VERDUMMUNGSVERBOT

V

Vom Recht auf die Burka

Schon als die ca. 40-jährige in meinen Wagen steigt ahne ich: „Ojegerl, das wird eine zache Partie“. Nenne es Bauchgefühl oder Taxler-Intuition, aber nach Jahrzehnten des gewerblichen Kutschierens spürt man, wenn eine Fuhr sich als Nerven-Sargnagel entpuppen wird. Gleich nachdem sie mir die Zieladresse im 19. Hieb genannt hat geht es auch schon los:

„Ah, ich komme ja gerade von der Demo gegen das Verhüllungsgebot“, seufzt die Gnädigste beglückt von hinten, „es ist so wichtig, sich in heutzutage gegen Diskriminierung zu engagieren.“ Ich schweige. Mir fällt ein, dass ich davon in der Zeitung gelesen habe. Ein paar Clowns und andere Protest-Kasperln wollten sich an diesem Sonntagnachmittag mit verhülltem Gesicht vors Parlament stellen und für das Recht der Frau auf die Burka demonstrieren. Letzens habe ich wieder so ein schwarz vermummtes Geschwader auf der Mariahilferstraße gesehen, mit Einkaufsackerln in der Hand. Ein Stück Mittelalter zwischen Adidas-Shop, H&M und McDonald’s. Ich denke an meine Freundin Bettina, die Hauptschullehrerin ist, und was sie über diese auf Augenschlitze reduzierten verhüllten Mütter ihrer Schützlinge aus dem arabischen Kulturkreis berichtet. Mit denen in Kontakt zu kommen, sei schon alleine wegen dieser Stofffetzen im Gesicht schwierig.

Rotes Tuch

„Ich finds so arg, dass Frauen jetzt wegen diesem Burka-Verbot gestraft und davon abgehalten werden, am öffentlichen Leben teilzunehmen. Das ist absolute Ausgrenzung“, setzt mein Fahrgast zum zweiten Versuch an. Ich weiß auch nicht, aber die Anhänger dieser Mittelalter-Kultur haben was mit den Veganern gemeinsam. Den inneren Drang, dir umgehend ihre spezielle Weltanschauung unter die Nase zu reiben. Ich seufze müde und will nichts sagen. Aber genau das ist das Problem bei mir: Ich weiß, ich sollte die Pappn halten. Aber dann höre ich mich reden.

„Gnädigste“, sag ich, „stellens Ihnen vor, ich hätte so einen Fetzen an, von oben bis unten, wo nur die Augen rausschauen, und man nicht weiß, was drinsteckt. Hättens mich dann angeredet? Wärens überhaupt eingestiegen, in mein Wagen?“ Ich höre, wie sie empört nach Luft schnappt. „Und umgekehrt“, sprudelt es aus mir raus, „wie soll man am Leben rundum teilhaben, wenn man in so einem Stoffgefängnis festsitzt? Das ist die wahre Ausgrenzung.“

„Ja bitteschön, aber es soll doch jede Frau entscheiden dürfen, was sie anzieht“, kommt es darauf schrill von hinten. „Genau“, sage ich, „darum gehören auch genau die Frauen unterstützt, die sich weigern, als wandelnder Müllsack durch die Gegend zu ziehen, nur damit Männer nicht die Herrschaft über ihre Triebe verlieren. Immerhin ist ja jedes weibliche Wesen ein Sexobjekt. So sehen das diese Fundamentalisten nämlich.“

Nein nein, keiner zwingt Frauen, sich zu verhüllen“, argumentiert sie, „das ist ein deppates Vorurteil. Die wollen das so, die Frauen. Die meisten halt. Das ist ein Teil ihrer Kultur.“ Ich überlege, warum es eigentlich noch kein Verdummungsverbot gibt: „Na dann schauens einmal in die Länder, wo diese Steinzeitkleidungsvorschrift herkommt. Die sind nicht gerade für Frauenrechte und Emanzipation bekannt. Eher für Scharia, Steinigung und Unterdrückung. Oder?“

Steinzeit reloaded

Wir biegen in die Grinzingerstraße ein, und kurz ist es ruhig im Wagen. Mein Fahrgast wirft einen Blick auf den Taxometer und kramt aus ihrem Lederrucksack eine Geldbörse hervor: „Trotzdem, bei uns ist das ja anders. Wir sind in Österreich. Und so ein Burkaverbot ist reine Symbolpolitik, da tut man nur den Rechten einen Gefallen.“

Der Schriftzug Louis Vuitton ziert das feine Tascherl, und ich war lange genug verheiratet, um zu wissen, was das für eine Marke ist. Tja, die Symbole. Ich verbeiße mir ein Grinsen. „Wissens Sie“, sage ich zum Abschied, „meine Tochter ist jetzt 16. Und sie trägt gerne kurze Rockerln und so Sachen. Ich möchte nicht, dass sie deswegen einmal als Hure und Freiwild abgestempelt wird, nur weil dann die Ganzkörper-Verhüllung von Frauen zum normalen Stadtbild gehört. Und sich damit eine Prüderie und Verklemmtheit breitmacht, gegen die unsere Mamas in den 60ern ihre BHs verbrannt haben. Also meiner taugt der Steinzeit-Look jedenfalls überhaupt nicht. Ihrer schon?“

„Was rede ich überhaupt mit Ihnen. Als Mann verstehen Sie davon ja überhaupt nix“, zischt mein Fahrgast, bevor sie die Türe hinter sich zuschlägt. Womit zum Thema Toleranz so einiges gesagt wäre, so rein symbolisch.
 

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Über den Autor / die Autorin

Walter Vukovic

Walter „Wukkerl“ Vuković, 44, ist Taxifahrer. Mitten in Wien und zwischen den Welten. Wukkerl hat Migrations-Hintergrund (Vater aus Serbien, in den 70ern als Gastarbeiter nach Wien gekommen, Mutter Österreicherin), ist geschieden und Vater einer Tochter (15).

Von Walter Vukovic