INDIEN IN USA UND ISRAEL

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Photo: Team Finland, CC BY-NC-ND 2.0

Trump umarmt den indischen Premier

Der Deutschen Kanzlerin wollte Trump angeblich nicht einmal die Hand geben. Den fast zwei Köpfe kleineren indischen Premierminister, Narendra Damodardas Modi, der diese Woche in Washington zu Besuch weilte, umarmte er, oder ließ zumindest dessen Umarmung zu. Vor ein paar Wochen schimpfte Trump während des Klimagipfels in Paris noch über Indien und warf Modi vor, sich mit ‚Milliarden Dollar’ die Unterstützung der Vereinbarung ‚bezahlen’ zu lassen. Doch in Washington vermied man die existierenden Konflikte, wie das enorme Handelsdefizit der USA mit Indien und den Warenaustausch zwischen Indien und Nord-Korea, und pries die gute Freundschaft und die gute Zusammenarbeit der beiden Staaten.

Man könnte Modi und Trump als die erfolgreichsten Rechts-Populisten auf der internationalen politischen Bühne beschreiben. Modi wurde als Parteichef der BJP (Bharatiya Janata Party) – von Europäern und Amerikaner als rassistische, antimoslemische, rechtsradikale Partei kritisiert – jahrelang das Visum in die USA verweigert. BJP ist mit über 100 Millionen Mitgliedern die größte politische Partei der Welt und vertritt einen religiösen Nationalismus, der die Interessen der Hindus in Indien über andere Nationalitäten und Religionen stellt. Kritiker warfen Modi seine anti-islamische Rhetorik, seine Wahlkämpfe gegen die moslemische Minderheit in Indien und seine Unterstützung einer radikalen Auslegung des Hinduismus vor. Von den 450 Parlamentsabgeordneten der BJP sind nur acht keine Hindus.

Unter seiner Herrschaft habe sich Islamophobie von der Alltags-Diskriminierung bis zur Lynchjustiz ausgebreitet, Behörden und Sicherheitsorgane würden mit der indirekten Unterstützung der Regierung nicht eingreifen.

Linke Zeitungen vor allem in Deutschland schrieben immer wieder von ‚Hindufaschismus’ im Zusammenhang mit der BJP. Die gleichen Zeitungen bezeichneten allerdings auch Trump als den demokratisch gewählten Faschisten im Weißen Haus in Washington.

Der Teeverkäufer

1950 nördlich von Bombay geboren, verkaufte Modi als Kind Tee am Bahnhof der Kleinstadt und eröffnete mit seinem älteren Bruder ein paar Jahre später einen eigenen Tee-Stand an einer Busstation im nahen Ahmedabad. Die Familie gehörte zu einer ‚unteren Kaste’ und sein Lebensweg war mehr oder weniger eine beschlossene Angelegenheit zwischen Teeverkauf und vielleicht später noch einfachen Esspaketen für Bus- und Bahnreisende.

Mit dem Abschluss des Gymnasiums fanden seine Eltern auch die entsprechende Ehefrau. Der junge Modi verweigerte jedoch die arrangierte Ehe, verließ Elternhaus und Heimatstadt und fuhr zwei Jahre lang kreuz und quer durch Indien, besuchte hinduistische Tempelgemeinden und schloss sich der radikalen Hindu-Bewegung RSS an, einer nationalistischen, religiösen Organisation, aus der die jetzt regierende BJP hervorging.

Im Jahr 2002, Modi war bereits Gouverneur von Gujarat, wurden 60 Hindu-Pilger bei einem Zugsbrand getötet, den Modi als ‚muslimischen Terrorakt’ kritisierte. In den folgenden Wochen kam es zu schweren Unruhen mit mehr als 2000 Toten und 150 000 Muslimen, die aus ihren Dörfern vertrieben wurden und sich in Flüchtlingslagern sammelten. Trotz zahlreicher Prozesse und Untersuchungen wurde Modi für die Unruhen nie direkt verantwortlich gemacht. 2013 nominierte die BJP ihn zum Spitzenkandidaten für die Parlamentswahlen, die er 2014 mit deutlicher Mehrheit gewann.

Make in India

Ähnlich wie Trumps ‚America First’ Message verfolgt er eine Politik, die er ‚Make in India’ nannte. Seine Landsleute forderte er auf, Waren zu kaufen, die in Indien hergestellt werden und versuchte damit internationale Konzerne zu zwingen, ihre Produkte in Indien zu produzieren. Beide Staatsmänner sind begeisterte Twitter-Benutzer. 33 Millionen folgen dem Trump- und und 31 Millionen dem Modi-Account. Modi benutzte zwar eine islamophobe Strategie, um die BJP zur stärksten Partei zu machen, seine eigentlichen Interessen liegen jedoch in der Liberalisierung der Wirtschaft und der ökonomischen Entwicklung des Landes. Immer wieder kritisierte er die erdrückende Bürokratie und die Macht der Beamten und sah in ihnen das größte Hindernis für eine Modernisierung des Landes.

