Österreich: Der Aschenbecher Europas
Der Tod ist immer konkret. Konkret für meinen Freund und früheren Geschäftspartner, der vor sechs Wochen zu Grabe getragen worden ist, konkret für seine Frau, seine Kinder und Enkelkinder, seine Geschwister, seine Freunde. Die weinenden Kinder am Grab zu umarmen fühlt sich ganz anders an, als über den Tod von Georg Danzer oder Kurt Kuch in der Zeitung zu lesen. Wirklich nahe geht uns nur, was uns nahe ist.
Wir haben beide viel geraucht, sehr viel. Wenn die Sitzung intensiv war, war das erste Päckchen schon zu Mittag weg. Bei jedem von uns. Dann eines am Nachmittag, abends dann Fortgehen. Drei Päckchen Marlboro am Tag waren nicht die Regel, aber auch keine besonders seltene Ausnahme, ein bis zwei waren es jeden Tag. Jahrelang. Mein Freund war ein paar Jahre älter als ich, hat etwas früher zu rauchen begonnen und etwas später damit aufgehört. Insgesamt waren es wohl mehr als fünfzehn Jahre, die er länger geraucht hat. Aufgehört habe ich 2001 oder 2002, er ungefähr ein Jahr später. Gut möglich also, dass ich selbst einmal nicht an den Folgen des Rauchens sterben werde. Gut möglich aber auch, dass doch.
Ich war während meiner Zeit als Raucher das, was man beschönigend einen „leidenschaftlichen Raucher“ nennt. Wie sehr das Rauchen mein Leben bestimmt hatte, wurde mir erst im Nachhinein bewusst. Freiwillig bin ich nirgendwo hingegangen, wo ich nicht rauchen konnte. Nichtraucherfreunde habe ich nur im Sommer besucht, um wenigstens im Freien rauchen zu können. Meine wichtigste Zeiteinheit war eine Zigarettenläge. Ich rauch’ noch eine, dann…
Drohte eine Unterbrechung der Nikotinversorgung, begann ich nervös zu werden. An ein Einschlafen war nicht zu denken, solange die Versorgungslücke nicht geschlossen war. Wenn dann doch einmal abends oder am Wochenende die Zigaretten ausgegangen sind, war kein Weg zu weit, um Nachschub zu beschaffen. Und wenn von den Freunden niemand mehr fahrtüchtig war, haben wir die Zigaretten eben mit dem Taxi geholt. Ich hielt das damals für ganz normal. Denn einen Abend mit Freunden ohne Zigaretten zu verbringen, war zwar theoretisch vorstellbar, aber nichts, mit dem ich mich befasst hätte.
Bis wir unsere Besprechungszimmer zu Nichtraucherzonen gemacht haben. Da merkte ich, dass meine Konzentration in Meetings schon nach ungefähr eineinhalb Stunden spürbar nachließ. Nur meine, die der Nichtraucher nicht. Ich empfand das als persönlichen Wettbewerbsnachteil. Ich wurde mir zunehmend über den Kontrollverlust im Klaren, den das Rauchen bei mir ausgelöst hatte. Das gesundheitliche Risiko des Rauchens kennt jeder Raucher. Aber das ist abstrakt, liegt in der Ferne, ist nicht greifbar. Die Krankheit, die du nicht hast, spürst du nicht. Ganz im Gegensatz zur Nervosität, die dich befällt, wenn du ein paar Stunden nichts rauchen kannst. Die spürst du.
Da war keine Leidenschaft, da war nur Sucht. Aber einfach aufhören?
Endlich Nichtraucher
Was mich am meisten davon abgeschreckt hat, mit dem Rauchen aufzuhören, war die Angst vor einem Verlust an Lebensqualität, so absurd sich das heute anhören mag. Aber auf die Zigarette zum Kaffee verzichten? Ein Gin-Tonic ohne Tschik? Was könnte je so harmlos verschwörerisch verbindend sein wie „Gemma eine rauchen?“ Die kleinen Nachdenkpausen, das Kurz-zur-Seite-treten, ausgehen, trinken, schreiben, diskutieren – wie sollte all das ohne Zigaretten überhaupt funktionieren?
