GEFÖRDERTES KASSENGIFT

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Über die Effizienz der österreichischen Filmförderung

Von Helmut Grasser

Jährlich starten 50 bis 60 Filme mit österreichischem Ursprungszeugnis in den österreichischen Kinos. Das entspricht einem Anteil von 12- 15%, gemessen an der Gesamtanzahl aller Filme, die in Österreich in den Kinos anlaufen. Der Marktanteil österreichischer Filme beträgt, je nach Jahr, zwischen 2 und 5%.

Gesamt geben die Steuerzahler, weiblich wie männlich und die Gebührenzahlerinnen und Zahler des ORF über ÖFi/ORF/FFW/FISA und diverser Länderförderungen rund 50 Mio. Euro für die reine Herstellung von Kinofilmen aus. Damit liegt Österreich, gemessen an der Gesamtbevölkerung, im Spitzenfeld der Förderquote in der europäischen Union.

Sehen wir uns also das letzte Kinojahr (2016) an. Übrigens waren die vergangenen Jahre durchaus vergleichbar, im Erfolg.

Gesamt sind es wieder mindestens 50 Filme 2016. Gesamt erreichten alle 50 Filme, die 2016 in den öst. Kinos starteten rund 667.000 Besuche.

Der erfolgreichste Film, der 2016 gestartet wurde, war ein Kinderfilm (Wie Brüder im Wind, 150.700 Besuche), gefolgt von der Doku Bauer unser (84.000 Besuche). Auf Platz 3 und 4 liegen mit Toni Erdmann und Vor der Morgenröte zwei minoritäre Co-Produktionen, die mit österreichischer Identität, außer den beiden Schauspielern, eigentlich nicht so viel zu tun haben. Der erste österreichische Nichtkinder-Spielfilm folgt auf Platz 5 mit rund 45.000 Besuchen (Hotel Rock ’n’ Roll).

So weit, so schlecht. Der wahre Hammer folgt aber danach: Es folgen 37 (von 50) Filme, die unter 10.000 Besuche aufweisen. Und 29 der 50 Filme hatten nicht einmal 5.000 Besuche.

Nicht wenige der 50 Filme hatten übrigens gar keine messbaren Besuche. Ich versichere ihnen, es waren jeweils unter 1.000 Besuche. Sie wurden gar nicht bei Rentrak gemeldet, trotz Verleihförderung (wie geht das eigentlich?). Das war schon in den Vorjahren so. Diese Filme wurden bisher nicht erfasst, diesmal schon, so fern sie überhaupt irgendwo zu finden waren (Kinoprogramm, Werbung etc). Schon absurd, Filme die mit nicht wenig Steuergeld hergestellt werden, starten und niemand weiß davon.

Der Auslandsmarkt

Aber das Mantra bzw. die Selbstbeschwörung, lautet ja anders: Wir sind ja im Ausland so erfolgreich. Nur leider stimmt auch das nicht.

Laut der nie publizierten Studie von ›paul und collegen‹ – warum wurde die nie publiziert? Sie war nämlich ziemlich teuer, vom Ministerium in Auftrag gegeben, von den Steuerzahlern bezahlt, ich würde meinen, diese hätten ein Anrecht darauf – über die Erlössituation der österreichischen Kinofilme ergibt sich folgendes Bild:

Von 148 genau untersuchten Produktionen zwischen 2005 und 2011 konnten 109 Filme nicht einmal den Barmittelanteil (im Schnitt 6%) abdecken. Und zwar einschließlich der Österreicherlöse und aller Auslandserlöse. Das heißt mehr als zwei Drittel aller Filme »erwirtschafteten« nicht einmal Erlöse in der Höhe der ohnehin geringen Barmittel von durchschnittlich 6%.

Wovon leben die Firmen eigentlich? Die Anzahl der Co-Produktionen ging in den letzten Jahren, trotz FISA eigentlich ein Co-Produktionsfonds, massiv zurück. All das steht in diesen Studien (es sind zwei). Sie gehören Ihnen, Sie haben sie auch mit bezahlt.

Jetzt noch ein Argument, damit wir nicht nur ökonomisch, sondern auch kulturpolitisch reden. Nach den Untersuchungen der EU (Audiovisuelles Observatorium) ist in den allen Ländern mit Ausnahme Frankreichs der amerikanische Film am erfolgreichsten, gefolgt vom jeweils heimischen Film und zuletzt den europäischen Filmen, die statistisch gesehen leider so gut wie nie die Landesgrenzen überschreiten (von 302 Mio. Tickets für europäische Filme 2013 waren nur 84 Mio. Eintritte (26,2%) außerhalb ihres Heimmarktes).

