EINFÄLLE DER NACHT

E

Goldene Regel

Man soll eine Nacht schlafen, bevor man brisante Mails losschickt. Was aber, wenn man vor Ärger nicht schlafen kann? Dann ist es besser, man hat die Mail doch schon geschrieben und versandt. – Was man am nächsten Tag bereut, ist Sache des nächsten Tages. Und guter Schlaf ist selten zu teuer erkauft.

Humorlos

Es ist nicht einzusehen, dass die Gebrochenheit unserer Gegenwart nicht künstlerisch kunstvoller ausgedrückt wird. Wer demonstrieren will, dass nicht mal im Spaß am Ernst des Lebens zu rütteln ist, sollte auch keine schlechten Witze erzählen.

Erstaunlich

Es gibt nur wenige Tage im Leben, an denen wir komplett gesund sind: imgrunde kränkeln wir fortwährend vor uns hin. Zum Glück merkt man davon fast nichts. Das Leben besteht darüber hinaus aus einer Aneinanderreihung zu bewältigender Krisen: leider registriert man das sehr genau. – Unsere Körper verrichten ihre Arbeit meist im Stillen, seelisch und geistig neigen wir zum Krakeelen.

Stille Örtchen?

Die meisten Menschen reden so zwanghaft, wie sie zur Toilette gehen. Ist das geistige Maß voll, entleeren sie sich geräuschvoll: Blasenschwäche, Altersinkontinenz, selbst Diarrhoe sind auf der intellektuellen Landkarte regelrechte Großstädte. Und die überfallartige geistige Notdurft entspringt fast immer seelischer Not. – Wenn alles Sprachliche demnach eine Art höherer Verdauungsraum ist, findet Rauchen dann seine Entsprechung in der Philosophie?

Endzeitphantasien

Das apokalyptische Gewese unserer Zeit ist nicht allein eine Folge des Misstrauens vor großdimensionierter Technik wie der Kernspaltung oder global phantasierter Umweltsorgen. Schuld daran ist im Letzten die Triade Altertum-Mittelalter-Neuzeit, die in den Köpfen festsitzt. Sie ist die Heilige Dreifaltigkeit apokalyptischer Beschränktheit, indem die Vorstellung, dass nach der Neuzeit Neueres kommen könnte, semantisch blockiert ist.

Moderne

Eigentlich braucht man, um den Verfall der Moderne zu erfassen, das Wörtchen ‘modern’ nur in umgekehrter Silbenbetonung zu lesen.

Zahnlos

Kunst, die wachrütteln und provozieren will? Wenn etwas an solcher Kunst provoziert, dann dass sie garantiert niemanden wachrüttelt. Ein bleckendes Gebiss im Wasserglas.
 

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Über den Autor / die Autorin

Alexander Gusovius

Alexander Hans Gusovius ist Schriftsteller und Philosoph. Seine Grundüberzeugung: „Nichts geschieht zufällig, ohne deshalb vorherbestimmt zu sein.“ Seine Grundhaltung: „Freiheit ist das höchste Gut von allen.“ Er ist Gründungsmitglied der Künstlergruppe „Schwarzer Hut“ und mit dem Fußball-Bundesligisten TSG 1899 Hoffenheim verbunden. Seine Artikel erschienen bisher in der WeLT, im Schweizer Monat, in MAXIM und in Novo Argumente. Zu seinen Büchern geht es auf www.alexander-gusovius.de.