Um es kurz zu machen: es ging, und alles geht noch sehr viel besser als mit Zigaretten. Mein Geruchs- und Geschmackssinn verbesserten sich dramatisch, ich erkannte die Weine in meinem Keller nicht mehr wieder. Eine neue Vielfalt an Gerüchen und Aromen tat sich auf. Meine Magenbeschwerden wurden seltener, kein Kopfweh mehr nach dem Ausgehen, kein röchelnder Husten jeden Morgen. Und das Gefühl, wieder die Kontrolle über mich selbst gewonnen zu haben. Den ersten Langstrecken-Flug als Nichtraucher nach Los Angeles werde ich nie vergessen. Als ich an dem vernebelten, stinkenden Glaskobel vorbeiging, in dem sich die Raucher zusammenpferchten, um nach dem Flug endlich wieder eine Zigarette zu rauchen, war da nur mehr Bedauern, keinerlei Verlangen. Ich wusste, dass ich so nie wieder werden mochte.
Eine entscheidende Hilfe beim Aufhören war für mich das Buch von Allen Carr „Endlich Nichtraucher!“. Carr machte mir klar, dass ich krank war, suchtkrank. Und von dieser Krankheit geheilt werden müsse, um mein Leben frei genießen zu können. Durch ihn habe ich gelernt, dass Rauchen-aufhören kein Verzicht ist, sondern Heilung. Ich habe das Buch während einer Grippe-Erkrankung gelesen, nachdem ich „beim besten Willen“ schon drei Tag lang nicht hatte rauchen können, und habe danach nie wieder angefangen. Als ich ein paar Tage später wieder halbwegs gesund war, ging ich zu meinem Freund ins Büro, wir tranken einen Kaffee, aber die Zigarette lehnte ich dankend ab. Ich war ja jetzt Nichtraucher. Etliche Raucher in meinem Umfeld, die laut gelacht hatten als sie das erste Mal von mir hörten, „ich rauche nicht mehr“, haben später selbst zu rauchen aufgehört. Die Begründung war für mich wenig schmeichelhaft: „Wenn’s der kann, kann es nicht so schlimm sein. Dann kann ich’s auch.“
Land der Raucher
Dass sich in diesem Land, das wie kaum ein zweites jeden noch so kleinen Lebensbereich reglementiert, oft genug ohne Sinn und Verstand, weil Vorschrift eben Vorschrift ist, ausgerechnet am Rauchen die Debatte entzündet, wie weit der Staat in die Privatautonomie seiner Bürger eingreifen dürfe, ist von grotesker Komik. Denn es geht nicht um bürgerliche Freiheiten, sondern um Suchtprävention und Suchtbekämpfung. Wer süchtig ist, ist nicht frei, sondern abhängig. Frei ist der Abhängige erst, wenn er von seiner Sucht geheilt ist.
Ich weiß nicht, wie viel Geld mich meine Sucht gekostet hat. Ich weiß nicht, was ich mit der Zeit alles anfangen hätte können, in der ich „noch schnell eine geraucht“ habe. Ich habe keine Vorstellung davon, wie unfassbar gestunken ich haben muss (heute rieche ich zwei Meter gegen den Wind, wenn jemand eine Zeit lang mit Rauchern in einem geschlossenen Raum war). Freilich rauchte ich ohne äußeren Zwang, sozusagen aus freien Stücken. Aber aus freiem Willen? Nicht freier als der des Heroin-Junkies auf der Suche nach dem nächsten Schuss.
Spätestens an dieser Stelle werden viele „moderate Raucher“ meine Schilderung für zu drastisch halten. Sie mögen sich eine einfache Frage stellen und ehrlich für sich beantworten: Haben Sie schon einmal versucht, mit dem Rauchen aufzuhören? Dann sind Sie entweder Nichtraucher, Glückwunsch, oder ein Raucher, der es nicht geschafft hat, von seiner Sucht loszukommen. Verabschieden Sie sich von Ihren Schutzbehauptungen, ich kenne sie alle, habe sie selbst oft genug vorgebracht: Rauchen ist kein Laster und keine schlechte Gewohnheit. Rauchen ist eine Sucht. Und die Sucht endet oft genug tödlich.
Jedes Jahr sterben in Österreich am Rauchen ungefähr 14.000 Menschen. Ganz konkret. Weltweit sind es ungefähr 5,5 Millionen. Jedes Jahr.
Tabakkonsum ist die größte Einzelursache für Erkrankungen und vorzeitige Todesfälle in Europa, „Nach Untersuchungen der WHO hängen bis zu 90 Prozent der Lungenerkrankungen, nahezu 30 Prozent der Herzerkrankungen und nahezu 30 Prozent aller tödlich endenden Krebserkrankungen mit dem Rauchen zusammen. Rauchen fördert der Entstehung von malignen Tumoren der Lunge, der Luftwege, der Mundhöhle und der Speiseröhre. Auch stellt das Rauchen ein Risiko für Osteoporose, Alzheimer, sowie Leukämie und Krebserkrankungen der Bauchspeicheldrüse, der Nieren und des Magens dar.“, schreibt die Österreichische Apothekerkammer. Sämtliche illegalen Drogen zusammen fordern nicht einmal annähernd so viele Todesopfer wie das Rauchen.
