BLACK ANTISEMITISM

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Photo: Johnny Silvercloud, CC BY-SA 2.0

Judenhass der Schwarzen und Latinos in den USA

Fast erlösend berichteten Europas Medien über den Anstieg des Antisemitismus in den USA nach Trumps Wahlsieg, als sei man jetzt nicht mehr alleine auf dieser Seite des Flusses. Der typisch weiße Rassist, dessen Vorurteile, Verachtung und Hass vor niemandem haltmacht, jetzt auch nicht mehr vor Juden, die sich doch so sicher fühlten – bis zur Wahl Trumps.

Die einzelnen Beiträge, vor allem auch in den alpenländischen Medien, erinnerten an den Satz von Karls Kraus: Journalismus ist, wenn ein Jud vom anderen abschreibt. Das war während seiner Zeit, heute schreibt scheinbar ein Nicht-Jud vom anderen ab. Dabei ist Recherche so einfach wie nie zuvor.

Ein paar Fakten

Nach einer Studie der ADL (Anti Defamation League) aus dem Jahr 2014 haben ca. 12 Prozent der Amerikaner Vorurteile gegen Juden. Ein gewaltiger Unterschied zu Europa, vor allem Österreich, wo die Werte je nach Untersuchung zwischen 30 und 40% der Bevölkerung liegen.

Der Vergleich verschiedener Bevölkerungsgruppen in Amerika zeigt extreme Unterschiede, die den Gesamt-Durchschnitt wenig aussagekräftig machen. Unter Schwarzen und Latinos liegt der Antisemitismus bei 30%. Übertragen auf deren Anteil in der Bevölkerung bedeutet dies, dass von den 12% Antisemiten in den USA 9% Schwarze oder Latinos sind und nur 3% Weiße. Addiert man zu den Weißen noch Asiaten und andere ‚Nicht-Schwarze/Latinos’ erhöht sich der Wert geringfügig auf etwa 5% der Bevölkerung und zeigt den großen Unterschied zwischen Schwarzen/Latinos und dem ‚Rest’ Amerikas.

Abe Foxman, ehemaliger Präsident der ADL kritisierte während seiner aktiven Zeit wiederholt das Verhalten vor allem der Demokraten, die immer wieder auf den Antisemitismus der radikalen Christen verwiesen – ignorierten jedoch sowohl den Judenhass unter Afro-Amerikanern/Latinos als auch das Schweigen der politischen Vertreter dieser Gruppen.

Eine lange Geschichte des ‚schwarzen’ Rassismus

Schon in den 20iger Jahren des vorigen Jahrhunderts, während der ‚Buy-Black’ Bewegung in New York, richtete sich die Wut der schwarzen Aktivisten gegen Jüdische Geschäfte. Marcus Garvey, einer der Initiatoren der Bewegung, lobte später den Terror der Nazis gegen Juden und sprach voller Bewunderung über Adolf Hitler.

Der schwarze Schriftsteller James Baldwin verglich 1948 die Leiden der Schwarzen in Georgia unter der Herrschaft der weißen Farmer mit dem Rassismus der Juden in Harlem gegen Afro-Amerikaner. Er forderte Organisationen auf – die sich für die Beendigung der Diskriminierung der Schwarzen einsetzten – kein Geld von Juden anzunehmen, da diese nur ihr ‚schlechtes Gewissen’ freikaufen wollten.

Malcom X, einer der prominentesten Vertreter der Schwarzen in den USA, war einer der aggressivsten Antisemiten. Bei Treffen mit Vertretern des Klu Klux Klans behauptete er immer wieder, dass die Juden der eigentliche Grund für die Rassen-Probleme in den USA seien.

Während des ‚Schul-Streiks’ in New York 1968 richtete sich die Wut der Initiatoren gegen jüdische Lehrer, die als Middle-East murderers of colored people bezeichnet wurden. Der New Yorker Professor Leonard Jeffries durfte unbehelligt von Universitäts-Administration und Stadtverwaltung jahrelang lehren, dass „reiche Juden, die Europa aufgebaut hatten, den Sklavenhandel finanzierten und mit der übermäßigen Übertreibung des Holocaust davon ablenken wollten”. Jüdische Kollegen, die ihn kritisierten, bezeichnete er als „aalglatt, teuflisch, heimtückisch und schmutzig”.

Ein weiteres prominentes Beispiel ist Jesse Jackson, der 1984 in einem Interview mit der Washington Post New York als ‚Hymietown’ bezeichnete, auf das antisemitische Schimpfwort ‚Hymies’ verweisend. Jackson war allerdings auch einer der wenigen Politiker unter den Afro-Amerikanern, der sich später für diese Ausfälle entschuldigte.

1991 kam es nach einem Autounfall, bei dem ein schwarzer Jugendlicher in einem jüdischen Wohnviertel in New York getötet wurde, zu gewaltsamen Demonstrationen gegen orthodoxe Juden – unter Anführung des schwarzen Aktivisten Al Sharpton. Yankel Rosenbaum, ein Student einer Rabbinerschule, der nichts mit dem Unfall zu tun hatte, wurde von wütenden Demonstranten erschlagen.

Sharpton war gemeinsam mit Morris Powell vier Jahre später der Initiator einer Massenhysterie in Harlem, die sich gegen den jüdischen Besitzer eines Textilgeschäfts richtete. Der Betreiber des ‚Freddys Fashion Mart’ wurde als „one of the greedy Jewish bastards, who are killing our black people” bezeichnet. Einer der Demonstranten stürmte das Textilgeschäft, erschoss drei Kunden, die sich zufällig im Laden aufhielten, und zündete das Geschäft an. Sieben schwarze Angestellte wurden durch das Feuer getötet.

