SO POOR

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Wie es zu sowas kommt.

Vor ein paar Tagen in der Redaktion von Willkommen Österreich.

„Das ist ein Superjob. Da kannst du dich beweisen.“
„Aber ich bin bloß Praktikant.“
„Vollkommen easy. Du musst nicht viel tun. Bilder von Haider, Schwarzenegger, Fritzl …“
„Fritzl?“
„Ja, das wird sicher lustig. Trump dated seine Tochter, Fritzl dated seine Tochter.“
„Das soll lustig sein?“
„Den Rest kupferst du einfach. Den Gag mit dem zweiten Weltkrieg von den Deutschen. Trumps kleine Hände von den Dänen. Okay, mach aus den Händen Finger. Haha. So groß wie Ihre Finger. Ich lach mich tot. Wenn der Gag nicht zündet, was dann?“
„Ich hab so was noch nie gemacht.“
„Es ist für jeden ein erstes Mal. Wenn das Video gut wird, und ich werde berühmt, dann kriegst du eine Anstellung. Dann gibt es auch Geld.“
„Eine Anstellung?“
„Ja, so in fünf Jahren …“

So könnte das Video „Austria Second“ entstanden sein, eine Zurschaustellung des Unvermögens. Die Vorgabe ist ein Filmchen aus Holland, den „Netherlands“, eine schöne Satire auf Donald Trump und seine Ignoranz Europas, gespickt mit Seitenhieben, Geschichten und Bildern des eigenen Landes.

Der Schmäh ist mittlerweile durch, ist anzunehmen: „America First.“ Aber, wenn geht: „Netherlands Second“. Jeder, der das Video sieht, muss lachen, selbst wenn er über die Verhältnisse in Holland überhaupt nicht informiert ist. Die Gags sind einfach gut plaziert, durchdacht, die Pointen zünden. Es folgten Nachahmer aus Dänemark (recht gut), Schweiz (sehr okay) und Deutschland (überraschend gut).

Fritzl und Weltkrieg

Am Dienstag Abend präsentierte „Willkommen Österreich“ das Video „Austria Second“. Was ist dazu zu sagen? Satire ist große Kunst, sie eine Art feinmechanische quasi uhrwerksähnliche Abstimmung aller Elemente Inhalt, Bild, Musik, Text, und Sprache. Erfunden haben’s die Engländer, perfektioniert die Amerikaner. Die Gagschreiber der deutschen Harald Schmid-Show haben nicht schlecht verdient, die konnten das auch sehr gut. Die Leute bei „Willkommen Österreich“ können es nicht.

Das Video ist voll von selbstreferenziellen Halbwitzen, verlaufend unter der Gürtellinie (Fritzl), gebacken wie der Vergleich Cabalier-Elvis und über weite Strecken klischeehafte Witzchen wie in jedem Maturantenkabarett. (Weltkrieg, Trumps kleiner Finger, Austria versus Australia). Wenn die gekupferten Gags wenigstens gut gekupfert wären.

Nicht befreiendes Lachen, sondern Mitleid und Ärger sind es dann, die sich zu einer österreichischen Melange vermengen, wenn man dieses Stückchen Film ansieht, das wie eine klischeehafte Fremdenverkehrswerbung beginnt und ein paar Bilder und Witzchen später in ein schmähstades Österreich-Bashing abdriftet wie ein Schirennläufer, der von der Spur abkommt und in den Netzen am Pistenrand strandet.

Unlustige Nabelschau

Ärger erweckt der immer gleiche Blick in heimatliche Eingeweide, ohne die eine österreichische „Satire“-Sendung nicht auszukommen scheint und mit dem bereits ein Schweizer Betrachter wenig anfangen kann. „Refugees Welcome“ am Bahnhof, Türkenbelagerung, autochthone Riten und Watschentänze. Was böse gemeint ist, kommt einfach nur tief daher („Fucking“, „Assling“, „Fut“). Statt feiner Klinge ein grober Taschenfeitl.

Wo Deutschland, Holland oder der Schweiz liebenswert-bösartige Miniaturen gelungen sind, scheitern die Österreicher mit einer Nabelschau, die im Ausland kaum jemand, im Inland nur wenige lustig finden werden – von den Gagschreibern des ORF abgesehen, die hier eine Gelegenheit fanden, ihren politischen Befindlichkeiten Ausdruck zu verleihen. Satire darf alles, kann alles, heißt es und muss es heißen. Dabei darf eines nicht vergessen werden: Satire muss man können.

„Und? Krieg ich jetzt die Anstellung?“
„Reden wir später.“
„Aber du hast gesagt …“
„Was anderes: Ich hätte einen tollen Job für dich. Die suchen gute Leute.“
„Sag’s.“
„Kundenbetreuer bei der GIS.“

Über den Autor / die Autorin

Alexander Rabl

Alexander Rabl arbeitet als Texter und Konzeptionist, gönnt sich zwischendurch Berichte über Restaurants, Wein, Reisen und kulinarische Angelegenheiten, und freut sich, an dieser Stelle Notizen alltäglicher Wahrnehmungen zu veröffentlichen.

Von Alexander Rabl