Wer schützt uns eigentlich vor dem Klima?

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Der Klimarat hat sich für Maßnahmen entschieden, die vor allem das schlechte Gewissen beruhigen. Mehr Realismus wäre gefordert.

Dieser Tage hat der »Klimarat«, der sich aus 100 zufällig ausgewählten Bürgerinnen und Bürgern zusammensetzt, 93 Empfehlungen vorgestellt, wie Österreich 2040 klimaneutral werden könnte. Die Bevölkerung habe die Notwendigkeit erkannt und sei zu Veränderung bereit, wird der Klimaforscher Georg Kaser in den Medien zitiert. 

Was mit Veränderungen gemeint ist, zeigt ein Blick in den Endbericht des Klimarats. Neben Allgemeinplätzen sind so gut wie alle vorgeschlagenen Maßnahmen unter drei Oberbegriffe einzuordnen: Verzicht, Verbot und Verteuerung.  

Mehr Realismus

Die gute Nachricht zuerst: im globalen Maßstab sind wir jetzt schon klimaneutral. Österreich trägt gerade einmal 0,18 Prozent zum weltweiten CO2-Ausstoß bei, eine Quantité négligeable, wie man eine wegen ihrer Geringfügigkeit und Unbedeutendheit vernachlässigbare Menge nennt. 

Die schlechte Nachricht lautet demnach: was immer wir tun, hat auf das Klima keinen Einfluss. Selbst wenn das ganze Land morgen durch kollektiven Selbstmord den CO2-Ausstoß auf null reduzieren würde, hätte allein die Steigerung des CO2-Ausstoßes in China das eingesparte Treibhausgas in weniger als sechs Wochen wieder wettgemacht.

Doch wenn es um den Klimawandel geht, ist Realismus nicht gefragt. Wir beurteilen Maßnahmen nicht nach deren Einfluss auf das Klima, sondern nach deren Einfluss auf unser Gewissen. Schon bloßen Fragen nach Wirksamkeit haftet der Geruch des Frevelhaften an, nach Wirtschaftlichkeit wird erst gar nicht mehr gefragt. Nur als ein Beispiel unter vielen eines aus Wien, wo die Grünen bis 2020 zehn Jahre lang den Verkehrsstadtrat gestellt haben: Die Klimaschutzministerin stoppte den Bau einer 3,2 Kilometer Straße in ein Stadtentwicklungsgebiet mit der Begründung, man wolle sich in dreißig Jahren nicht vorwerfen lassen, nicht alles getan zu haben, um das Klima zu retten. Eine lächerliche Mischung aus Selbstüberschätzung und Symbolpolitik. 

Ob sich die hundert Mitglieder des Klimarats wohl auch dann für staatlich verordneten Verlust von Wohlstand und Komfort stark machen würden, wenn Ihnen bewusst wäre, dass diese Opfer gar keinen Einfluss auf das gewünschte Resultat – die Verlangsamung der Erderwärmung – haben? Ich bezweifle das. Gegen Risiken, deren Eintrittswahrscheinlichkeit man bei realistischer Betrachtung nicht selbst beeinflussen kann, sichert man sich gemeinhin so gut wie möglich ab. Wer Sturmschäden an seinem Haus befürchtet, investiert daher normalerweise in eine Sturmschadenversicherung statt in eine Turbine, die gegen den Wind anbläst. 

Klimaschutz: Schutz vor dem Klima

Es erstaunt also, dass sich die gesamte Politik darum zu drehen scheint, wie ein Land mit acht Millionen Einwohnern »das Klima schützen« kann, anstatt – mindestens in gleichem Maße – darum, wie sich diese acht Millionen am besten vor dem Klima schützen. 

Werden wir alle Wohn- und Arbeitsräume mit Klimaanlagen oder anderen Kühlsystemen ausstatten müssen, und wenn ja, wie viel Energie brauchen wir dafür und woher nehmen wir sie? Raumkühlung wird in Krankenhäusern, Alters- und Pflegeheimen unverzichtbar – gibt es irgendeinen Plan, in welcher Zeit und mit welchen Mitteln diese Institutionen ausgestattet werden? Wissen wir überhaupt, von welcher Größenordnung wir da reden? Spätestens seit Corona sollte zudem klar sein, dass mittelfristig in Arztpraxen, Schulen, Beratungsstellen und Ämtern an Belüftung und Filterung von Raumluft kein Weg vorbeiführt. Trotzdem ist immer nur von Wärmedämmung die Rede, die natürlich sinnvoll ist, weil sie den Energieaufwand für Heizung (und damit auch für Kühlung) vermindert. Aber es braucht zusätzlich eben auch ein System für Kühlung und Belüftung, schon um Schimmel zu verhindern, mit Dämmung allein ist es nicht getan. 

Die Begrünung unserer Innenstädte beschränkt sich immer noch vor allem darauf, da und dort einen Parkplatz für ein Bäumchen zu opfern. Wo Flächen neu gestaltet werden, dominieren Pflastersteine und Beton. Sind wir auf ⁠mehr Starkregen⁠ und Überflutungen vorbereitet, sind unsere Kanalisationen daran angepasst, sind unsere Frühwarnsysteme und Katastrophenschutzpläne auf dem aktuellen Stand?

Natürlich werden einige dieser Themen immer wieder gestreift, auch in den Empfehlungen des Klimarates. Aber die öffentliche Debatte findet unter anderen Vorzeichen statt.

Effektiv investieren              

Nicht einmal die Europäische Union, die am engsten verflochtene Staatengemeinschaft der Welt, kann sich in vergleichsweise einfachen Fragen wie Sicherheit, Einwanderung oder Verschuldung auf eine gemeinsame Politik einigen. Umso kühner wirkt die Annahme, »die Welt« könne das Klima durch multilaterale Abkommen auf den Grad genau steuern. Wir wären also gut beraten, uns bestmöglich auf den Klimawandel und seine Folgen vorzubereiten.

Dies ist kein Plädoyer für Tatenlosigkeit bei der Senkung des CO2-Ausstoßes. Dass wir achtsam mit unseren Ressourcen umgehen müssen, ist unumstritten, dass wir uns von fossiler Energie unabhängig machen müssen, ebenso. Einen der vielen guten Gründe führt uns gerade Russlands Krieg gegen die Ukraine vor Augen. Umso wichtiger ist es, die vorhandenen Mittel wirksam einzusetzen.

Für ein reiches Land der Größe Österreichs bedeutet das vor allem, in Forschung und Entwicklung von Technologien zu investieren, die den Preis für grüne Energie unter jenen für fossile Brennstoffe senken könnten. Nur an diesem Beitrag bemisst sich unser realer Einfluss auf den Klimawandel. 

 Zuerst erschienen im Pragmaticus.


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Über den Autor / die Autorin

Thomas M. Eppinger

Thomas Eppinger ist davon überzeugt, dass alle Menschen mit unveräußerlichen Rechten geboren sind, zu denen das Recht auf Leben, Freiheit und das Streben nach Glück gehören. Daraus ergab sich alles andere, auch diese Website.
Der Publizist ist 1961 in Vöcklabruck geboren, lebt heute in Graz und arbeitet in Wien als Lead Editor bei »Der Pragmaticus«. Davor leitete er den unabhängigen Nahost-Thinktank Mena-Watch.