Nur in wenigen Ländern wie z.B. Österreich, Bulgarien, Schweiz und Griechenland, weist der jeweils heimische Film noch weniger Besucher auf als der europäische Film.

In diesen Ländern, wo der heimische Film schwach ist, steigt nahezu proportional der Marktanteil amerikanischer Filme: z.B. Österreich 68,9%, Bulgarien 79,6%, Griechenland 77,6%.

Man kann daher die These vertreten, dass den Markt, den der jeweils heimische Film nicht besetzen kann, dem amerikanischen Film überlassen wird. Am Rande bemerkt haben die USA zu Hause 95,4 % Marktanteil.

Im Übrigen entfallen kumuliert 80% der Besucher außerhalb Europas auf französische und britische Filme!

Nun zum Erfolg:

Dieselbe Branche, die im Kino (bis auf rühmliche Ausnahmen) ihr Publikum nicht und nicht finden kann oder will, feiert im österreichischen Rundfunk einen Erfolg nach dem anderen.

Die meisten österreichischen TV-Movies sehen der Regel zwischen 600.000 und 900.000 Menschen. Die Serien ebenso. Die österreichischen TV-Filme und Serien werden im ORF in der Regel von 3 bis 5 Mal so vielen Menschen gesehen wie die – zumeist – US-Kaufware.

Zur Erinnerung: Im Jahr 2016 hatten alle 50 bei uns gestarteten Ö-Kinofilme zusammen 663.000 Kinobesuche.

Ein einziger Landkrimi liegt in der Regel bei über 700.000 Zuseherinnen und Zusehern – also mehr als hierzulande bei über 50 Filmen ins Kino gehen.

Aber auch in Deutschland sind unsere Filme ziemlich erfolgreich. Der von mir produzierte Landkrimi Steirerblut  erreichte bei der ARD-Erstausstrahlung 7 Mio. Zuseherinnen und Zuseher.

Warum also im TV so erfolgreich und im Kino so wenig?

Die Antwort ist wahrscheinlich ganz einfach: Im TV gibt es eine klare Verantwortung und Verantwortlichkeit und ein hohes Know-how bei den Entscheidungsträgern. Das würde ich mir für auch für den Kinofilm wünschen.

Was ist zu tun:

Eine deutliche, entschlossene Reform der Filmförderungen mit klaren Zielvorgaben.

Vor kurzem las ich in einer europäischen Filmzeitschrift ein Interview mit dem Direktor des dänischen Filminstituts. Er beklagte sich über den geringen Marktanteil des dänischen Films in Dänemark. 2016 waren es nur 21%. Normalerweise sind es knapp 30 %. Seine Schlussfolgerung: Wir müssen weniger, zum Teil auch größere Filme produzieren, die die Leute auch sehen wollen; diese bezahlen unsere Filme schließlich auch über ihre Steuern.

So ähnlich könnte man das auch man auch bei uns zusammenfassen. Produzieren und fördern wir nicht 50 Filme, sondern vielleicht 35.

Sorgen wir dafür, dass wenigstens 10 Filme im Jahr echte Chancen beim Publikum haben.

Wenn die richtige Entscheidungsstruktur vorhanden ist und richtig entschieden wird, dann werden auch 5 Filme wirklich im Kino funktionieren.

Diese ziehen dann viele andere, österreichische Filme, auch schwierige, mit. Ganz einfach weil´s dann cool ist.

Es ist an der Zeit, die nötigen Änderungen durchzuführen. So schwer ist das gar nicht.
Zu Tode gefürchtet, ist auch gestorben.

Aus meiner Rede bei der Diagonale 2017

Anmerkung des Herausgebers: Die in der Rede erwähnten Studien stehen auf Verlangen der Autoren nicht mehr zum Download zur Verfügung. Für Anfragen zu den Studien wenden Sie sich bitte an paul und collegen.


Über den Autor:

Helmut Grasser, 1961 in Klagenfurt geboren, produzierte mit seiner Filmproduktionsgesellschaft Allegro Film bis heute über 60 Filme. Viele davon feierten im In- und Ausland Erfolge, darunter die preisgekrönten Produktionen Die Wahlkämpfer, We Feed the World, More than honey und Das Finstere Tal.
Das Mitglied der European Film Academy war Mitglied der Auswahlkommission des Österreichischen Filminstitutes, Mitglied des Kuratoriums des Filmfonds Wien, Sprecher und Präsident des Verbandes Österreichischer Filmproduzenten (AAFP). 2009 hat Helmut Grasser gemeinsam mit anderen österreichischen Filmschaffenden die Akademie des Österreichischen Films gegründet. 2014 wurde ihm der Kulturpreis des Landes Kärnten verliehen.

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