DAS ENDE DER OPEC

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USA wird weltweit größter Öl-Produzent

Im Herbst 1973, während des Jom-Kippur-Krieges, reduzierte die OPEC (Organisation der arabischen Erdöl produzierenden Staaten) die Ölproduktion um fünf Prozent, um die westlichen Staaten unter Druck zu setzen. Sie hofften mit dieser Form der Erpressung, den Westen zu ‚überzeugen’, die Unterstützung Israels aufzugeben.

Auf der Grundlage von Energieermächtigungsgesetzen wurden in Deutschland, der Schweiz und Österreich für ‚Autofreie Tage’ ein Fahrverbot und eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen verhängt. In Italien wurden Gutscheine für Benzin verteilt. Der Ölpreis stieg innerhalb weniger Wochen um 70%, die Kosten für den Import von Öl explodierten und hatten einen extrem negativen Einfluss auf die Wirtschaftsentwicklung in Westeuropa. Zu den Spätfolgen zählen die Einführung der Sommerzeit und die sogenannten Energieferien im Winter um Heizöl zu sparen.

Europa befand sich am Rande eines möglichen 3. Weltkrieges. Durch ein 30 Jahre später veröffentlichtes Geheimdokument wurde bekannt, dass die britische und amerikanische Regierung bereits eine militärische Intervention gegen Saudi-Arabien und Kuwait planten, die jedoch durch den schnellen Erfolg der israelischen Truppen und dem Einlenken der ölproduzierenden Länder überflüssig wurde.

Der erpresserische Versuch der OPEC vermittelte eine Botschaft an den Westen, die allerdings ganz anders verstanden wurde: Nie wieder Abhängigkeit! Nie wieder erpressbar! Europa und die USA stellten ihre gesamte Energieversorgung um. Depots wurden angelegt, alternative Energieversorgungen gefördert und entwickelt und vor allem die USA beschloss, die eigenen Reserven intensiv zu nutzen.

Wie anders sieht die Situation heute aus. Nach Rystad Energy, einer der weltweit wichtigsten Energie-Consulting Gruppe, sind die Öl-Reserven der USA heute größer als die der bisher wichtigsten Öl-Produzenten, Russland und Saudi-Arabien. Die USA werden in naher Zukunft nicht nur völlig unabhängig von Energieimporten sein, sondern als direkter Konkurrent der traditionellen Produzenten den Weltmarkt aufmischen.

Die Ölindustrie unterscheidet zwischen conventional oil producer wie Saudi-Arabien und Russland und unconvential oil producer wie Amerika und Kanada, die zum Beispiel shale oil (Schieferöl) gewinnen. Texas alleine hat Reserven von 60 Mrd. Barrels shales oil, im Vergleich dazu liegen die gesamten Reserven Saudi-Arabiens bei ca. 210 Mrd. Barrels.

Während die weltweit insgesamt ca. 60 000 Ölfelder kaum noch Überraschungen erwarten lassen, zeigen die Methoden der Gewinnung von shale oil eine rasante Entwicklung. Entscheidend für die Zukunft der unkonventionellen Ölgewinnung sind die Herstellungskosten, die in den letzten Jahren dramatisch gesenkt werden konnten und so die OPEC in eine Situation zwingen, aus der sie derzeit keinen Ausweg findet.

Ein paar Jahre lang funktionierte das Preisdiktat der OPEC, durch Erhöhung und Reduzierung von Fördermengen den Marktpreis zu manipulieren. Durch die ehemals hohen Kosten der Ölgewinnung in den USA machte ein Preis von unter 60 USD/Barrel die unkonventionellen US-Methoden zu einem Verlustgeschäft. Derzeit kostet jedoch die Gewinnung in den USA bereits weniger als 40 USD/Barrel und ein Preis unter 40 Dollar bringt die traditionellen Ölhersteller in eine finanziell katastrophale Situation, die durch mehr Förderung nicht mehr ausgeglichen werden kann.

Was also tun?

Die Gewinnungskosten bei den konventionellen Ölproduzenten liegen bei 10USD/Barrel, also immer noch weit unter den Kosten von shale oil. Die Finanzlücken in den Kassen der traditionellen Ölhersteller, die ihre industrielle Entwicklung in den letzten Jahrzehnten vernachlässigten und sich nur auf Öl-Einnahmen verließen, lassen einen Konkurrenzkampf über den Ölpreis mit der USA nicht mehr zu. Ein Preis unter 30 USD/Barrel macht zwar die Gewinnung in den USA zu teuer, bringt jedoch den traditionellen Herstellern zu wenig Einnahmen und hatte zur Folge, dass zahlreiche OPEC Mitglieder sich nicht mehr an die vereinbarten Fördermengen hielten.

