GRIECHISCHE TRAGÖDIE

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Photo: Hanna Sörensson, CC BY-SA 2.0

Bankrott einer Olivenöl-Fabrik mit EU-Unterstützung

In Athen ist von einer Wirtschaftskrise in diesen Tagen nichts zu sehen. Bei Frühlingswetter wandern die Athener durch die Altstadt und die Einkaufsviertel und genießen ihre Cafés und Restaurants, bevor die Touristen die Kontrolle übernehmen.

Im eindrucksvollen Akropolis-Museum sitzen jetzt Schulkinder am Boden und lauschen den Erzählungen ihrer Lehrer. Fremdsprachige Reiseführer bieten Sonderkonditionen, da ihr Service kaum gebraucht wird. Athen gehört bis Ostern den Athenern.

Nach drei Stunden Autofahrt auf einer von EU-Geldern neu erbauten Autobahn erreicht man die Umgebung von Kalamata, mit 70 tausend Einwohnern die zweitgrößte Stadt des Peleponnes und Zentrum des Griechischen Olivenanbaus. Eine immergrüne, blühende hügelige Landschaft breitet sich vor einem aus mit Bildern, die an die Toskana erinnern.

Verlässt man die Autobahn, bieten Obststände mit Orangen, Erdbeeren und Wassermelonen an den Straßen ihre Waren an und allen paar Kilometer ein Café mit dem Griechischen Kaffee, halbsüß, süß oder ohne Zucker. Ein perfektes Paradies möchte man glauben, mit fruchtbarem Boden und einer Olivenqualität, die in der ganzen Welt geschätzt wird.

In der Nähe von Kalamata wird eine Olivenölfabrik zum Kauf angeboten. Die einst erfolgreiche Produktionsstätte mit mehr als zwei Millionen Liter im Jahr ist bankrott. Nennen wir sie K-Öl.

K-Öl ist im Eigentum einer Genossenschaft. 330 Bauern in der Umgebung der Fabrik, die jeder zwischen 5000 und 15 000 Olivenbäume haben, verpflichten sich, ihre Ware nur an die eigene Fabrik abzuliefern. In den wenigen Monaten der Olivenernte zwischen Herbst und Frühjahr arbeitetet K-Öl Tag und Nacht mit etwa 25 Mitarbeitern.

Für den Verkauf dieses hoch-qualitativen Olivenöls gibt es zwei Möglichkeiten. Die Ware in Tanks an Italienische Unternehmen zu versteigern, die es mit heimischen Produkten mischen und als Italienisches Öl am Markt anbieten. Oder in Flaschen abzufüllen und als eigenes Produkt an Großhändler zu liefern, die es weltweit verkaufen. Natürlich ist der Preis pro Liter extrem unterschiedlich.

Auftritt: EU

2011 kam das Management von K-Öl auf die grandiose Idee, EU-Gelder zu benutzen, um die Fabrik zu modernisieren. Ein Investitionsplan wurde ein Brüssel eingereicht und die EU bewilligte 55% der gesamten Finanzierung, die etwa 5 Millionen Euro ausmachte.

Das Management ließ sich bei den Generalversammlungen als Helden feiern, da sie doch der EU mehr als 2,8 Mill Euro ‚herausgerissen’ hatten, ohne jedoch den Genossenschaftsmitgliedern genau zu erklären, wo sie die restlichen 45% hernehmen würden. Das würde man schon irgendwie erledigen, war die übliche Antwort auf die wenigen sorgenvollen Anfragen.

Eine lokale Bank sprang dann wirklich ein und auch gleich wieder aus, als die Bankkrise wenige Monate später die Zahlungsunfähigkeit der Banken in Griechenland zur Folge hatte. Im Würgegriff aus Forderungen der Maschinenlieferanten und Forderungen der Banken (die das Geld früher zurückwollten) verkaufte das Management das Öl unter dem Marktpreis an Italiener, um möglichst schnell an Geld zu kommen.

Die Bauern bekommen einen gewissen Prozentsatz des verkauften Öls für ihre Oliven. Es gibt keinen Kilopreis für ihre Ware bei der Lieferung. Da sich jedoch der Preis von Olivenöl ständig erhöht je länger es gelagert wird, und den Oliven-Bauern ein Preis zugesagt wurde, der theoretisch erst nach einigen Wochen Lagerung erreicht werden kann, wurde die Schere zwischen Preis bei Sofortverkauf und des gelagerten Öls immer größer.

K-Öl hatte zuletzt Schulden bei den Maschinenlieferanten, den Banken und den eigenen Eigentümern in der Genossenschaft. Innerhalb weniger Jahre wurde aus einem gesunden Unternehmen durch zweifelhafte EU-Finanzierungen ein zahlungsunfähiges Unternehmen.

Für diesen Herbst haben die Bauern bereits angekündigt, der eigenen Fabrik keine Oliven mehr zu liefern, wenn die fehlenden Beträge nicht zurückgezahlt werden. Diese belaufen sich auf etwa 2 Mill Euro. Vor der Finanzierung der neuen Maschinen durch EU-Subventionen machte das Unternehmen eine Million Gewinn im Jahr, zahlte den Bauern einen fairen Preis, und die Arbeiter und das Management hatten eine sichere Arbeitsstelle.

Vorige Woche fand eine Generalversammlung der Genossenschaftsmitglieder statt. Man lud Investoren ein, nachdem die Eigentümer bereits vor ein paar Wochen beschlossen hatten, das Unternehmen zu verkaufen, allerdings ohne das Land und die Olivenbäume.

Die Übernahme war jedoch an eine Bedingung gebunden, ohne dass diese zuvor schriftlich kommuniziert wurde: mindestens ein Drittel der offenen Zahlungen an die Olivenlieferanten sollte in Form von Barzahlungen beglichen werden.

Trotz Erklärungen der potentiellen Käufer, dass dies in der heutigen EU nicht mehr möglich sei, beharrten die Bauern auf diesen Zahlungsmodus. Dann verabschiedeten sich die wenigen Investoren aus Italien, Deutschland und Österreich höflich und sagten ab.

Einer der Deutschen meinte beim Abschied, es werde vielleicht Zeit, dass Griechenland endlich in der EU auch ankomme.

Anmerkung des Herausgebers: Die ‚Pictures of America‘ kommen aus Amerika. Da sich unser Autor derzeit auf Reisen befindet, erscheinen die nächsten ‚Berichte aus dem Land der unbegrenzten Unmöglichkeiten‘ wieder am 7.4.

Über den Autor / die Autorin

Peter Sichrovsky

Klassische Dilettanten-Karriere, wenig von viel und viel von wenig zu wissen, zu können, nach Studium der Chemie Marketing in Pharmaindustrie, dann Journalist, Schriftsteller, Mit-Gründer des Standards, SZ/Stern Korrespondent in Asien, EU-Parlamentarier, die letzten zehn Jahre Industrie-Karriere in Süd-Ost-Asien, 23 mal übersiedelt und nach Wien, Berlin, New York, München, New Delhi, Singapur, Hong Kong, Manila, Los Angeles und Brüssel in Chicago gelandet. Seit September 2017 lebt Peter Sichrovsky in London.

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