MEKKAS PERVERSE PILGER

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Sexuelle Übergriffe am Heiligen Ort

Tawāf wird die siebenmalige Umrundung der Kaaba genannt. Sie ist die wichtigste Handlung während der Hadsch, der großen islamischen Pilgerfahrt, und der „kleinen Pilgerfahrt“ ‘Umra. Die Gläubigen versuchen, dem Zentrum des Platzes so nahe wie möglich zu kommen und den ‚Schwarzen Stein‘ mit der Hand zu berühren, was oft nicht gelingt, da Tausende sich auf diesem Platz drängen und ihre Runden so eng wie möglich rund um das Heiligtum drehen.

Männer bewegen sich oft schneller und schaffen es öfter, den Stein zu berühren. Frauen wahren eine gewisse Distanz und laufen auch üblicherweise nicht so schnell ihre Runden. Wer allerdings die Gründe in einer verringerten ‚Lauffähigkeit‘ oder in anderen körperlichen Unterschieden zwischen Männern und Frauen zu finden glaubt, wird seit dem ‚Outing‘ einiger muslimischer Frauen auf Facebook eines Besseren belehrt.

#MeToo in Mekka

Sabica Khan aus Pakistan war eine der ersten, die es wagte, folgenden Bericht auf FB zu veröffentlichen:

»Während meiner Tawāfs rund um die Kaaba nach dem Isha Gebet, ist etwas Erschreckendes passiert. Es war während des 3. Tawāf, als ich plötzlich eine Hand auf meinem Körper spürte. Zuerst ignorierte ich es und ging davon aus, dass es einfach ein Fehler und keine Absicht war. Doch dann passierte es wieder, und wieder, wurde immer ärger, doch ich wollte meine Runden nicht unterbrechen und ging einfach weiter. Während der 6. Runde griff mir jemand auf mein Gesäß, ich erschrak und wusste wieder nicht, was ich tun sollte. Ich bewegte mich langsamer und versuchte mich umzudrehen, aber die Menge schob mich weiter. In der Yemeni Ecke packte mich wieder jemand von hinten, ich ergriff seine Hand und drehte mich um, doch er verschwand in der Menge. Ich stand wie gelähmt und konnte mich nicht mehr bewegen, drehte mich immer wieder um und versuchte den Mann zu finden, doch es war aussichtslos.
Ich fühlte mich fürchterlich, verletzt und missbraucht, blieb einfach stehen und vollendete meine Runden nicht. Da war niemand, an den man sich wenden konnte, also ging ich zurück ins Hotel und sprach mit meiner Mutter. Sie war entsetzt und ließ mich nicht alleine das Hotel verlassen.
Es ist so traurig, dass wir Frauen uns nicht einmal an unserem heiligsten Ort sicher fühlen. Es ist mir schon früher passiert, jedoch nie so schlimm wie dieses Jahr.«

Khans Bericht wurde tausende Male geteilt und von hunderten Frauen kommentiert, die mit ihren Namen über ähnlichen Ereignissen berichteten. Betroffene Frauen meldeten sich zum ersten Mal zu Wort und fürchteten sich nicht, die Angriffe bis ins Detail zu beschreiben. Auch Männer reagierten auf die Berichte, manche wie üblich mit Ausreden, das sei in jeder Religion und jeder Massenveranstaltung üblich, doch die meisten reagierten geschockt.

Aziza, die in Großbritannien lebt und The Times ein Interview gab, sagte, dass es ein bekanntes Problem sei, über das jedoch bisher auch in den Familien nicht gesprochen werden durfte. Das erste Mal, als es ihr passierte, sei sie erst neun Jahre alt gewesen und habe nicht einmal genau verstanden, was es bedeutete. Sie sei mit ihrer Schwester gemeinsam die Runden gelaufen, der es noch viel schlimmer ergangen sei. Als sie es später mit den Eltern diskutieren wollte, rieten diese den Kindern einfach schneller zu laufen.

Das Problem sei in den letzten Jahren so dramatisch geworden, dass sich das Verhalten der Frauen in Mekka völlig verändert habe. Ein andere Frau aus Pakistan berichtete einer Zeitschrift, dass die Frauen in ihrer Familie genau abwarten würden, an welchen Tagen zu welchen Zeiten möglichst wenig Männer auf dem Platz rund um die Kaaba sich aufhielten, um dann zu entscheiden, wann sie ihre Runden drehen. Selbst auf die Kleidung der Frauen habe es einen Einfluss, die nun versuchen, in einem größeren Abstand zu Kaaba die Runden so schnell wie möglich zu gehen und sich ständig zu bewegen.

Schutzlos ausgeliefert

Frauen machen etwa 40% der Gläubigen aus, die sich in Mekka versammeln. Den Berichten zufolge  seien sie den Männern völlig ausgeliefert, da es in der sich ständig bewegenden Menge unmöglich sei, einen Verdächtigen zu ertappen oder ihn zu melden. Männer würden sich dieses Umstands bewusst sein und manche würden versuchen, sich in der Masse von Menschen hinter Frauen zu drängen, sie dann kurz anfassen und daraufhin schnell wieder untertauchen.

