»DER ANBRÄUNER«

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Photo: Hans Peter Schaeferhttp://www.reserv-a-rt.de, CC-BY 3.0

Über die Gartenzwerge der Kulturkritik

Der Maler Neo Rauch, dessen Werke am internationalen Kunstmarkt Preise von mehreren Millionen Euro erreichen und von dem selbst Brat Pitt ein Bild gekauft hatte, reagierte auf die wiederholten Versuche, ihn als »Rechten Maler« zu denunzieren, mit einem Bild, das er der Zeitschrift  DIE ZEIT geschickt hat.

Darauf ist ein Mann erkennbar mit reduziertem Backenbart, rasierter Oberlippe, Hemd und ärmelloser Weste, der mit nacktem Hintern auf einem Nachttopf sitzt und mit der Bräune seines Stuhlgangs einzelne, nicht leicht erkennbare Figuren malt, außer einer einzigen, die offensichtlich den Arm zum »Heil Hitler Gruß« hebt.

Der mit eher plakativen, manchmal an den sozialistischen Realismus erinnernden Bildern, die man in allen namhaften Museen der Welt findet, bekannt gewordene Maler ergriff das Mittel der Karikatur, um sich gegen diese Vorwürfe zu wehren – und es gelang ihm besser und überzeugender als alle bisherigen Verteidigungsreden. Der Maler wehrt sich mit einem Bild, mit seinen eigenen Mitteln der Kommunikation und blamiert und verhöhnt seine Gegner. 

Die Debatte, wer »rechts« sei, dominiert mehr und mehr den intellektuellen Diskurs. Dabei geht es nicht mehr nur um politische Ansichten. In der Kunst- und Literaturkritik hat die stilistische Bewertung und nicht nur der Inhalt eines Bildes, einer Statue oder eines literarischen Werkes das Niveau einer politischen Platzierung erreicht. In der Malerei geht es um bestimmte Maltechniken, um die Darstellung von Männern, sogar Gesichtsfarben und Größe der Nasen, in der Kritiker ein verdächtiges »Rechts-Denken« entdecken. Die Abschiebung des Künstlers in den Graubereich der Rechten bedeutet sofortige Isolierung im Kunstbetrieb. Künstler werden von Ausstellungen ausgeladen, ihre Bücher von Buchhandlungen aus dem Sortiment entfernt, und als Preisträger der oft lukrativen Kulturpreise kommen sie überhaupt nicht in Frage.

Eine selbsternannte Kulturpolizei, die weit in den Alltag der gesellschaftlichen Prozesse eingreift, wie auch in die Programm-Gestaltung der Museen und Theater, bestimmt mehr und mehr die Enge oder Weite der Akzeptanz, die Kriterien sind fließend und können praktisch täglich neu definiert werden. Vor ein paar Wochen wurde ein Künstler von der »Leipziger Jahresausstellung« ausgeladen, weil er gewisse Sympathien für die AfD äußerte. Es kann das Gesamt-Werk sein, aber auch nur Inhalt, Stil und Technik eines einzelnen Werkes, und es kann eine politische Positionierung des Werk-Schaffenden sein; als ob sein ganzes Leben genauestens untersucht werde, ob sich nicht irgendwo versteckt »rechte Reste« entdecken lassen, um ihn auszugrenzen.

Was ursprünglich als Debatte zwischen linkem und konservativem Kunstverständnis begann und sicherlich eine gewisse Berechtigung hatte, um Sexismus, Rassismus, Diskriminierung und Antisemitismus in Kunst und Wissenschaft zu entdecken und zur Diskussion zu stellen, veränderte sich nicht in eine »linke« Dominanz dieser Diskussion, sondern scheint in einer kleinbürgerlichen Spießigkeit zu ersticken. 

Wenn Linke heute aufmarschieren und versuchen, »rechtes Gedankengut« aus der Kultur zu entfernen, agieren sie wie eine Direktorin eines Mädcheninternats, die am Eingang steht und die Länge der Röcke der Mädchen kontrolliert. Es gibt diese neu entdecke Anständigkeit, die situationsbezogen jedes Mal neu definiert wird und auch nicht verteidigt werden muss. Es liegt dann am Betroffenen sich zu erklären, der wie Josef K. im Roman »Der Prozess« oft monatelang versucht dagegen anzukämpfen und mit mehr und mehr Erklärungen tiefer und tiefer in den rechten Sumpf eintaucht.

