ER IST WIEDER DA

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Der Sieg des Präsidenten

Die Zeit, als der Sonntag noch als Tag des Herrn galt, ist lange vorbei. Heute ist es der Tag der geschiedenen Väter, die mit ihrem Nachwuchs ein Unterhaltungsprogramm durchziehen.

In meinem Fall heißt das: nix ist mit ausschlafen. Stattdessen den Wagen kurzerhand zur Tochter-Kutsche umfunktionieren, und das Kind bespaßen. Nachdem ich dieses zu Mittag von daheim abgeholt habe, überlegen wir, was wir tun könnten. Mimi, die etwas übernachtig wirkt, äußert Hungergefühle. Also auf zu Alis Kebab-Stand. Während ich den Wagen Richtung Ottakring dirigiere, denke ich an den Haufen Obst, den ich dem Kind früher täglich für die Schule in mundgerechte Stücke geschnitten hab. Es warad wegen der Vitamine gewesen. Abends hat Mimi das eingetupperte Zeugs wieder fast vollständig retourniert, worüber sich ihre Mutter immer furchtbar aufregt hat.

„Vitamine sind in so einem Döner halt nicht drin“, sage ich zur Tochter, als wir aussteigen. „Doch, aber nur wenige“, krieg ich zur Antwort, „darum muss man ja auch relativ viel davon essen.“ Mein Freund Ali, der das mit angehört hat, lacht und säbelt Mimi zur Sicherheit gleich ein Mordstrumm Hammel vom Drehspieß.

Tamtam und Islam

„Servus, Kollege Wukkerl“ höre ich plötzlich, und dann steht Cem neben uns. Alis Cousin, auch ein Taxler, wie ich. Und ein irgendwie ungschnastiger Kerl, der sich dauernd bei mir reinschleimt.

„Na Kollege“, grinst er, „kannst Dir den Döner überhaupt noch leisten, bei den Preisen fürs Tanken heutzutage?“ Dann grinst er noch breiter: „A Wahnsinn, sag ich Dir. Tanken ist ja schon wie ungeschützter Sex. Einmal zu lange den Hahn drinnen lassen und Du zahlst wie …“

„Okay, Cem, ich kapiers schon“, stoppe ich ihn eilig, immerhin ist Mimi anwesend. Vielleicht bin ich altmodisch, aber so Schweinereien sind nichts für ein 15-jähriges Mädel. Cem will noch was darauf sagen, wird aber von einem lauten Hupen übertönt. Ein BMW-Konvoi fährt die Straße runter, aus den mit Blumen aufgebretzelten Autos werden Türkei-Fahnen geschwenkt, Menschen lachen und plärren durcheinander. „Was ist das für ein Tamtam? Eine türkische Hochzeit?“ schmatzt Mimi zwischen zwei Bissen. „Oder der Sieg des Präsidenten wird gefeiert“, meint Ali, „Oder beides zsamm.“

Der nächste Diktator, bitte

Ich weiß, dass mein Haberer beim Referendum mit Hayir, Nein, gestimmt hat. Cousin Cem offensichtlich nicht. Jubelnd winkt der seinen Landsleuten zu.

„Na, euch Österreichern haben wirs jetzt bei der Abstimmung zeigt“, ruft er dann in meine Richtung: „euch, und der ganzen Scheiß EU, dem ganzen Scheiß Westen. Das habts jetzt davon.“ „Wovon genau?“ frage ich „Wir sind stolz drauf, Türken zu sein. Stolz, Muslime zu sein“, schreit Cem, was meine Frage nicht wirklich beantwortet, „wir haben den stärksten, mächtigsten Führer. Eure Politiker, die sind ja alle nur Lulus.“

„Wenigstens verdankst Du diesen Lulus, und unserem Sozialsystem, aber eine superbillige Gemeindewohnung mit zwei Terrassen am Wienerberg“, kann ich mir nicht verkneifen, „oder ziehst jetzt eh in die Heimat zurück?“

„Bist deppat?“ keift Cem, „glaubst ich verzichte auf alles da?“. „Sowieso ned“, mischt sich nun Ali ein, „Dein Kreuzerl beim Ja baden eh andere aus. Die Türken, die in der Türkei leben. Und speziell alle, die eine Diktatur nicht so leiwand finden.“

„Geh bitte, Diktatur“, redet sich Cem immer mehr in Rage, „der Erdogan lasst sich halt nix gefallen. Von ein paar gschissenen Journalisten schon gar nicht. Geschieht ihnen recht, wenns im Häfen verenden.“ „Und die Todesstrafe, bitteschön, die ist vielleicht auch okay?“ Ali ist nun ehrlich schockiert. „Wenns wer verdient…“, meint Cem patzig, „aber mit euch kann man nicht diskutieren. Ich geh. Das habts jetzt davon.“

Zu dritt schauen wir ihm nach und schütteln den Kopf. „Mimilein“, sag ich zu meiner Tochter, „wenn Du Dich vielleicht einmal im Geschichtsunterricht gefragt hast, wie Hitler damals an die Macht kommen konnte – genau so, nämlich.“ „Geh, Papa“, Du übertreibst schon ein bissl“, murmelt die Tochter.

„Nein, ich fürchte, das tut er nicht“, widerspricht Ali mit leiser Stimme. Dann schweigen wir.

Über den Autor / die Autorin

Walter Vukovic

Walter „Wukkerl“ Vuković, 44, ist Taxifahrer. Mitten in Wien und zwischen den Welten. Wukkerl hat Migrations-Hintergrund (Vater aus Serbien, in den 70ern als Gastarbeiter nach Wien gekommen, Mutter Österreicherin), ist geschieden und Vater einer Tochter (15).

Von Walter Vukovic