IBIZA DROHT ÜBERALL

I

Vom Scheitern der Organisation einer Partei

Meine Zeit in der Politik dauerte nur acht Jahre lang. Im Vergleich zu den meisten Politikern eine eher kurze Periode. Rückblickend könnte ich versuchen, diesen Lebensabschnitt zu hinterfragen und mir vorzustellen, wenn ich gewusst hätte, was diesem Entschluss folgen würde, wäre ich dennoch bereit gewesen, die Einladung zur Kandidatur anzunehmen? Wahrscheinlich würde ich mir selbst mit den Worten von Woody Allen antworten, der einst in einem Interview sagte, hätte er die Chance, sein Leben noch einmal zu leben, er würde all die Fehler noch einmal machen.

Was dennoch eine gewisse Lücke in meinen Erinnerungen hinterlässt, ist das Erlebnis von H.C. Strache und Johann Gudenus, auf das ich natürlich mit Empörung, jedoch auch ein wenig Eifersucht reagierte. Wo waren die schönen Frauen, die versuchten, mich zu beeinflussen, für die ich wichtig genug gewesen wäre, mich zu einem Flug nach Ibiza zu überreden, mit all ihren Verführungskünsten und finanziellen Versprechungen? Es fehlte damals die Erotik, alles sieht heute rückblickend glattgebügelt und klosterschülerinnenhaft aus. Niemand meldete sich mit verlockenden Angeboten und zweideutigen Versprechungen, auf die ich wer weiß wie reagiert hätte.

Es gab genügend ungewöhnliche Erlebnisse, vor allem gemeinsam mit Jörg Haider, für den sich alle möglichen Personen interessierten. Wie zum Beispiel ein amerikanischer Milliardär, der sich an mich gewandt hatte mit der Bitte, Jörg Haider kennenzulernen. Er organisierte ein Abendessen auf der Terrasse seines Penthouses in Manhattan mit Blick über den Hudson River, zu dem manche der Eingeladenen mit ihren Privatflugzeugen angereist waren, und öffnete zur Feier des Abends eine Flasche Portwein, die über hundert Jahre alt war, mit einem besonderen Glasmesser, mit dem er den Hals der Flasche abschnitt, da der Kork nicht mehr entfernt werden konnte. 

Jörg Haider, als Ehrengast, litt derart an Müdigkeit wegen der Anreise aus Wien, dass er der Unterhaltung der schnell sprechenden Gäste kaum folgen konnte, und ich meistens für ihn antwortete. Höhepunkt des Abends war das Missgeschick meiner Frau, die einem der Gäste, einem Lord aus London, die Salatschüssel beim Weiterreichen in den Schoß leerte, da sie ihr aus den Händen glitt, was jedoch eine eindrucksvolle Reaktion des Gastgebers zur Folge hatte, der dem Engländer eine andere Hose anbot und ein paar Stunden später, als wir alle aufbrachen, eine chinesische Hausangestellte die gereinigte und gebügelte Hose dem Lord wieder zurückgab. 

Mit Susanne Riess traf ich den weltbekannten Maler Menashe Kadishman in seiner Wohnung in Tel Aviv – auch diese Einladung war vorerst verdächtig –, der uns jedoch freundlich lächelnd und halb nackt in seinem Nachthemd begrüßte, das er verkehrt trug, und der erstaunten Vize-Kanzlerin erklärte, er würde sich erst wieder normal kleiden, wenn Israelis und Palästinenser einen Friedensvertrag abgeschlossen hätten. 

Geheimbesuch in Tel Aviv

Manche Angebote klangen derart absurd, dass der Entschluss sie anzunehmen, eine längere Überprüfung notwendig machte. Ein Kontaktmann des israelischen Geheimdienstes sprach mich an, ob der damalige Verteidigungsminister Herbert Scheibner bereit wäre, zu einem Geheimbesuch nach Israel zu kommen. 

Es klang wenig glaubwürdig, da die israelische Regierung damals sämtliche Beziehung zu Österreich abgebrochen hatte. Man sei bei Scheibner an seinen Kontakten nach Syrien interessiert, war die Begründung der Einladung. Nach längerem Hin und Her entschloss sich Scheibner, gemeinsam mit mir nach Tel Aviv zu fliegen. Wir hatten keine Ahnung, was uns erwarten würde, vielleicht ein paar Journalisten, die berichten würden, wie Scheibner in die Falle tappte. 

Nach der Landung begleitete ein Auto das Flugzeug in die hinterste Ecke des Flughafens und Scheibner ersuchte mich, zuerst mit den Männern zu sprechen, die auf dem Flugfeld warteten. Ich verließ als erster das Flugzeug. Zwei Männer grüßten kaum, zogen mich in ein Auto mit verdunkelten Fenstern, und es raste davon. Bis ich erklären konnte, dass nicht ich der Verteidigungsminister sei, hatten wir bereit das Flughafen-Gebäude erreicht, fuhren wieder zurück und holten Herbert Scheibner ab. Kein Journalist erfuhr von dem Besuch, und es entwickelte sich durch dieses Treffen und einem geheimen Gegenbesuch des israelischen Kollegen in Wien ein wichtiger ›inoffizieller‹ Kontakt zwischen den Verteidigungsministerien der beiden Länder.

