SCHWEIN GEHABT

S

Schweine im Glück

Hand aufs Herz, haben Sie schon einmal ein Schwein in freier Wildbahn gesehen? Ein normales Hausschwein, das sich auf dem Feld in die Erde eingräbt, bis nur mehr die Hälfte mit dem Ringelschwänzchen in den Himmel ragt? Ich wusste nicht einmal, dass Schweine so was tun, wenn sie nach einer Wurzel suchen. Dieses Bild nahm mich sofort gefangen, als ich den Labonca Biohof in der Steiermark besuchte. Schweine, die an die Entchen im Kinderlied erinnern, »Köpfchen in der Erde, Schwänzchen in der Höh’«.

Was man hier sieht, hat nicht das Geringste mit industrieller Schweinezucht zu tun. Zufriedene, fette Schweine, die freundlich grunzend über schier endlose Felder traben und jeden Besucher neugierig begrüßen. Die Ferkel tollen fröhlich herum, und wenn dem Eber danach ist, besteigt er eine Sau. Der ist dann sicher auch danach. Denn hier geschieht nichts unter Zwang. Nur die Natur gibt den Rhythmus vor. Alles hier strahlt Ruhe und Zufriedenheit aus. Angst und Stress kennen höchstens die menschlichen Besucher. Und nein, es riecht auch nicht streng.

Hier gibt es keinen Stall, die Schweine leben das ganze Jahr auf den Feldern. Es sind hübsche Viecher, deren Fell sie nicht nur gut aussehen lässt, sondern sie vor allem vor der Sonne schützt. Nach Lust und Laune wird galoppiert, gesuhlt und gewühlt, gespielt, gefressen und gevögelt. Alles was Schweine gerne tun, wird hier getan, und kein Schwein stößt sich daran.

Das ist alles andere als selbstverständlich, denn die Enge, in der andere Schweine leben, hat natürlich einen Grund. Jeder »Schweinsgalopp« verbraucht Energie, die übers Futter teuer zugeführt werden muss. Die Bio-Richtlinen schreiben für ein 100 kg schweres Schwein gerade einmal 1,3m2 Stall- und 1,0m2 Außenfläche vor. Auf 2,3 m2 kann sich ein Schwein nicht einmal ordentlich umdrehen, geschweige denn galoppieren. Auch das ›Ja natürlich‹-Schweinderl ist nur eine arme Sau. Ein konventionell gehaltenes Schwein muss sich gar mit 0,65m2 begnügen. Gut, dass Schweine nicht lesen können, so wissen sie wenigstens nichts von ihrem Elend.

Neben ein paar Rindern, Gänsen und Hühnern (die aus der Bresse bekannten Les Bleus) leben auf dem Labonca Hof ungefähr 400 Schweine auf 250.000 m2 Freiland. Macht rd. 600 m2 pro Ringelschwänzchen. Und weil sie so leben wie sie leben, leben sie doppelt so lang wie ihre bedauernswerten Artgenossen. Die Ferkel säugen bis zu zwei Monate bei ihrer Mutter. Dann werden die männlichen Ferkel unter tierärztlicher Vollnarkose kastriert, was den wenigsten ihrer Artgenossen vergönnt ist. Mann will sich gar nicht vorstellen, wie sich dieser ohnehin bedauerliche Vorgang ohne Narkose anfühlen mag.

Gefüttert werden die Sonnenschweine – der Name ist Programm – ausschließlich mit feinstem Bio-Futter, das meiste stammt aus eigenem Anbau. Billige Mastfutter wie Soja und Mais sind tabu. Erst nach ungefähr einem Jahr erreichen sie 100 Kilo Schlachtgewicht und werden ihrer Bestimmung zugeführt. Denn auch das glücklichste Schwein landet letztlich auf dem Teller, das wie macht den Unterschied.

Hofschlachtungen sind durch EU-Richtlinien selten geworden. Die Hygienestandards sind dadurch vielleicht gestiegen, die Leiden der Tiere ganz sicher. Vom Transport bis zur Tötung im Akkord des Schlachthofs erlebt jedes Tier den gleichen Stress. Ob artgerecht oder industriell gehalten, im Sterben sind alle gleich. Elend. Was nicht nur den bedauernswerten Kreaturen schadet, sondern auch den Konsumenten. Denn Stress vermindert die Fleischqualität deutlich.

