DES BUCHMACHERS GLÜCK

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WM-Tagebuch, 13. Juli

Es gibt eine Gruppe von Personen, die aufgeatmet hatte, als England gegen Kroatien ausgeschieden ist. Die Buchmacher, also jene Personen oder Büros, die Wetten auf zukünftige Ergebnisse mit festen oder variablen Quoten anbieten, hatten extrem hohe Quoten auf eine mögliche Teilnahme Englands im Finale oder gar einen Sieg der WM angeboten. Hätte England am Ende gewonnen, wäre es zur größten Gewinnausschüttung in der Geschichte der britischen Wett-Industrie gekommen. Fachleute der Wettbüros schätzten den potentiellen Verlust der Unternehmen auf mindestens 150 Millionen Pfund.

Bei den konkreten Wetten auf ein genaues Ergebnis hätte es auch einen enormen Gewinn ergeben können, nämlich ein 0:0 im Finale und eine Niederlage Englands in der Verlängerung, da traditionell sehr wenig Personen auf ein Unentschieden tippen und auf ein 0:0 die allerwenigsten.

Vor Beginn der WM stand die einfache Quote ohne Tor-Ergebnis auf 18:1 gegen den Sieg Englands der Weltmeisterschaft. Bei »Fitzdares«, einem Wettbüro, das eher wohlhabende Kunden hat, investierten die meisten laut Aussage des Direktors William Woodham zwischen 5000 und 10000 Pfund auf Sieg von England. Das hätte eine Auszahlung ergeben, die für das Unternehmen nicht leicht zu bewältigen gewesen wäre. Sie hätten die Wetten nur deshalb angenommen, weil vor der WM die Mehrheit der Fachleute daran zweifelte, dass England überhaupt die Gruppe überleben würde.

Auch auf die Auswahl der Teams, die am Finale teilnehmen würden, konnte gewettet werden und das Ausscheiden so mancher Favoriten wie Argentinien, Brasilien und Deutschland war ein Segen für die Wettbüros, da ein Endspiel Kroatien gegen Frankreich nur wenige erwartet hatten.

Lee Price vom Wettbüro »Paddy Power« sagte in einem Interview mit der Times, dass die WM in Russland insgesamt ein Ereignis mit mehr Wetten als alle Sportereignisse in der Vergangenheit sei. Auch das unerwartete Endspiel motiviere Tausende, nur für dieses eine Spiel ihr Geld zu riskieren, wobei es alle Möglichkeiten gäbe, sogar noch während des Spieles einzusteigen. Man könne auf den Sieger, auf das Ergebnis, auf die Anzahl der Tore, ob sie in der ersten oder zweiten Hälfte erzielt werden und auf den Torschützen wetten.

Derzeit stehen die Wetten für das Finale bei 5/11 für Frankreich bei einem Büro, während die meisten anderen 4/9 anbieten. Bei Kroatien sind die Angebote eher umgekehrt. Sie liegen bei 7/4 bei den meisten, einer bietet 23/11 und einer 24/13 an. Bei den Spielern, die die meisten Tore erzielen könnten führt Kane vor Lukaku und Griezmann, wobei die Quote bei Griezmann 34 mal höher ist als bei Kane. Also auch hier sind enorme Unterschiede bei den möglichen Gewinnen (und Verlusten).

Als Nummer eins für den »Golden Ball Award« führt Mbappe vor Madric und Griezmann. Hier liegt der Unterschied zwischen Nummer eins und Nummer drei beim Zehnfachen des möglichen Gewinns. Man kann sich beim Wetten jedoch auch auf ein einziges Team konzentrieren, zum Beispiel welcher Spieler im belgischen Team die meisten Tore erzielen wird. Hier liegt die Quote für Lukaku bei nur 1.03, bei De Bruyne jedoch bei 201.

Wem die Ergebnisse der Spiele zu langweilig sind, kann bei den britischen Wettbüros auch ganz andere Wetten riskieren. Ein Unternehmen bot vor dem Beginn der WM eine Quote von 2500/1 an, wenn Gareth Southgate, der englische Trainer, nach dem Tournier zum Ritter geschlagen werden würde. Im Laufe der WM fiel jedoch die Quote auf 6/4. Mit der Gewinnchance von 6/1 kann man die Wette eingehen, dass in den nächsten 12 Monaten Gareth der beliebteste männliche Vornamen sein wird. Harry bleibt jedoch die Nummer eins mit 5/6.

Wetten ist zwar ein britischer Nationalsport, international gesehen laufen sie jedoch unter »ferner liefen«. Mit Abstand die größten »Verlierer« sind die USA vor China und Japan. Unter den Europäern liegt Italien an erster Stelle vor den Briten und den Deutschen. Bezogen auf die Bevölkerung verloren die einzelnen Bewohner von Australien am meisten, gefolgt von Singapur und Irland.

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Über den Autor / die Autorin

Peter Sichrovsky

Klassische Dilettanten-Karriere, wenig von viel und viel von wenig zu wissen, zu können, nach Studium der Chemie Marketing in Pharmaindustrie, dann Journalist, Schriftsteller, Mit-Gründer des Standards, SZ/Stern Korrespondent in Asien, EU-Parlamentarier, die letzten zehn Jahre Industrie-Karriere in Süd-Ost-Asien, 23 mal übersiedelt und nach Wien, Berlin, New York, München, New Delhi, Singapur, Hong Kong, Manila, Los Angeles und Brüssel in Chicago gelandet. Seit September 2017 lebt Peter Sichrovsky in London.

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