Österreich ist das OECD-Schlusslicht in der Bekämpfung der Nikotinsucht. Während die Raucherquote in Österreich von 1979 bis 2014 konstant bei rund 24 Prozent blieb, ist sie in den USA im selben Zeitraum von 33,5 auf 12,9 Prozent zurückgegangen, in Großbritannien von 39,5% auf 19 Prozent.
Alle einschlägigen Studien belegen eindeutig: die wirksamste Präventionsmaßnahme gegen Rauchen ist ein generelles Rauchverbot in Gastronomie und öffentlichen Räumen. Weniger Jugendliche beginnen zu rauchen, erwachsene Raucher hören leichter auf. In Großbritannien ist die Zahl der Raucher allein seit Einführung des Rauchverbots um 6% gesunken.
Glaubt man der PRESSE, wird die neue Regierung das komplette Rauchverbot in der Gastronomie aufheben, das im Mai 2018 in Kraft treten hätte sollen. Schon 2009 hatte sich die Gastronomie ebenso verbissen wie erfolgreich gegen ein generelles Rauchverbot gewehrt, das von zwei Dritteln der Bevölkerung befürwortet wird, und eine typisch österreichische Kompromisslösung erzwungen – um seither lautstark die damit verbundenen Investitionen zu beklagen. Neun Jahre später haben die wütenden Wirte eine unheilvolle Allianz mit dem nikotinabhängigen Chef einer Partei geschlossen, der die Aufhebung des Rauchverbots als politisches Faustpfand einsetzt. Und sind damit anscheinend wieder erfolgreich.
Doch die Fakten liegen auf dem Tisch: Ein generelles Rauchverbot in der Gastronomie rettet unmittelbar Leben. Es aufzuheben, kostet unmittelbar Leben. Entweder ist H.C. Strache zu dumm, das zu erkennen, oder verantwortungslos genug, aus taktischem Kalkül eine gesundheitspolitisch fatale Fehlentscheidung durchzusetzen. Oder beides. Er mag sich dafür von einer Minderheit feiern lassen, doch allgemein gelten weder Dummheit noch Verantwortungslosigkeit als Regierungsempfehlung.
Natürlich wird Kurz die Regierungsbildung nicht an dieser Frage platzen lassen, niemand würde das. Aber in fünfzig Jahren wird der heutige Parteichef der FPÖ nur mehr eine Fußnote in der politischen Geschichte dieses Landes sein. Und noch immer werden dann Menschen an den Folgen der Aufhebung des Rauchverbots sterben. Ganz konkret.
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Nix für ungut, aber was Sie hier von sich geben ist ja schon fast pathologisch dumm.
Einerseits sagen Sie, es geht beim Rauchverbot nicht um die freie Wahl.
Andererseits sagen Sie, es geht darum, dass SIE nicht mehr wählen müssen, ob sie in dies oder jenes Lokal gehen.
Fazit – es geht in Ihrer Argumentation sehr wohl um die freie Wahl, und zwar und die, die Sie anderen verwehren, um sie selbst nicht treffen zu müssen.
So nach dem Motto, hey, ich will überall rein, drum darf es kein Drinnen geben, das ich nicht will.
Salopp gesagt ist das dumm, wenn’s durchgeht nennen wir’s Diktatur.
Sehr geehrter Herr Eppinger, Sie begehen in Ihrem semireligiösen Bekehrungseifer den handelsüblichen Saulus-Paulus-Fehler – Sie schließen von einer sehr persönlichen Erfahrungen auf A(a)ndere. Menschen und deren Erfahrungen.
Die schiere Tatsache, dass Sie die moderaten Raucher in Gänsefüßchen setzen, und in weiterer Folge explizit deren Existenz in Abrede stellen, zeugt von manifester Engstirnigkeit und Unfähigkeit, Realitäten jenseits der von Ihnen selbst erlebten für möglich, wenn nicht sogar wahrscheinlich anzuerkennen.
Einfacher gesagt: Ja, es gibt moderate Raucher. Genauso wie es moderate Trinker, Kiffer, Kokser, Heroin- und AllerleiandereSubstanzenKonsumierer gibt.
Ich selbst rauche seit 3 Dekaden zwischen 1 und 2 Packerl PRO WOCHE.
Und einige meiner Freunde sind von jugendlichen Starkrauchern schon längst übergegangen zu gelegentlichen Gesellschaftsrauchern.
