GOODBYE MR. PRESIDENT

G

Time to go

»Mr President, entschuldigen Sie, wenn ich noch einmal störe, es tut mir ja wirklich leid, haben Sie schon die Listen durchgesehen? Die müssen noch abgezeichnet werden.«

»Was für Listen, ich hab jetzt keine Zeit, ich warte auf einen wichtigen Anruf, komm später!«

»Es tut mir ja leid, sehr leid sogar, aber die Telefone im Arbeitszimmer hier sind schon abgeschalten.«

»Was? Das ist doch eine Frechheit. Ich bin der Präsident, und ohne Telefon, wartet nur, ihr Diebe, wo ist mein Handy, verdammt, wo sind alle meine Telefone?«

»Auch die haben wir eingepackt, alles ist schon eingepackt, auch die Mobiltelefone, draußen in der schwarzen Tasche ist noch eines. Deshalb bitte ich Sie, die Listen abzuzeichnen.«

»Das interessiert mich nicht, soll meine Frau machen, ich hab Wichtigeres zu tun. Ich bin der Präsident, schon vergessen?«

»Die ist schon vor zwei Wochen ausgezogen, mit dem Sohn.«

»Was, warum sagt mir das keiner, lauter Verräter hier, alles Verräter, wartet nur, bis der Betrug aufgedeckt wird, und dann…«

»Es ist doch vorbei, nur mehr Sie sind hier, und das Übersiedlungsteam, wir müssen heute alles fortschaffen, die von Präsident Biden warten doch schon. Das soll ja alles hier umgebaut werden.«

»Ich will diesen Namen nicht hören, das hab ich extra angeordnet, ich werfe sie hinaus, ich, ich habe sie… ich hab sie gewarnt, alle gewarnt, wenn ich den Namen noch einmal höre! Und umbauen? Was soll umgebaut werden?«

»Jeder hat halt seine eigenen Ideen.«

»Neue Ideen, dass ich nicht lache, dieser Kleinbürger, dieser Feigling, wahrscheinlich tauscht er meine Klobrille aus, mit einer aus Holz… wie konnt’ ich gegen so einen verlieren, gegen so eine Null….«

»Das geht mich ja alles nichts an, bin nur verantwortlich, dass bis Mitternacht alles weg ist. Bitte unterschreiben Sie doch endlich die Papiere!«

»Also, wenn schon angeblich alles weg ist, wieso ist dann mein Schreibtisch noch hier?«

»Das ist der Schreibtisch im Oval Office, der gehört nicht Ihnen, es tut mir ja leid.«

»Der gehört nicht mir? Den hab ich ausgesucht!«

»Der war schon vorher hier. Der bleibt immer in diesem Büro und wird vom nächsten Präsidenten übernommen. Es tut mir ja leid, wie gesagt, aber können Sie jetzt bitte…«

»Das ist eine Lüge, alles Lügen, das ist mein Schreibtisch! Heisst das, der, dessen Name wir nicht aussprechen, wird hier sitzen, an meinem Schreibtisch?«

»Ja, so ist das halt…es tut mir ja leid…«

»Jetzt hör schon auf mit dem ‚tut mir leid‘, dein Gejammer ist ja nicht zum aushalten, rede doch wie ein Mann, schau mich an!«

»Wir haben Sie alle immer bewundert, Mr President, aber bitte, unterschreiben Sie doch jetzt.«

»Ich fühl mich wie ein Zwanzigjähriger, ich kann’s dir beweisen, ich könnt einen Handstand hier mitten im Zimmer machen!«

»Bitte nicht, Mr President…«

»Oder, meinen Sessel, den kann ich mit einer Hand heben, hoch übern Kopf!«

»Um Gottes Willen, Sie werden sich noch verletzen…«

»Geh doch weg, ich kann das!«

»Stellen Sie ihn nieder, der ist zu schwer!«

»Pha, zu schwer, lächerlich!«

»Achtung, Achtung, warten, Sie , Sie werden noch stolpern….mein Gott, haben Sie sich weh getan, können sie aufstehen?«

»Weg da….das ist ja gar nicht mein Sessel, den hat einer ausgetauscht, lauter Verbrecher hier…lass mich, ich kann alleine aufstehen!«

»Bin ich froh, dass Sie sich nicht verletzt haben, kommen sie, setzen Sie sich, ganz ruhig… können Sie vielleicht jetzt unterschreiben, hier ist ein Kugelschreiber.«

»Ich hätt’ es geschafft, wenn es mein Sessel gewesen wäre… ein Kugelschreiber, sehr gut, weisst du, was ich jetzt mache, jetzt zeig ich dir, was Mut ist, hier kratze ich eine Begrüßung für den Herrn ohne Namen!«

»Bitte, Mr President, das ist doch der offizielle Arbeitstisch!«

»Ist mir scheiß egal, hier, gleich haben wir es… jetzt…komm her, schau!«

»Das kann man ja kaum lesen.«

»Gut, dann werd ich die Kratzer anmalen… so … kann man es jetzt lesen?«

»Also, das geht doch nicht!«

»Na? Was steht da, kann man es lesen?«

»Ja, aber…«

»Na, sag schon, kann man es lesen oder nicht, trau dich!«

»Ich glaub, da steht ›Fuck You Mr Biden‹, das können Sie nicht, das muss ich jetzt wegmachen!«