Norbert Hackl vom Labonca Hof geht auch hier einen eigenen Weg. Wenn ihre letzte Woche schlägt, kommen die Tiere auf die »Schlachtweide«, die sich in nichts von den anderen Weiden unterscheidet, auf denen sie bislang gelebt haben. Außer durch das »Weideschlachthaus«. Auf ihrer letzten Weide verbringen sie ein paar ruhige Tage, erst wenn sie sich eingelebt haben, hat sich’s ausgelebt. Der Futterplatz ist auch der Platz, an dem sie vor der Schlachtung betäubt werden. Die Atmosphäre könnte entspannter nicht sein. Schweine, die sich direkt vor dem Schlachthaus gemütlich in der Sonne räkeln, eine Kuh, die gemächlich wiederkäut. Betäubt wird während des Fressens. Das Sonnenschwein stirbt mit dem Geschmack eines Apfels im Maul. Es gibt sehr viel schlechtere Wege, diese Welt zu verlassen.

Glückliche Schweine schmecken besser. Die Kreuzung aus den Rassen Duroc und Schwäbisch-Hall, die langsame Aufzucht mit hochwertigem Futter, die frische Luft, die ungezügelte Bewegung, die stressfreie Schlachtung – am Ende liegt fein marmoriertes Fleisch mit einem idealen Fettanteil in der Pfanne.

Luxus? Nicht in Bezug auf den Preis. Das Fleisch kostet, was es eben kostet, Fleisch so herzustellen. Wahrscheinlich sind die Preise sogar eher zu niedrig als zu hoch. Luxus allemal, was den Einsatz der Ressourcen betrifft. Auf dem Labonca Hof werden jede Woche neun Schweine geschlachtet, alle zwei Wochen ein Rind. Dafür braucht der Hof 25 Hektar für die Weiden und noch einmal so viel für den Anbau des hofeigenen Biofutters, zusätzlich muss noch Biofutter zugekauft werden. Sehr viel Fläche für wenig Fleisch. Der »Luxus« artgerechter Tierhaltung liegt nicht im vergleichsweise bescheidenen Mehrpreis fürs Produkt sondern im enormen Flächenverbrauch.

Aber ehrlich gesagt ist mir das egal. Den Sonnenschweinen auch.

Anmerkung: Labonca hat den Text weder beauftragt noch vergütet. Fleisch und Feinkost können online bestellt werden und werden in ganz Österreich gekühlt geliefert. Hofführungen gibt es jeden Freitag und Samstag – Anmeldung über die Website, auf der man sich über den Betrieb und seine Produktionsweise informieren kann. 

Hat Ihnen der Beitrag gefallen? Dann unterstützen Sie bitte die SCHLAGLICHTER!

 Über diesen Beitrag auf Facebook diskutieren

Über den Autor / die Autorin

Thomas M. Eppinger

Thomas Eppinger ist davon überzeugt, dass alle Menschen mit unveräußerlichen Rechten geboren sind, zu denen das Recht auf Leben, Freiheit und das Streben nach Glück gehören. Daraus ergab sich alles andere, auch diese Website.
Der Publizist ist 1961 in Vöcklabruck geboren, lebt heute in Graz und arbeitet in Wien als Lead Editor bei »Der Pragmaticus«. Davor leitete er den unabhängigen Nahost-Thinktank Mena-Watch.

2 comments

  • Mit großer Freude hab ich den Artikel über Labonca gelesen, ich kann dem allen nur zustimmen und hoffe, dass durch diese Vorbildwirkung viele andere Bauern, die herkömmliche, tier-und umweltverachtende Landwirtschaft betreiben wenigstens darüber nachdenken, dass es auch andere Wege gibt, “Lebensmittel” herzustellen.
    In unserer Familie wird zu Hause fast nur Laboncafleisch gegessen und alle sind begeistert!!!
    Karin Thiem