DEPP ODER MACHO?

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Der Hakan ist ein Oaschloch

Wenn Dich Deine 15-jährige Tochter um Mitternacht heulend und mit alkoholbedingtem Zungenschlag anruft, weil sie von einer Party abgeholt werden will, dann holst Du sie ab. Dann sagst Du der Dame vom Funk, die Dir gerade einen Auftrag erteilen will, sorry, aber ich hab was am Herd stehen und muss los.

Du kannst Deine Tochter immer noch enterben, aber Du startest ohne zu zögern den Wagen und klaubst das Mädel auf. Wozu gibt’s schließlich eigene Taxispuren in Wien, wenn nicht für solche Notfälle.

Als ich an der Adresse, die mir ins Handy geschluchzt wurde, ankomme, steht Mimi schon vorm Haus. Mit der tränenverschmierten Wimperntusche um die Augen schaut das Kind aus wie ein aufgebrachtes Pandaweibchen. „Steig ein, Dušo“ sag ich, was „Schatzi“ auf serbisch bedeutet.

Normalerweise protestiert sie gegen den Kosenamen, aber im Moment hat Mimi scheinbar andere Sorgen. „Weiß die Mama, dass Du um diese Zeit unterwegs bist?“ frag ich sie, und kriege wie erwartet keine Antwort. Sagen wir es so: Sich um den Nachwuchs zu kümmern stand auf der Prioritätenliste meiner Ex noch nie ganz oben.

„Der Hakan ist ein Oaschloch“, piepst es nun von der Rückbank. „Na geh, erzähl mir was Neues“, würde ich am liebsten erwidern.

Mich nerven diese kaum volljährigen Türken, die mit ihrem BMW über die Ottakringerstraße brettern und sich in den Discos der Balkanmeile prügeln. Die die Halbmond-Fahne beim Fenster raushängen, Österreich scheiße finden, und schlechter Deutsch sprechen als mein Vater in den 70ern, bei der Ankunft am Südbahnhof.

Der Boxclub ist eine Moschee

Hakan ist so ein Typ, und das schlimmste: er ist der Freund meiner Tochter. Als könne Mimi meine Gedanken lesen sagt sie: „Ich weiß eh, Du magst ihn nicht, Papa. Aber so extrem ungechillt ist er erst, seitdem er in diesen Boxclub geht. Auf der Party gerade hat Hakan mich Hure genannt und ist total ausgerastet.“

Ich merke, wie meine Zornesader auf der Stirn anschwillt. „…Weil ich mit einem Burschen aus meiner Klasse getanzt habe. Und Alk getrunken. Alles haram.“

„Boxclub“? frage ich, „trainiert er dort das deppat sein, oder was?“ „Naja, der Boxclub ist eigentlich auch eine Moschee“, klärt mich die Tochter auf: „zuerst boxen – dann wird gebetet. Hakan hat erzählt, dass die da voll nett sind. Mit denen kann er reden, zuhause hört ihm niemand zu. Die sagen auch, was ein guter Moslem macht, und was nicht.“

„Boxen und beten, na super“, seufze ich. Und denke: Was für ein cleverer Schachzug, um orientierungslose Trotteln zu rekrutieren. „Religion ist Opium fürs Volk, Dušo“. Das Fragezeichen ist körperlich spürbar, darum setze ich nach: „Sisha für Deppen, sozusagen“.

„Geh Papa, vielleicht ist er nicht ganz ein Depp, sondern nur ein Macho.“ „Und wo ist der Unterschied, Mimi?“ Sie lacht.

Im Stillen nehme ich mir vor, diesem Hakan demnächst eine Abreibung zu verpassen. Meine Prinzessin nennt niemand eine Hure. Da bin ich ein Macho.

Über den Autor / die Autorin

Walter Vukovic

Walter „Wukkerl“ Vuković, 44, ist Taxifahrer. Mitten in Wien und zwischen den Welten. Wukkerl hat Migrations-Hintergrund (Vater aus Serbien, in den 70ern als Gastarbeiter nach Wien gekommen, Mutter Österreicherin), ist geschieden und Vater einer Tochter (15).

Von Walter Vukovic