Gleichzeitig kenn ich natürlich auch Menschen, die sehr viel rauchen.
Manche wollen reduzieren.
Manche wollen aufhören.
Und manche wollen nichts davon.
Long story short – Raucher sind Individuen und gehen individuell mit der Substanz um. Nicht jeder ist ihr ausgeliefert und selbst die, die sich mit der Konsumkontrolle schwer tun, wollen nicht alle nach Ihrer Facon zwangsgeheilt werden.
Und last, but most definitely not least, stellt sich natürlich die Frage – wenn Rauchen die derart willenstötende Sucht ist, als die Sie sie darstellen, wie ist es dann möglich, dass selbst ein deklariert suchtkrankes Individuum wie Sie besagte Sucht nach nur einer Erkältung und der Lektüre eines einzigen Buches schlichtweg abstreift?
Oder hat’s am End vielleicht doch mehr mit Selbstbestimmung und –verantwortung zu tun, als Sie uns hier glauben machen wollen…?
Kann dem Verfasser des Artikels voll zustimmen. Ich war selbst schwerer Raucher, hatte überall ein paar Reservepackerl Tschick für den Notfall, habe morgens die erste auf dem Weg ins Bad angezündet. Dank einer verständnisvollen Umgebung schaffte ich den Aussstieg aus der Suchtkrankheit Rauchen. Beim Rauchverbot geht es ja nicht um die freie Wahl, sondern um das Freihalten der Gastronomie für alle – man muss sich dann nicht mehr entscheiden, ob man mit der oder dem in ein Lokal reingeht, trotz des Passivrauchens. Ich finde, wenn es die Engländer mit ihrem schlechten Wetter schaffen, sich für den Tschick vor das Lokal zu stellen, die Skandinavier auch, dann sollten wir das wohl auch auf die Reihe bekommen. Und in Sachen freier Vertrag unter Bürgern: in dem Bereich gibt es vieles auszumisten, Kammerzwangsmitgliedschaften, Genderei bis ins kleinste Detail, Verwaltung,… Stellen wir doch Freiheiten dort (wieder) her, wo Handlungsräume eröffnet werden, und nicht dort, wo Karzinome entstehen!
Volle Zustimmung. (…bin Nichtraucher und meide Raucherlokale.)
Kurzfassung des Artikels: Wieder einer, der den Staat um Hilfe ruft, weil er sein Leben selbst nicht gestalten kann. Und dabei diese “Hilfe” auch allen anderen “zukommen” lassen möchte. und wenn diese “Hilfe” nicht freiwillig angenommen wird, dann eben mit Zwang.
Wie schon öfters angemerkt: Wenn eine zukünftige totalitäre Regierung wieder auf der Suche nach freiwilligen Blockwarten ist – bei den Raucherartikeln finden sie jede Menge Anwärter.
(Keine Sorge, ich bin Nichtraucher und meide Raucherlokale. Wenn aber ein freier Unternehmer einen mit freien Kunden abschließt – ihm ein Lokal anbietet, in dem er auch rauchen darf, dann geht es mich nichts an. Ich bin dann eben nicht sein Kunde.)
Ja das Thema generelles Rauchverbot in der Gastronomie ist nicht so einfach wie es da scheint. Erstens ist es wieder ein neues Verbot. Wir haben schon so viel Verbote. Das in Speiserestaurants nicht geraucht werden darf ist o.k. Das haben wir. Gut ist auch das in Autos nicht geraucht werden darf, vor allem wenn Kinder im Auto sind ist o.k. das wird neu eingeführt.
Was ist besser, wenn ein Arbeiter nach der Arbeit in seine Stammkneipe an seinen Stammtisch geht, sein Bierchen trinkt und ein paar Zigaretten raucht, oder dass er nach Hause geht und im Beisein seiner Kinder raucht?
Es ist sicher, dass ein generelles Rauchverbot wiederum den wirtschaftlichen Ruin für viele kleine Gastronomiebetriebe zur Folge hat
Ich finde die jetzige Lösung gut und wenn wir von der Gesundheit reden, dann wäre es besser das Augenmerk auf die Fettleibigkeit der Kinder und auf den Zuckerkonsum zu legen.
Ich finde die Lösung von Kurz – Strache gut. Es ist klar dass in Brüssel und bei den Bayern usw. ein totales Rauchverbot gefordert wird. Im Grenzbereich kommen viele Bayern über die Grenze ins Gasthaus wo man rauchen kann.
P.S. Ich war einmal leidenschaftlicher Raucher, rauche seit einem Vierteljahrhundert keine Zigaretten mehr, aber ab und zu eine Zigarre!