu belassen, wenn religiöse Sonderrechte eingefordert werden, welche die Grund- und Menschenrechte der Mehrheit einschränken und letzten Endes abschaffen wollen.

So etwa, wenn der Islam als eine totale und die ganze Existenz umfassende Handlungsanweisung verstanden wird, welche die Trennung von Staat und Religion nicht kennt, sondern ein Staatsmodell errichten will, in der das Gesetz der Scharia mit seinem universellen Regelungsanspruch in den privaten, sozialen, öffentlichen, kulturellen, politischen, rechtlichen und religiösen gesellschaftlichen Teilbereichen gelten soll.

Nun mehren sich die Anzeichen für das drohende Scheitern der Integration von Teilen der Nachkommen muslimischer Einwanderer. Was dazu führt, dass sich ein steigendes religiös-ethnisch-soziales Konfliktpotenzial zwischen der jeweiligen Aufnahmegesellschaft und den sich verfestigenden islamischen ‚Parallelgemeinschaften‘ aufbaut.

Bei gleich bleibender Entwicklung führt dieser Weg von einem propagierten Miteinander über das gewollte Nebeneinander zum Gegeneinander. Die Folge daraus wären die Fragmentierung des Gemeinwesens und die Auflösung der bisherigen Gesellschaftsordnung als normative Ordnung.

Eben dies wird derzeit von der türkisch-islamistischen AKP-Regierung innerhalb der europäischen Communities der Auslandstürken gefördert.

Hier steht der freiheitliche, säkularisierte Staat in der Pflicht, solchen Bestrebungen wirksam zu begegnen, da er nicht verpflichtet ist, an der geplanten Überwindung seiner Existenz mitzuwirken.

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Über den Autor / die Autorin

Thomas Tartsch

Thomas Tartsch, Dr. rer. Soc. und Dipl. Soz.-Wiss.
Seit über 15 Jahren verschiedene Tätigkeiten in den Bereichen Terrorism-Counterterrorism; Islamismus und Dschihadismus; Politikberatung; Vereinbarkeit von Islam und freiheitlichem, säkularisierten Staat.
Vertreter einer vermittelnden Position auf Grundlage des Konzeptes vom Weg der Mitte (at-Tariq al-Ausat).

1 comment

  • Auf den Punkt gebracht: im Koran wird die Welteroberung verlangt, mit Feuer und Schwert, mit Lügen und Unterdrückung, Ausbeutung, Versklvung und mit der Ermordung der Anders- und Nichtgläubigen. Wir können glücklich sein, dass es den Muslimen untersagt ist, den Koran zu lesen. Ausser sie lesen ihn in der Originalsprache, arabisch. So beziehen sie ihre Kenntnisse aus dem, was ihnen die religiösen Führer vortragen.
    Leider haben unsere politischen Führer den Koran auch nicht gelesen.
    „Wir erobern die ganze Welt: Afrika mit unseren Schwertern, den osten mit unseren Köpfen und Europa mit den Bäuchen unserer Frauen“
    Jetzt haben sie uns viele viele junge Männer geschickt. Die werden ihre Familien nachholen. Und auch ihre Frauen. So hat eine Million Menschen eine ungeheure Hebelwirkung. In kürzester Zeit Mal fünf und in 20 Jahren? – Alleine in D wird es dann mehr als 40 Millionen Muslime geben, in England, Frankreich und auch in Italien wird es wesentlich schlimmer werden.