Die Sicherheitskräfte würden nur an der großen Moschee stehen und sich nicht in der Menschenmenge rund um die Kaaba aufhalten, beklagte eine Betroffene auf Facebook. Die wenigen Frauen, die den Mut hatten, solche Attacken zu melden, seien abgewiesen worden und kein einziger Fall wurde weiter verfolgt.

Die meisten Frauen, die sich jetzt auf Facebook mit ähnlichen Erlebnissen melden, erinnern an die Worte der einflussreichsten Geistlichen in Saudi-Arabien, die für sexuelle Angriffe prinzipiell die Frauen selbst verantwortlich machen. Es sei die Frau, die den Mann zu unsittlichem Verhalten verführe. Wie sollen sich Opfer eines sexuellen Angriffs in dieser Atmosphäre Hilfe erwarten.

Fatma Mohammed schrieb auf ihrer Facebook-Seite, dass die Männer in Mekka damit rechnen, dass ihre Vergehen und sexuellen Angriffe nie gemeldet werden würden, da Frauen zu ängstlich seien, die Angriffe auch zu melden. Es sei typisch für die feigen, unsicheren Männer, die nicht offen und ehrlich versuchen würden, sich einer Frau zu nähern, sondern ausgerechnet die ‚heiligste Pflicht‘ eines Moslems für ihre Perversitäten missbrauchen.

Ein wenig Hoffnung der Betroffenen liegt bei der neuen Regierung in Saudi Arabien, die einige der strengen Gesetze gegen Frauen geändert hatte, wie zum Beispiel das Verbot, ein Auto zu lenken. Doch gibt innerhalb der Muslime auch eine Gegenbewegung zu den Unterstützern einer muslimischen MeToo Bewegung.

Ausgerechnet die jüdische Schauspielerin Mayim Bialik aus der US-Serie ‚The Big Bang Theory‘ unterstützte mit ihrer Bemerkung, dass sexuelle Angriffe oft auch mit der Art und Weise, wie sich Frauen kleiden und benehmen würden, zu tun habe, das Argument der konservativen Kräfte innerhalb der Muslimischen Frauen gegen die MeToo Bewegung. Es sei eben zum Großteil die Schuld der Frau, wenn Männer sich so verhalten, und es sei durch entsprechende Kleidung und Auftreten zu verhindern.

Das Bild verändert sich

Doch die Veränderung des Frauenbildes unter den Muslimen ist nicht mehr aufzuhalten. Vor allem in den Social Media melden sich Frauen zu Wort, die von ähnlichen Erlebnissen auf Märkten, in Bussen und allen anderen Situationen, wo sich Menschenmassen konzentrieren, berichten, wie jene, die sie in Mekka erleiden mussten. Das sei der Alltag der Frauen, meinen viele, und dennoch, dass es auch in Mekka, diesem heiligen Ort geschehe, hat eine Diskussion ausgelöst, die weit über die üblichen Empörungen über sexuellen Missbrauch hinausgeht.

Im Gegensatz zu den Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche werden jedoch vergleichbare Verbrechen in den Koranschulen, Moscheen und an Heiligen Orten wie Mekka öffentlich nicht diskutiert. Der nicht-muslimischen Gesellschaft im Westen ist es entweder nicht gelungen, die Diskussion aus den muslimischen Gemeinden herauszulösen, oder sie hat auch gar nicht die Absicht. Ein absurder Schutz-Mechanismus macht es derzeit fast unmöglich, die Erlebnisse der Opfer sexuellen Missbrauchs innerhalb der Muslime aus der Religionsgemeinschaft in die öffentliche Diskussion zu transferieren.

Vertreter der Muslime und ihre ‚Freunde‘ in der politischen Landschaft werfen geschickt jedem sofort Islamophobie und anderes vor, der Missbrauch und andere Verbrechen aufzeigt. Damit machen sie es der westlichen Gesellschaft so gut wie unmöglich, das Fehlverhalten zu kommunizieren und durch öffentlichen Druck zu stoppen.

Auch die katholische Kirche musste durch die Öffentlichkeit zu einer Reaktion gezwungen werden. In der modernen MeTooBewegung nutzen Betroffene die Öffentlichkeit, um Missbrauch und Vergewaltigungen anzuprangern und die Verantwortlichen bekannt zu machen.

Nun hat diese Methode auch die Welt der Muslimischen Frauen erreicht, und es gebührt ihr die gleiche mediale und gesellschaftliche Unterstützung. Ob sie diese bekommt, ist allerdings fraglich.

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Über den Autor / die Autorin

Peter Sichrovsky

Klassische Dilettanten-Karriere, wenig von viel und viel von wenig zu wissen, zu können, nach Studium der Chemie Marketing in Pharmaindustrie, dann Journalist, Schriftsteller, Mit-Gründer des Standards, SZ/Stern Korrespondent in Asien, EU-Parlamentarier, die letzten zehn Jahre Industrie-Karriere in Süd-Ost-Asien, 23 mal übersiedelt und nach Wien, Berlin, New York, München, New Delhi, Singapur, Hong Kong, Manila, Los Angeles und Brüssel in Chicago gelandet. Seit September 2017 lebt Peter Sichrovsky in London.

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1 comment

  • Wie schön wäre die Welt ohne Islam!
    Es ist mir unverständlich, wie man zwar eine totalitäre Ideologie richtigerweise verbieten, eine andere aber unterstützen kann …