»Untersteh dich, ich schmeiß dich hinaus, ich schmeiß euch alle hinaus!«

»Es sind doch schon alle weg, Mr. President, außer uns beiden und den Arbeitern draußen, können Sie jetzt bitte die Listen abzeichnen, es sind ja nur mehr wenige Kisten mit Kleidung und Ihre Golfschläger da.«

»Also gib schon her, meine Augen sind noch wie früher, da staunst du was, keine Brillen brauch ich… was, 46 blaue Anzüge, das kann nicht stimmen, das waren mehr, und nur 32 rote Krawatten! Auch falsch! Zwölf Taschen mit Golfschlägern, pah, das waren viel mehr, da will mich jemand bestehlen, mich betrügen!«

»Wir haben es genau gezählt, Mr President, ich garantiere Ihnen, es stimmt alles.«

»Zählen Sie sie noch einmal, ich warte so lange hier, und wenn es bis morgen dauert.«

»Wir haben dreimal gezählt, es sind nicht mehr, und noch einmal, um Mitternacht müssen Sie hier raus!«

»Ich geh hier nicht weg, basta, ich lass mich nicht von einem Betrüger hinausdrängen, das ist mein Haus und auch mein Schreibtisch, und wenn meine Anzüge fehlen, geh ich noch einmal vor Gericht, wo ist mein Anwalt, ruf meinen Anwalt!«

»Mr President, ich hab doch schon gesagt, es ist niemand da außer uns beiden, die Mitarbeiter und Anwälte sind weg, Ihre Familie ist weg…«

»Blödsinn, ist doch alles fake, alles gelogen, undankbares Volk, dabei hab ich so viel getan, es geht allen so viel besser, jetzt lassen sie mich in Stich, laufen davon, die Angsthasen, immer war ich von lauter Feiglingen umgeben… hab so viel getan… das musst doch auch du bemerkt haben, ich hab sogar die Steuern gesenkt!«

»Ja, mein Boss ist auch ganz begeistert von ihnen, der hat gesagt, er macht jetzt viel mehr Gewinn bei den niedrigeren Steuern… bei mir, nun ja, da ist es mir weniger aufgefallen.«

»Und der Sudan, wer hat den Frieden mit Sudan möglich gemacht, das hat keiner vor mir geschafft, was sagst du dazu?«

»Ja, der Sudan, das war schon toll… bitte, entschuldigen Sie die Frage, wo liegt der Sudan?«

»In Afrika, du Idiot!«

»Ach ja, in Afrika, na ganz toll…..«

»Und China? Wer ist zum ersten Mal gegen China aufgestanden und hat auf den Tisch gehaut, und gesagt: so geht’s nicht!«

»Auch ganz toll, Mr President, wirklich, großartig wie Sie das gemacht haben, man hat richtig gespürt, wie die Chinesen gezittert haben!«

»Du verstehst einfach nichts, einfach zu blöd, dabei haben mich immer alle so gut verstanden!«

»Ich mach’ nur Übersiedelungen, da hat man andere Probleme….«

»Ihr seid doch alle zu blöd, um mich zu verstehen, dabei bin ich doch einer von euch… warum liebt mich keiner mehr, alle haben mir zugejubelt… 71 Millionen Menschen haben mich gewählt, und trotzdem verloren, ich versteh es nicht.«

»Mr President, wenn Sie die Listen nicht unterzeichnen, auch gut, dann schaffen wir jetzt den Rest hinaus. Draußen wartet Ihre Limousine, die Sie nach New York bringt.«

»Nein, ich geh nicht, ich geh einfach nicht!«

»Aber bitte, Mr President, ziehen Sie doch den schönen blauen Anzug an, ihr Butler hat alles vorbereitet, Sie können ja nicht im Pyjama raus, draußen ist sicherlich viel Presse.«

»Ich bleib hier, so wie ich bin, schluß, punkt, fertig, ich lass euch alle verhaften, ich…«

»Mein Gott, was soll ich bloss machen, mir bleibt ja nichts anderes übrig… Mr President, hier sind meine Kollegen, das ist Georges, immer schon ein Fan von Ihnen, und das ist Jimmy, na ja, der hat eher den anderen bewundert. Die beiden würden ihnen jetzt helfen…«

»Fasst mich nicht an, ich bin der Präsident, Hände weg… Hilfe… Ivanka, wo ist Ivanka!«

Zuerst erschienen in NEWS. 


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Über den Autor / die Autorin

Peter Sichrovsky

Klassische Dilettanten-Karriere, wenig von viel und viel von wenig zu wissen, zu können, nach Studium der Chemie Marketing in Pharmaindustrie, dann Journalist, Schriftsteller, Mit-Gründer des Standards, SZ/Stern Korrespondent in Asien, EU-Parlamentarier, die letzten zehn Jahre Industrie-Karriere in Süd-Ost-Asien, 23 mal übersiedelt und nach Wien, Berlin, New York, München, New Delhi, Singapur, Hong Kong, Manila, Los Angeles und Brüssel in Chicago gelandet. Seit September 2017 lebt Peter Sichrovsky in London.

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