Keine verlockenden Angebote

Doch Einladungen verlockend aussehender Frauen erreichten mich nicht, und sie hatten offensichtlich keine Ahnung, was sie versäumten. Mit meiner Großzügigkeit hätte ich weit mehr Angebote gemacht als die beiden Freiheitlichen in Ibiza, und keinen Millimeter wäre ich davon abgewichen. 

Natürlich hätte ich die KRONE verkauft, auch das Wasser und etliche Bauaufträge vermittelt. Nichts ist leichter anzubieten, als das, was einem nicht gehört, wenn eine verführerische Frau ihr Interesse zeigt. Vom Preis her wäre ich flexibler gewesen. Die Summen aus dem Video scheinen mir zufällige Zahlen, vielleicht erste Vorschläge, aber bei einer gleichgültigen Reaktion wie es die »scharfe Russin« zeigte, wäre ich zu einem sofortigen Nachlass bereit gewesen.

Nach einer Einigung über Zeitungen, Bauaufträge und Wasserversorgung hätte ich weitere Vorschläge gemacht. Zum Beispiel die Privatisierung der Straßenbahn-Linie 38 in Wien, die an meiner Wohnung vorbeifährt und viel zu oft am Weg ins Zentrum stehen bleibt. Mein Angebot wäre natürlich mit der Forderung verbunden, die Hälfte der Stationen aufzulassen. Sie müsste auch öfters fahren und die Sitze sollten ausgetauscht werden, das harte Plastik ist einfach nicht zumutbar. 

Und natürlich der ORF, den würde ich sofort anbieten, eventuell mit der Bitte, die pensionsreifen Schauspieler der Krimi-Serie ›Tatort‹ auszutauschen, damit sie nicht mehr in enger Hose und T-Shirt Kommissare in den ›besten Jahren‹ spielen und keuchend den flüchtenden Verbrechern nachlaufen müssten. Auf dem Gebiet der Immobilien gäbe es Duzende Möglichkeiten, wie zum Beispiel Wohnungen in unserem Haus, allerdings nur, wenn Bewohner gekündigt würden, die mich täglich an die Einhaltung der Hausordnung erinnern.

Kommunikation und Kontrolle

Prominente Politiker wurden immer schon mit Angeboten, Ersuchen um Interventionen, oder auch nur Einladungen aus Neugierde und Interesse konfrontiert. Dafür brauchen Parteien ein funktionierendes Kontrollsystem, das die Prominenz und Aushängeschilder der eigenen Bewegung abschirmt, schützt, sie begleitet – oder verdächtige Einladungen verhindert. Rund um Jörg Haider und Susanne Riess gab es genügend Interesse von zwielichtigen Gestalten, doch Einladungen wurden begutachtet und bewertet, bevor man sie angenommen oder abgelehnt hatte. 

Erst als Jörg Haider auf eigene Faust Diktatoren im arabischen Raum besuchte, ohne auf Warnungen zu hören, die auch aus der eigenen Partei kamen, und er sich wahrscheinlich mit einem der sieben Doubles von Saddam Hussein lächerlich machte, zerstörte er nicht nur seinen eigenen Ruf, sondern mittelfristig auch den der Partei. Ein selbstgefälliges Verhalten, überlagert von Eitelkeit und Selbstüberschätzung und der mangelnden Fähigkeit, eigene Entscheidungen zu hinterfragen, sich mit anderen zu besprechen und auf deren Rat zu hören, beschleunigte den Abstieg in die Lächerlichkeit. 

Ibiza ist nicht nur ein Video, zeigt nicht nur das blamable Verhalten von zwei Politikern, sondern auch das Scheitern der Organisation einer Partei, die als Regierungspartner mit dieser Struktur und Personalauswahl falsch eingeschätzt wurde. 

Für Regierungsfähigkeit braucht es einen funktionierenden Apparat, eine Hierarchie mit Führungsebene und Mittelbau, gegenseitigem Vertrauen und Respekt. Die Verhinderung von Fehlern ist oft wichtiger als erfolgreiche politische Programme. Funktionieren Kommunikation und Kontrolle zwischen den Ebenen der Hierarchie nicht, und jede/jeder trifft eigene Entscheidungen, bricht das System wie ein Kartenhaus beim leisesten Windstoß zusammen.

Zuerst erschienen in NEWS. 


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Über den Autor / die Autorin

Peter Sichrovsky

Klassische Dilettanten-Karriere, wenig von viel und viel von wenig zu wissen, zu können, nach Studium der Chemie Marketing in Pharmaindustrie, dann Journalist, Schriftsteller, Mit-Gründer des Standards, SZ/Stern Korrespondent in Asien, EU-Parlamentarier, die letzten zehn Jahre Industrie-Karriere in Süd-Ost-Asien, 23 mal übersiedelt und nach Wien, Berlin, New York, München, New Delhi, Singapur, Hong Kong, Manila, Los Angeles und Brüssel in Chicago gelandet. Seit September 2017 lebt Peter Sichrovsky in London.

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