POLITIK PER KASSABON

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Ein Konzern macht Politik

Das Ganze kommt einige Monate zu spät. Denn den etwa 500.000 Unterschreibern eines Volksbegehrens gegen Handelsverträge ist Donald Trump, die neue Leitfigur der Nationalisten, bereits zuvor gekommen. America First ist sein Motto. Die Mauern hoch seine Methode.

Freihandel scheint ihm so verhasst zu sein wie Obamacare, das Establishment in Washington oder korrekt gebundene Krawatten (Trumps Krawatten sind immer einen Tick zu lang. Schon aufgefallen?). Was zumindest den Freihandelsvertrag mit den USA betrifft, gleicht das Ergebnis des Volksbegehrens also einem Kunden, der in ein Geschäft geht und sagt: „Ich kaufe das nicht“, worauf der Verkäufer sagt: „Hier ist auch nichts zu verkaufen.“

Doch darum soll es hier nicht gehen, sondern um die Kassazettel eines am österreichischen Lebensmittelmarkt stark verankerten Konzerns, der mit dem Namen „Spar“ suggeriert, die Kunden bekämen es besonders günstig dort. Auf dem Kassazettel stand während der vergangenen Wochen nämlich Folgendes zu lesen: „Wollen Sie unsere hohen Lebensmittelstandards schützen? Dann unterschreiben Sie das Volksbegehren gegen TTIP, CETA und TiSA.“

Das stand da, und warf die Frage auf, ob es sich beim Handelsriesen etwa neuerdings um eine Non-Gouvernment-Organisation wie Global 2000 oder um eine politische Partei wie die Grünen handelte. Man gibt „Spar“ bei Google ein und findet aber keine Organisation dieses Namens, dafür eine Menge an Werbung mit der Moderatorin Mirjam Weichselbraun, die in schlecht montierten Bildern in einem Studiodschungel nach Angeboten sucht.

Spar ist also der Meinung, die hohen Lebensmittelstandards in Österreich müssten geschützt werden. An sich eine These, der man wenig entgegenhalten möchte. Welche Unternehmungen startet das Unternehmen noch, um dieses Ziel zu erreichen?

 Die Lebensmittelhandel-Oligopolisten

Zuletzt war vornehmlich von Kartellabsprachen die Rede, auch zu lesen von Verurteilungen zu beträchtlichen Strafzahlungen. Handelt es sich um einen Tippfehler und geht es dem Konzern gar nicht um die Lebensmittelstandards, sondern um die Preisstandards, die in ihrer Höhe den Österreichern zu bewahren sind?

Wie würde eine Unterschriftenaktion zur Bewahrung des Preisniveaus im österreichischen Lebensmittelhandel (liegt deutlich über Deutschland, wird gerne mit der alpinen Topografie des Landes argumentiert) ankommen? 500.000 Unterschriften, vielleicht sogar mehr. Oder doch weniger?

Wie man weiß, sind die Österreicher ihren Lebensmittelhandels-Oligopolisten Spar und Rewe herzlich verbunden. In keinem Stadtzentrum eines anderen europäischen Landes finden sich viele gut ausgebaute Filialen von Supermärkten wie in der Wiener Innenstadt. Die Nahversorgung ist tatsächlich flächendeckend.

An Kapital, sich die hohen Innenstadtmieten zu leisten, kann es Rewe und Spar nicht mangeln. Leicht verdientes Geld, wenn Bauern und Produzenten die geballte Marktkraft eines der wenigen Abnehmer entgegentritt. Dass sich ein Konzern in der Öffentlichkeit derart politisch engagiert, ist allerdings neu. Was treibt die Entscheider an, dies zu tun?

Dass es einem gewinnorientierten Unternehmen in erster, zweiter und dritter Linie um seine Gewinne geht, darf vermutet werden. Und es ist natürlich eine bloße, durch nichts belegbare weitere Vermutung, dass sich ein solches Unternehmen auch hinter den Kulissen, also dort, wo keine Kassazettel bedruckt werden, nicht eben zimperlich erweist, wenn es um die eigenen Interessen geht.

Austria First

Austria First, übersetzt: Unsere Gewinnmargen zuerst, könnte ein Motto lauten. Muss es aber nicht, denn natürlich mag ein Lebensmittelhändler auch behaupten, es ginge in erster Linie um Nachhaltigkeit, um Qualität und den respektvollen Umgang mit Mitarbeitern. Natürlich glaubt man das auch gerne.

Aber oje, da war doch der Falter-Artikel über Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz, weswegen Spar zu einer Geldstrafe verurteilt wurde (Verfahren geht gerade in die nächste Instanz). Da müssen die Mitarbeiter schon froh sein, wenn die Manchester-liberale Zustände, die etwa in dem zivilisatorisch verrotteten Canada herrschen, nicht in Österreich einziehen.

Genauso wie die viel zitierte Billa-Kassiererin, die in Österreich immer – und vermutlich zu Recht – als Paradebeispiel für schlecht bezahlte und über Gebühr beanspruchte Arbeitnehmer herhalten muss. Doch immerhin: Billa-Besitzer und Spar-Konkurrent Rewe hat sich bisher politischer Werbung auf dem Kassazettel enthalten. Dort bedankt man sich einfach nur für den Einkauf. Fair enough. Vielleicht aber auch, dass die Rewe-Abteilung nur geschlafen hat?

Über den Autor / die Autorin

Alexander Rabl

Alexander Rabl arbeitet als Texter und Konzeptionist, gönnt sich zwischendurch Berichte über Restaurants, Wein, Reisen und kulinarische Angelegenheiten, und freut sich, an dieser Stelle Notizen alltäglicher Wahrnehmungen zu veröffentlichen.

Von Alexander Rabl