Malik Zulu Shabazz, der Sprecher der Organisation ‚Nation of Islam’ (einer religiösen Organisation der Afro-Amerikaner) verbreitete nach den 9/11-Anschlägen in New York die Theorie, dass diese von Juden geplant wurden, die ihre ‚Glaubens-Brüder/Schwestern’ rechtzeitig warnten, an diesem Tag nicht zur Arbeit zu erscheinen. 2002 forderte er in einem seiner Intelligenzausbrüche: „Kill every goddamn Zionist in Israel! Goddamn little babies, goddamn old ladies! Blow up Zionist supermarkets!”

Weitere Aussprüche von Vertretern der ‘Nation of Islam’:

2006 Amir Abdel Malik-Ali: „Juden sind die neuen Nazis! Eure Tage sind gezählt! Wir werden euch besiegen!”

Farrakhan, der Nachfolger von Malcom X, bezeichnete das Judentum wiederholt als „schmutzige Religion”. Seine ‚rechte Hand’ Khalid Abdul Muhammed steigerte den Schwachsinn mit dem Statement: „Everybody always talk about Hitler exterminating six million Jews. But don’t nobody ever ask what they did to Hitler. They went in there, in Germany, the way they do everywhere they go, and they supplanted (verdrängen), they usurped (eindringen), they had undermined the very fabric of society…”

Quanell X: ”I say to Jewish America – get ready, knuckle up, put your boots on, because we are ready and the war is going down. Black youth do not want relationship with the Jewish community. All you Jews can go straight to hell!” 

Reverend Jeremiah Wright, der Barack Obama während dessen Zeit in Chicago betreute, antwortete 2009 in einem Interview auf die Frage, ob er seit der Wahl Obamas zum Präsidenten mit ihm gesprochen habe: „Them Jews aren’t going to let him talk to me..they will not let him talk to somebody who calls a spade what it is.” 

»Dankbarkeit ist eine Hundekrankheit.«

Dieser zynische Satz von Stalin hat definitiv seine Berechtigung bei der Beschreibung des Verhaltens vieler Afro-Amerikaner nach der jahrelangen Unterstützung ihres Kampfes gegen Diskriminierung durch Jüdische Persönlichkeiten und Organisationen. In den Büchern ‚What went Wrong?‘ von Murray Friedmans und ‚Blacks and Jews‘ von Paul Berman dokumentieren beide Autoren das massive Engagement einzelner Juden und Jüdischer Organisationen auf der Seite der Schwarzen.

Als in den 1950er und beginnenden 1960er Jahren Demonstranten die Sitzordnung in den städtischen Bussen bewusst störten, und sich Weiße und Schwarze in die verbotenen Zonen setzten, waren unter den Weißen etwa zwei Drittel Juden. Das Projekt ‚Mississipi Summer’, bei dem Freiwillige 1964 Dutzende Büros in den Wohnvierteln der Schwarzen eröffneten, um sie als Wähler zu registrieren, wurde von Allard Loewenstein (einem Juden) ins Leben gerufen.

50 bis 70 Prozent der Spenden für die Selbsthilfegruppen der schwarzen Bevölkerung kamen von jüdischen Organisationen. Der Direktor der Leadership Conference for Civil Rights, einer Dachorganisation, die die einzelnen lokalen Gruppen untereinander koordinierte, war jahrelang Arnold Aronson, ein Vertreter der National Jewish Community.

Neid und Eifersucht?

Warum also dieses extrem antisemitische Verhalten in der schwarzen Bevölkerung? Dazu gibt es viele Theorien und wenig überzeugende Erklärungen. Der Erfolg der jüdischen Minderheit in den USA wurde ihr nicht am Silbertablett serviert. Tatsache ist, dass viele Vorfahren der heute erfolgreichen jüdischen Familien unter schrecklichen Bedingungen in Ost-Europa und Russland lebten, Amerika ohne Geld, ohne Englisch-Kenntnisse und ohne Bildung erreichten und in den ersten Jahren von der etablierten Gesellschaft selbst wie Sklaven behandelt wurden. Doch sie nutzten die Chancen, die Möglichkeiten und Freiheiten der neuen Heimat, sparten jeden Cent, um ihren Kindern eine Ausbildung zu finanzieren, und nirgends in der Diaspora waren Juden so erfolgreich wie in Amerika.

Ob das eines Tages von der schwarzen Bevölkerung als Chance erkannt wird, wie von den Einwanderern aus Asien, die nach den Juden kamen, statt mit Eifersucht, Neid und Hass zu reagieren? Abwarten und Tee trinken, würden die Briten sagen…

Über den Autor / die Autorin

Peter Sichrovsky

Klassische Dilettanten-Karriere, wenig von viel und viel von wenig zu wissen, zu können, nach Studium der Chemie Marketing in Pharmaindustrie, dann Journalist, Schriftsteller, Mit-Gründer des Standards, SZ/Stern Korrespondent in Asien, EU-Parlamentarier, die letzten zehn Jahre Industrie-Karriere in Süd-Ost-Asien, 23 mal übersiedelt und nach Wien, Berlin, New York, München, New Delhi, Singapur, Hong Kong, Manila, Los Angeles und Brüssel in Chicago gelandet. Seit September 2017 lebt Peter Sichrovsky in London.

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