DEUTSCHE EMPATHIE

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Photo: Kim Levengrond Yehezkel, privat

Mitgefühl und Emotion treiben seltsame Blüten

Der Deutsche, das wissen wir Bundesbürger am besten, neigt zu Emotion und Empathie. Das mag seine historischen Wurzeln in der Nationalromantik des mittleren 19. Jahrhunderts haben und liest sich deshalb in zeitgenössischer Literatur auch dementsprechend betörend. Bei den Nachfahren jener Dichterfürsten allerdings treiben Empathie und Emotion recht seltsame Blüten. Drei Beispiele aus den vergangenen Tagen, die scheinbar miteinander nichts zu tun haben.

Donnerstag, 27. September, Bremen

Im Parlament der norddeutschen Stadtrepublik sagt Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) während einer Debatte der Bürgerschaft über die Sicherheitslage in Bremen und Demonstrationen schwungvoll: »Wenn ich sehe, dass die israelische Armee am Grenzzaun Dutzende Palästinenser einfach hinrichtet, auch dafür habe ich kein Verständnis. Und ich kann alle diejenigen verstehen, die das zum Anlass nehmen, hier sehr deutlich ihre Meinung zu sagen.«

Israel richtet also Palästinenser einfach so hin. Was aus dem Mund des für Verfassungs- und andere Sicherheit Zuständigen in diesem Bundesland wie ein tränenreicher Nekrolog auf unschuldige Opfer südamerikanischer Todesschwadronen klingt, waren in Wahrheit Armeeaktionen eines souveränen Staates gegen terroristische Hamas-Schergen und Grenzverletzer. Später bezeichnete Mäurer seine Wortwahl zwar als »unglücklich«, wollte in der Sache aber nichts zurücknehmen. Und bleibt weiter im Amt. Bremens ohnehin lautstarke BDS-Fraktion kommt aus dem Jubeln wohl gar nicht mehr heraus ob so viel Schützenhilfe von der Regierung.

Montag, 8. Oktober, Bad Oldesloe

»Rote Grablichter flackern auf dem Gehweg, daneben liegen Blumen und ein kleiner, weißer Engel.« So beschreibt das Hamburger Abendblatt unter der Überschrift »Tödliche Schüsse: Eine Stadt unter Schock« tränenschwanger die Ereignisse in der schleswig-holsteinischen Kleinstadt Bad Oldesloe.

Was um Gottes Willen ist in dem 25.000-Einwohner-Städtchen passiert? Ein Terroranschlag? Nein. Am Vortag war ein offenbar psychisch kranker 21-jähriger Obdachloser mit einer 18 Zentimeter langen Klinge drohend auf zwei Polizeibeamte zugelaufen – mit »gegen den Oberkörper gerichteten Stichbewegungen«. Auch ein Warnschuss hielt den Verwirrten nicht davon ab, weiter auf die Beamten zuzulaufen. Also gab der zweite Beamte zwei Schüsse ab, der Mann wurde tödlich getroffen. Das ist, wie bei jeglichem Verlust an Menschenleben, natürlich tragisch. Aber ist es ein Grund für kollektive Trauer und das Ablegen eines Straußes roter Rosen? Bad Oldesloe jedenfalls ist »betroffen« – auch das ein Lieblingsbegriff unseres so empathischen Volkes.

Sonntag, 7. Oktober, Barkan

Der Industriepark der Siedlung in Samaria in der sogenannten  Westbank gilt als Muster von friedlicher Koexistenz zwischen Israelis und »Palästinensern«. An diesem Sonntag marschiert der 23-jährige Elektriker Ashraf Na’alwa mit einem amerikanischen M16-Sturmgewehr in den Bürotrakt einer Recycling-Fabrik und schießt auf drei Angestellte. Zwei von ihnen kommen dabei ums Leben. Der Täter entkommt. Mehr als 8000 Menschen arbeiten in Barkan, zur Hälfte Juden, zur Hälfte »Palästinenser«.

Eine von ihnen war Kim Levengrond Yehezkel. Die 28-Jährige arbeitete als Sekretärin in der Recycling-Fabrik der Alon Group. Sie hinterlässt ihren Ehemann und ein 16 Monate altes Baby. Das zweite Todesopfer wurde als Ziv Hagbi identifiziert. Die Eltern des 35-jährigen Buchhalters erklärten, dass die Organe ihres Sohnes gespendet werden sollten.

Was haben diese drei scheinbar willkürlich ausgewählten Dinge nun miteinander zu tun? Nun, weder gab es zum Tode von Yehezkel und Hagbi zornige Parlamentsreden, die die Bürger dazu aufriefen, gegen den arabischen Terror auf die Straße zugehen. Es legten auch keine »betroffenen« Bürger Blumen ab – vor der Israelischen Botschaft etwa oder einem Generalkonsulat, wahlweise in Frankfurt oder München. Und auch brennende Grablichter suchte man vergebens. Stattdessen titelte Zeit Online voller Mitgefühl: »Zwei Israelis bei Gewalttat getötet.« Und die Deutsche Presse-Agentur sekundierte: »Zwei Israelis bei Angriff im Westjordanland getötet.« So ein Angriff, der ist ja immer was Militärisches. Ein Ergebnis von Ursache und Wirkung, suggeriert die Zeile.

Schon klar, Kollegen und Landsleute – aber wo bleibt da die deutsche Empathie?

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Über den Autor / die Autorin

Daniel Killy

Schreibt, berät und berät Schreibende sowie (Medien-)Unternehmen. Ist aber zuvörderst und mit Herzblut Journalist, Kommentator und Autor in den unterschiedlichsten Medien und im Blog »Salonkolumnisten« mit den Schwerpunkten internationale und nationale Politik, Jüdisches, Kultur und – als journalistisches Hobby –, American Football. Im Ehrenamt Vizepräsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft und Sprecher der Jüdischen Gemeinde in Hamburg. Lebt in Hamburg und nach Möglichkeit in seinem Seelenversteck in Florida.

Von Daniel Killy