ANDREW BREITBART

A

Photo: Gage Skidmore (edited), CC BY-SA-2.0 

Trumps Vordenker

Am Abend des letzten Tages des Monats Februar 2012 saß der 42jährige Andrew Breitbart in Brentwood – einem Stadtteil von Los Angeles in der Nähe des berühmten Hollywood Schriftzugs – an der Bar eines Restaurants, schlürfte einen Martini und plauderte mit seinem Nachbar über Politik, Medien, das Leben in Los Angeles mit seinen vier Kindern und welche Universitäten sie später besuchen würden.

Nach nur einem Drink machte er sich zu Fuß auf den Weg nach Hause als er vor Starbucks Cafe zusammenbrach. Der Arzt des Krankenwagens, der nach wenigen Minuten eintraf, konnte trotz aller Bemühungen nur mehr seinen Tod feststellen.

Als die Nachricht des plötzlichen Todes über die Medien verbreitet wurde, dachten viele an einen ‚Prank’ wie die Amerikaner es nennen, wenn jemand mit einer glaubwürdigen Aktion alle zum Narren hält. Andrew Breitbart hätten sie einen derartigen Scherz zugetraut.

Der Gründer von Breitbart.com war einer der schillerndsten Figuren der modernen Medienpolitik. Nach der Ernennung des Breitbart-Mit-Gründers und Geschäftsführers, Steve Bannon, zum engsten Berater Präsident Trumps teilen sich die USA und der Rest der Welt bis heute in jene, die Breitbart.com hassen und andere, für die es die einzig glaubwürdige Nachrichtenquelle ist.

Breitbart wuchs als Adoptivsohn einer jüdischen Familie in Los Angeles auf, die ein kleines Restaurant besaßen. Seine Schwester, ebenfalls adoptiert, hatte mexikanische Vorfahren. Die jüdische Identität war ihm wichtig. Er sang später während der Arbeitszeit oft hebräische Lieder und machte sich über sich selbst lustig, wenn er die koscheren Ess-Regeln nicht einhielt.

Nach dem Abschluss seines Studiums arbeitete er bei erfolgreichen Internet-Medien wie ‚Drudge Report’ und ‚Huffington Post’, schrieb eine wöchentliche Kolumne für die ‚Washington Times’ und war Ko-Autor von ‚Hollywood Interrupted’, einem kritischen und zum Teil aggressiven Buch über den Star-Kult in der Film-Metropole.

Breitbart.com

2004 beschloss er, sein eigenes Unternehmen Breitbart.com zu gründen und revolutionierte die Nachrichten-Industrie. Als überzeugter Konservativer und Fanatiker des Internets wollte er eine neue politische Plattform gründen, die kreuz und quer das Web nach Informationen durchsucht, die dann zu Nachrichten vernetzt und verbunden werden.

Es ging nicht nur um ein Ereignis, einen Bericht oder Reportage. Er konnte stundelang Informationen über ein und dieselbe Nachricht sammeln, bis er sie selbst nach seinen Vorstellungen formulierte und veröffentlichte. Er suchte wie ein Besessener nach Vergessenem oder Nachrichten, die von anderen übersehen wurden. Nichts war ihm zu wichtig oder zu unwichtig.

Er hatte das Talent, den ‚Wert’ einer Information für den Leser zu erkennen, lange bevor ihn alle anderen sahen. Der ehemals linke Student verteidigte seine rechts-konservative Position mit der Notwendigkeit des politischen Ausgleichs, da seiner Meinung nach, ein Großteil der Medien reine links- oder linksliberale Propaganda betreibe.

Breitbarts klassischer Aufdeckungs-Journalismus trieb die Non-Profit Organisation ‚Acorn’ mit geheimen Video-Aufzeichnungen in den Bankrott. Zwei als Prostituierte und Zuhälter verkleidete Journalisten informierten Acorn-Mitarbeiter, dass sie die Absicht hätten, junge Mädchen aus Süd-Amerika in die USA zu schmuggeln, die daraufhin organisatorische Unterstützung anboten. Es war Breitbart-News, die Sex-Fotos des demokratischen Abgeordneten Anthony Weiner veröffentlichte, die er über das Internet verbreitete.

Andrew Breitbart attackierte jeden, konfrontierte jeden und diskutierte mit jedem. Er kannte weder Hemmungen noch Angstgefühle. Als während einer Veranstaltung der Tea-Party in Washington das Hotel von wütenden Demonstranten belagert wurde, ging er alleine auf die Straße mit einem Glas Wein in der Hand und rief ihnen entgegen: „He! Benehmt Euch!“ Seine Ehefrau erzählte bei seiner Trauerfeier eine Episode, als er Zeugen Jehovas, die an die Tür klopften, in die Wohnung bat und stundenlang mit ihnen debattierte.

Seine enorme politische Macht entwickelte sich parallel zur steigenden Popularität Donald Trumps. Während des Wahlkampfs schnellte innerhalb weniger Monate die Anzahl der Leser von Breitbart auf über 10 Millionen und liegt damit über der von Konkurrenten.

Steve Bannon

Trump holte sich von Breitbart seinen Wahlkampfleiter, Steve Bannon. Dieser kommt aus einfachsten Verhältnissen, war sieben Jahre bei der US-Navy und schaffte es danach innerhalb weniger Jahre bis zum Vize-Präsidenten von Goldman Sachs. Wechselte nach der Bank-Karriere ins Filmgeschäft, produzierte mehr als 15 Spielfilme und zahlreiche Dokumentationen. Seine Kritiker nennen ihn die ‚Leni Riefenstahl’ der Tea-Party.

Bannon und sein ehemaliger Chef Breitbart sind Vertreter einer neuen konservativen Ideologie, die die neu-alte Linke völlig unvorbereitet traf. Extrem motiviert und hoch intelligent überrumpelten sie mit den Methoden der modernen Kommunikation die links/liberale und konservative amerikanische Elite und schockten sowohl das demokratische als auch das republikanische Establishment.

Tabus sind verboten, jede Provokation erlaubt, political correctness eine Ideologie der Vergangenheit. Politiker und Intellektuelle der ‚Alten Ordnung’ sind verbraucht, eitel, geldgierig und selbstgefällig und sollten abtreten. Vorbild für Bannon ist Lenin: Um eine neue Ordnung aufzubauen muss zuerst die alte zerstört werden!

Lesevorschlag:
Die 10 Weltanschauungen Amerikas: Weil Donald Trump die alte Ordnung stürzt, ein Blick auf die neue, auf Breitbart.com (englisch)

Über den Autor / die Autorin

Peter Sichrovsky

Klassische Dilettanten-Karriere, wenig von viel und viel von wenig zu wissen, zu können, nach Studium der Chemie Marketing in Pharmaindustrie, dann Journalist, Schriftsteller, Mit-Gründer des Standards, SZ/Stern Korrespondent in Asien, EU-Parlamentarier, die letzten zehn Jahre Industrie-Karriere in Süd-Ost-Asien, 23 mal übersiedelt und nach Wien, Berlin, New York, München, New Delhi, Singapur, Hong Kong, Manila, Los Angeles und Brüssel in Chicago gelandet. Seit September 2017 lebt Peter Sichrovsky in London.

Curriculum Vitae

Publications