Ein gescheitertes Buch
Hans Rauscher, Kolumnist der Zeitung ‚Der Standard’ hat ein Buch geschrieben. Der Titel ist etwas verwirrend: Was gesagt werden muss, aber nicht gesagt werden darf.
Hans Rauscher ist ein Viel-Schreiber. Kein Journalist (auch außerhalb Österreichs) hat so viel Platz in einer Zeitung wie Rauscher im Standard. Innerhalb einer Woche schrieb er über Christenverfolgung, United Airline, Jerusalem, Frauenfeindlichkeit, SPÖ, Sehnsucht nach ‚Starken Führern’, Brexit und gleich mehrere Kommentare zur Türkei; wahrscheinlich habe ich noch ein paar übersehen. Dennoch, trotz der zahlreichen Wortmeldungen muss (laut Buchtitel) etwas gesagt werden, das aber nicht gesagt werden darf. Um das noch bildlich zu unterstreichen, sind auf dem Buch-Cover schwarze Balken, die reihenweise Texte unleserlich machen.
Was gesagt werden muss
Wenn der erste Teil des Titels zutrifft und sich auf den Inhalt des Buches bezieht, bedeutet es, dass in diesem Buch veröffentlicht wurde, was gesagt werden musste. Und hier im eigenen Buch konnte es auch niemand verhindern. Dafür sollte man als Leser dankbar sein. Wer lebt schon gerne in einer Welt, in der das, was gesagt/geschrieben werden muss, nie den Leser erreicht.
Aber nicht gesagt werden darf
Beim zweiten Teil des Titels wird es komplizierter. Er gleicht einer Gleichung mit zwei Unbekannten. Was immer das Gesagt-werden-musste sein soll, kann man nur erraten. Auch wer das verhindert, kann nur vermutet werden.
Im Vorabdruck eines der Kapitel geht es um Frauenfeindlichkeit. Ein Neuer Krieg gegen Frauen wird hier angekündigt. Es geht es um Diffamierungen und Drohungen gegen Frauen, die sich für Flüchtlinge einsetzen, gegen die Grün-Chefin, gegen Mitarbeiterinnen in den Medien. Alles Tatsächlichkeiten, gut dokumentiert im Internet und nachlesbar in verschiedensten Medien.
Dann kommt Trump an die Reihe. Wieder eine Aufzählung tausende Male wiederholter Vorwürfe, dann Putin, dann die Türkei und Zitate aus Studien über ungerechte Verteilung von Positionen in Politik und Wirtschaft und die Unterschiede bei Gehältern.
Dazwischen ein paar Zeilen über die Ereignisse während der Silvesternachtacht 2016 in Köln. Und hier scheitert der Autor und damit das ganze Buch. Das einzige Ereignis, das den Buchtitel rechtfertigen würde, ist das Verhalten der Medien (inklusive jenes, wo der Autor arbeitet) nach den sexuellen Übergriffen in Köln. Hier passierte genau das: Was gesagt werden muss, aber nicht gesagt werden darf!
‚Staberl für Maturanten‘
In einem Interview mit dem Falter beklagt Rauscher das Meinungsdiktat in Österreich und meint damit offensichtlich die KRONE. Den einzigen Widerstand würden laut Rauscher Standard, Kurier, Kleine Zeitung, Profil, Falter und Teile des ORF leisten. Seine wirklichen Konkurrenten – Salzburger Nachrichten und Presse – stellt er von seinen Niveauansprüchen her neben die KRONE und verweigert den Vergleich. Eine Analyse der Texte einzelner Resorts zeigt jedoch die Ähnlichkeiten auch zwischen KRONE und Standard. Internationale Berichte, besonders über die USA und die Bewertung der Trump-Regierung zum Beispiel sind in beiden Medien austauschbar.
Bleiben die Innenpolitik und die Flüchtlingsfrage, in der sich Rauscher als antifaschistischer Fels in der Brandung präsentiert. Kaum ein Beitrag über rechte Parteien, Rechts-Populismus, kritische Haltungen zur Asylfrage etc., in denen nicht Anspielungen und Vergleiche mit Nationalsozialismus und Faschismus vorkommen. Godwin’s Law über den Faschismus-Vorwurf aus Mangel an überzeugenden Argumenten passt perfekt auf Rauschers Kommentare.
Eine Analyse seiner Beiträge zeigt auch andere Probleme. Oft hingefetzte, zusammenhanglose Aufzählungen von bereits Veröffentlichtem in anderen Medien (meist internationalen Zeitungen in der Hoffnung, dass sie der Standard-Leser nicht kennt) lassen den Schluss zu, dass dies oft in letzter Minute vor Blattschluss noch schnell die Druckereien erreichen muss. Eine Korrektur durch die Chefredaktion scheint es nicht zu geben. Geschickt spricht er aktuelle Themen an, die oft heftige Reaktion auslösen und die notwendige ‚likes’ oder ‚dislikes’ provozieren, nach denen der Wert eines Kolumnisten heute gemessen wird. Bösartige Zungen bezeichnen ihn als den ‚Staberl für Maturanten’, in Anspielung auf den ehemaligen, äußerst populären Kolumnisten der KRONE.
Dennoch, bei aller Kritik ist Hans Rauscher ein wichtiger Teil der Österreichischen Medienkultur – wenn er nur ein bisschen weniger schreiben würde…