Als ich für die FPÖ kandidierte, bestand ausgerechnet das »Jewish Welcome Service«, eine Einrichtung der Gemeinde Wien, darauf, dass bei einem Literaturfestival in London, welches in Zusammenarbeit mit der Österreichischen Botschaft organisiert wurde, mein Name im Programm mit schwarzem Filzstift gestrichen wurde. Eine Ausladung alleine genügte ihnen nicht.

Der Theaterdirektor irgendeines Provinztheaters in Norddeutschland erklärte damals stolz gegenüber der Presse, er habe als antifaschistische Botschaft mein Theaterstück »Schuldig Geboren« vom Spielplan genommen. Da es in dem Stück um Kinder von einflussreichen Nationalsozialisten geht, ihr Verhältnis zu den Eltern und wie sie mit der Familiengeschichte fertig – oder eben nicht fertig – werden, ergab sich die absurde Situation, dass die »Helden« meines Stückes ein Verbot gegen ein Theaterstück aussprachen, das ihre eigene Geschichte thematisierte.

Die Einfalt der intellektuellen Auseinandersetzung in den Bereichen Kultur, Kunst, Wissenschaft und Religion entzieht sich immer mehr den traditionellen politischen Kriterien von »links« und »rechts«. Es ist der altmodische und angeblich in der Demokratie längst obsolete Begriff der Toleranz, der verloren geht. Für neue Kleinbürger, die scheinbar direkt aus dem Biedermeier kommen, geht es um die Verhinderung von Irritationen, störenden Gedanken, »aus-der-Reihe« fallenden Wortmeldungen. Letzendes geht es um die banale Methode der Zensur, ein Mittel des Verbots, der Verhinderung, das in Demokratien überwunden sein sollte. 

Die geistige Gartenzaun-Begrenzung der erlaubten Denkweisen, Darstellungen und verbalen Meldungen drängt eine moderne, demokratische Gesellschaft in die Zeiten Metternichs, wo die gerichtliche Verfolgung durch die gesellschaftliche Ächtung ersetzt wird. Es sind die Gartenzwerge der Kulturkritik, die in den intellektuellen Diskurs eingreifen und ihn zu einem banalen Einheitsbrei verändern wollen. Das schlechte Gewissen der Nachkriegsgenerationen mit dem Generationsauftrag des »Nie Wieder« macht sie zu wiedergeborenen Widerstandskämpfern, die in der Fantasie leben, diesmal zu verhindern, was ihre Vorfahren nicht verhindern wollten und konnten. Lieblingswaffe ist dabei die Schrecksekunde des Nazivergleichs, der die Angreifer in die Position versetzt, mit einem Totschlagargument das Gegenüber außer Gefecht zu setzen, oder ihn/sie derart ärgert, dass er/sie die Kontrolle verliert und sich damit zum Verlierer macht.

Konservative, Liberale, aber auch intelligente, tolerante Linke sollten gemeinsam versuchen, diese Entwicklung zu stoppen. Zensur ist eine überlebenswichtige Methode einer Diktatur, in der Demokratie eingesetzt, schützt es nicht die Demokratie, sondern beschleunigt ihr Ende.


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Über den Autor / die Autorin

Peter Sichrovsky

Klassische Dilettanten-Karriere, wenig von viel und viel von wenig zu wissen, zu können, nach Studium der Chemie Marketing in Pharmaindustrie, dann Journalist, Schriftsteller, Mit-Gründer des Standards, SZ/Stern Korrespondent in Asien, EU-Parlamentarier, die letzten zehn Jahre Industrie-Karriere in Süd-Ost-Asien, 23 mal übersiedelt und nach Wien, Berlin, New York, München, New Delhi, Singapur, Hong Kong, Manila, Los Angeles und Brüssel in Chicago gelandet. Seit September 2017 lebt Peter Sichrovsky in London.

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