Hinter der freundschaftlichen Umarmung der beiden Regierungschefs verbirgt sich ein komplizierter globaler Machtkampf. Wie alle BJP-Politiker wird Modi von einem Skeptizismus und Misstrauen gegenüber Moslems und Staaten mit muslimischer Mehrheit getrieben. Mit nüchternem Rationalismus wählt er seine Verbündeten und politischen Freunde aus. Einzige Logik dahinter ist das System: Der Feind meiner Feinde ist mein Freund. Trumps Skeptizismus gegenüber Muslimen kommt jenem Modis weitaus näher, als die Versuche Obamas, ein neues Verhältnis zu den islamischen Staaten zu entwickeln.

Für die USA ist Indien seit dem militärischem Aufstieg Chinas ein wichtiger Partner. Das militärische Gleichgewicht in Asien kann die USA nicht garantieren, da ihr ein vergleichbares Instrument wie die NATO in Europa fehlt. Gleichzeitig existiert jedoch eine militärische Zusammenarbeit zwischen der USA und Pakistan, dem Todfeind Indiens, von dessen Städten aus immer wieder Terroristen nach Indien eingeschleust werden, wie zuletzt bei der 26/11 Attacke in Bombay.

Während Trump und Modi sich in den Armen lagen, betonten daher hohe Vertreter der US-Administration ihre engen Verbindungen zu Pakistan, auch wenn sich die politische Lage dort in den letzten Jahren dort mehr und mehr destabilisierte. Heute gilt Pakistan als Hinterhof der Terroristen-Szene mit einer korrupten Polizei und einem Geheimdienst, der oft mit den islamischen Attentätern kooperiert. Es war kein Zufall, dass sich Osama bin Laden jahrelang in Pakistan versteckt hielt. Über die unkontrollierbaren Grenzen zu Indien und Afghanistan werden radikale Gruppen immer wieder mit Nachschub versorgt.

In Washington ignorierte Modi die Beziehungen zwischen den USA und Pakistan und zeigte sich als verlässlicher Partner. In seiner fast einstündigen Rede im US-Kongress dankte er den Amerikanern für ihren weltweiten Einsatz gegen den Terrorismus und scherzte über die Zerstrittenheit unter den Abgeordneten, die ihn an das Parlament in Delhi erinnere. Insgesamt 60 Mal wurde er durch Applaus der Abgeordneten und Senatoren unterbrochen.

Ein Freund Israels

Neben den USA gibt es noch einen weiteren Staat, mit dem Indien aus ähnlichen Gründen die Beziehungen ausbauen möchte. Nächste Woche wird Modi als erstes indisches Staatsoberhaupt Israel besuchen. Die beiden Länder haben seit 25 Jahren wirtschaftliche Kontakte, es gibt Direktflüge von Tel Aviv nach Bombay und Delhi und etwa 50 000 israelische Touristen besuchen Indien jedes Jahr. Neu hingegen sind die intensiven militärischen Kooperationen. Im April 2017 wurde ein 2 Milliarden-Vertrag zwischen beiden Ländern über die Lieferung von Raketen und Luftabwehrsystemen abgeschlossen. Damit ist Indien einer der größten Kunden des israelischen Militärs. Mit einem hoch-technisierten Raketen-Abwehrsystem gelang es Israel sogar gegen den Konkurrenten aus den USA die Ausschreibung aufgrund technischer Vorteile zu gewinnen.

Mit welcher Selbstsicherheit der indische Premier auftritt, zeigt auch sein Besuchsprogramm. Er scherte sich nicht um das übliche Ritual, dass Politiker bei jedem Israelbesuch auch die palästinensische Führung treffen und sagte alle Termine mit palästinensischen Vertretern ab.

‚Der ungeschickte Herr Modi’ titelte einst die taz einen Bericht über den indischen Staatschef und nörgelte in üblicher präpotenter Weise über den Mangel an ‚Professionalismus’ in Indiens Außenpolitik. In Indien wurde Modi allerdings nach seiner Rückkehr aus den USA in den Medien als Held gefeiert. Wer den ‚unberechenbaren’ und angeblich ‚ausländerfeindlichen’ US-Präsidenten zu einem derart freundschaftlichem Verhalten motivieren könne, sei ein diplomatisches Genie.

Modi funktioniert nicht nach der schwarz-weiß Logik einer altbackenen Diplomatie. Er verbesserte die Beziehungen zu Bangladesh und Sri Lanka, versucht einen Süd-Asien Block zu bilden und ist einer der schärfsten Kritiker der Kontakte zwischen China und Pakistan – mit eigentlich nur einem politischen Ziel: Die Kontrolle und Isolation der Terrorachse Pakistan-Afghanistan.

Über den Autor / die Autorin

Peter Sichrovsky

Klassische Dilettanten-Karriere, wenig von viel und viel von wenig zu wissen, zu können, nach Studium der Chemie Marketing in Pharmaindustrie, dann Journalist, Schriftsteller, Mit-Gründer des Standards, SZ/Stern Korrespondent in Asien, EU-Parlamentarier, die letzten zehn Jahre Industrie-Karriere in Süd-Ost-Asien, 23 mal übersiedelt und nach Wien, Berlin, New York, München, New Delhi, Singapur, Hong Kong, Manila, Los Angeles und Brüssel in Chicago gelandet. Seit September 2017 lebt Peter Sichrovsky in London.

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