Saudi-Arabien als informeller Leiter der OPEC beschäftigt auch noch ein ganz anderes Problem. Der geplante Börsengang der staatlichen Ölgesellschaft Saudi Aramco, der das Milliardenloch im Haushalt stopfen sollte, macht nur dann Sinn, wenn der Preis bei mindestens 60 USD/Barrel liegt. Derzeit erreicht er nicht einmal die 50 Dollar Grenze.

Das Ergebnis ist ein Zerfall der Machtstruktur der OPEC und eine völlige Neugestaltung des weltweiten Energiemarktes. Europa und der Rest der Welt sollte sich bei der USA für diese neue Form der Unabhängigkeit im Energiebereich bedanken, doch das Gegenteil ist der Fall.

Vorteil für Europa

Die deutsche Kanzlerin Merkel beendete ihre Rede nach dem Treffen der 20 Industrienationen in Hamburg mit der üblichen Schelte Donald Trumps wegen dessen Weigerung, das Pariser Klimaabkommen zu unterzeichnen. Wie sehr die ‚grüngläubige’ demonstrative Show der Kanzlerin an der Realität vorbei geht, zeigt die Energieversorgung Deutschlands.

2016 waren 36% davon Öl, 24% Kohle und 23% Gas; das heißt mehr als 80% der Versorgung kam von fossilen Brennstoffen. Im Vergleich dazu produzierte das angeblich ‚grüne’ Deutschland nur 2,1% des Energiebedarfs durch Wind, und 1,2% durch Solarenergie. Seit 2009 verringerte Deutschland trotz aller schönen Worte die jährliche CO2 Emission nur um lächerliche 0,1%.

Der Verfall des Ölpreises – hervorgerufen durch die US-Produktion und die Verringerung der Importe – halbierte die Kosten der Energieversorgung sowohl für Industrie als auch die privaten Verbraucher in Deutschland innerhalb weniger Jahre um 50%. Fracking, in Deutschland und anderen europäischen Ländern Europas verboten, hat nicht nur einen Effekt auf die Energiekosten, sondern reduziert auch den Kohleverbrauch und hat somit einen Einfluss auf die C02 Emission, die in den USA durch das billige heimische Öl seit 2005 um 14% verringert wurde.

Asien bestimmt den Ölpreis

Trotz der positiven Entwicklung der US-Produktion sieht die International Energy Agency (IEA) nach 2020 einen verstärkten Einfluss der traditionellen Ölproduzenten durch das starke Bevölkerungswachstum Asiens und die Wirtschaftsentwicklung von China und Indien. IEA rechnet, dass 2035 etwa 90% der Exporte aus den arabischen Ländern nach Asien gehen werden. Die USA ist zwar dann unabhängig und selbstversorgend, wird jedoch zu wenig Öl produzieren können, um am Weltmarkt aktiv zu werden. Verbrauch und Nachfrage aus Asien werden den Preis bestimmen und Europa wird sich dem unterwerfen müssen. Nach 2025 könnte laut IEA der Ölpreis auf etwa 250 USD/Barrel steigen und die Wirtschaftsentwicklung in den westlichen Ländern (außer USA und Kanada) extrem negativ beeinflussen.

Ob Europa sich dann noch leisten kann, auf eigene shale oil Vorkommen und die Gewinnung zu verzichten, wird sich zeigen. Die derzeitige Verbreitung alternativer Energiequellen macht sich zwar nett als ‚schöne Worte Politik’ beim gegenseitigen Schulterklopfen und der Verdammung der USA – eine reale Auswirkung auf die Energieversorgung hat sie bisher keine.

Über den Autor / die Autorin

Peter Sichrovsky

Klassische Dilettanten-Karriere, wenig von viel und viel von wenig zu wissen, zu können, nach Studium der Chemie Marketing in Pharmaindustrie, dann Journalist, Schriftsteller, Mit-Gründer des Standards, SZ/Stern Korrespondent in Asien, EU-Parlamentarier, die letzten zehn Jahre Industrie-Karriere in Süd-Ost-Asien, 23 mal übersiedelt und nach Wien, Berlin, New York, München, New Delhi, Singapur, Hong Kong, Manila, Los Angeles und Brüssel in Chicago gelandet. Seit September 2017 lebt Peter Sichrovsky in London.

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